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Entrüstet klärte sie mich darüber auf, wie viele Menschen auf der Straße seien, und wie wenige sich dagegen an Pferderennen beteiligten.

«Bei Hindernisrennen kommen kaum Todesfälle vor«, versuchte ich es noch einmal.

«Bill war…«

«Nur einer im Jahr, aus Hunderten und Aberhunderten«, fuhr ich fort.

«Bill ist der zweite seit Weihnachten.«

«Ja. «Ich sah sie von der Seite an. Sie hatte immer noch Tränen in den Augen.»Scilla, hatte Bill eigentlich in der letzten Zeit Ärger?«

«Wie kommst du denn darauf?«fragte sie entgeistert.

«Nun?«

«Selbstverständlich nicht.«

«Er hatte keine Sorgen?«drängte ich.

«Nein. Ist dir etwas aufgefallen?«

«Nein«, sagte ich. Und es stimmte auch. Bill hatte eine hübsche Frau, drei nette Kinder, ein schönes Haus, ein beträchtliches Vermögen gehabt und war der beste Hindernisreiter in ganz England gewesen.

«Warum fragst du dann?«erkundigte sich Scilla.

Ich brachte ihr vorsichtig bei, daß Bills Sturz nicht auf einen Unfall zurückzuführen war. Ich erzählte ihr von dem Draht und von Lodges Nachforschungen.

Sie saß da wie betäubt.

«O nein«, sagte sie.»O nein, nein.«

Als ich jetzt vor dem Wiegeraum in Plumpton stand, sah ich immer noch ihr entsetztes Gesicht vor mir. Sie hatte keine Einwendungen mehr gegen meinen Ritt erhoben.

Eine kräftige Hand legte sich auf meine Schulter. Sie gehörte Pete Gregory, dem Trainer, einem stämmigen Mann von beinahe eins achtzig, der schon kahlköpfig wurde, aber zu seiner

«Tag, Alan. Freut mich, daß du da bist. Ich habe dich schon für dein Pferd im zweiten Rennen eintragen lassen.«

«Wie geht’s ihm denn?«fragte ich.

«Ganz gut. Er ist noch ein bißchen mager.«>Forlorn Hope< befand sich erst seit einem Monat in seinem Stall.»Du darfst ihn beim ersten Mal nicht überanstrengen, sonst schafft er es nicht bis ins Ziel. Er braucht noch sehr viel Zeit.«

«Okay«, sagte ich.

«Gehen wir hinaus und sehen wir uns den Boden an«, sagte Pete.»Ich möchte mit dir sprechen.«

Wir gingen durchs Tor auf die Bahn und drückten unsere Absätze in den Turf. Sie sanken zwei Zentimeter tief ein.

«Nicht schlecht, wenn man an den vielen Schnee denkt, der inzwischen geschmolzen ist.«

«Hübsch weich für dich, wenn du hinfällst«, grinste Pete.

Wir stiegen die Anhöhe zur nächsten Hürde hinauf. Der Boden auf der Aufsprungseite war etwas zu weich, aber wir wußten, daß man die andere Seite der Bahn besser entwässert hatte.

«Hast du >Admiral< in Maidenhead stürzen sehen?«fragte Pete plötzlich. Er war zu diesem Zeitpunkt in Irland gewesen, um ein Pferd zu kaufen, und gerade erst zurückgekommen.

«Ja. Ich befand mich etwa zehn Längen hinter ihm«, erwiderte ich.

«Und?«

«Was und?«sagte ich.

«Was war los? Warum ist er gestürzt?«Seine Stimme klang drängend. Ich sah ihn an. Ich wußte nicht, wie es kam, aber ich wich ihm aus.»Er ist eben gestürzt«, sagte ich.»Als ich das Hindernis übersprang, lag er auf dem Boden, Bill unter sich.«

«Hat > Admiral < das Hindernis also ganz falsch

angesprungen?«meinte er.

«Soweit ich sehen konnte, nein. Er kam eben nicht hoch genug.«

«Und sonst, war nichts?«Petes Augen funkelten.

«Was meinst du damit?«

«Nichts. Wenn du nichts gesehen hast.«

Wir schlenderten zurück. Ich grübelte darüber nach, warum ich Pete nicht die Wahrheit gesagt hatte. Ich zweifelte nicht daran, daß er es nie fertig gebracht hätte, das Leben eines Freundes in Gefahr zu bringen, aber warum war er so erleichtert, als ich ihm versichert hatte, daß mir nichts aufgefallen wäre?

Ich hatte mich eben entschlossen, ihn um eine Erklärung zu bitten, und alles zu erzählen, was geschehen war, als er mir zuvorkam.

«Trittst du im Amateur-Jagdrennen an, Alan?«fragte er lächelnd.

«Nein«, sagte ich.»Pete, hör mal.«

Aber er unterbrach mich.»Vor fünf oder sechs Tagen ist ein Pferd bei mir eingetroffen, das heute im Jagdrennen starten soll. Ein Brauner. Recht ordentliches Tier. Er stammt aus einem kleinen Stall im Westen, und der neue Eigentümer möchte das Pferd gerne laufen sehen. Ich wollte dich heute früh telefonisch verständigen, aber du warst schon weg.«

«Wie heißt er denn?«fragte ich.

«Heavens Above.«

«Nie davon gehört. Was hat er denn geleistet?«fragte ich.

«Nun, nichts Besonderes. Er ist selbstverständlich noch ein junges Tier.«

«Na, komm schon, ’raus mit der Sprache!«

Pete seufzte und gab nach.»Er ist überhaupt erst zweimal

gelaufen, und zwar im vergangenen Herbst in Devon. Er stürzte nicht, aber er — äh — entledigte sich beide Male seiner Jockeys. Aber auf der Übungsbahn hat er heute früh alle Hindernisse glatt übersprungen. Ich glaube, daß du ihn ohne Schwierigkeiten ins Ziel bringen könntest, und nur darauf kommt es zunächst an.«

«Pete, ich sage nicht gern nein, aber ich. «begann ich.

«Die Eigentümerin rechnet so sehr damit, daß du ihn reitest. Es ist ihr erstes Pferd, und es startet zum erstenmal unter ihrem Namen. Ich habe sie mitgebracht. Sie ist sehr aufgeregt. Ich versprach ihr, dich zu fragen.«

«Ich glaube nicht..»versuchte ich es noch einmal.

«Du kannst sie aber doch zumindest kennenlernen«, drängte Pete.

«Du weißt, daß es dann noch viel schwerer ist, nein zu sagen«, erwiderte ich.

Pete leugnete es nicht.

«Das ist wohl wieder mal eine von deinen netten, alten Damen, die kurz vor dem Eintritt ins Altersheim steht, aus dem sie nie mehr zurückkommen wird, und die nun zum letztenmal etwas erleben will?«

Mit dieser traurigen Geschichte hatte mich Pete vor einiger Zeit gegen meine bessere Erkenntnis auf ein schlechtes Pferd gelockt. Die alte Dame sah ich übrigens auch nachher fast auf jedem Rennplatz.

«Diesmal handelt es sich nicht um eine nette, alte Dame«, erklärte Pete.

Wir blieben am Sattelplatz stehen. Pete sah sich um und winkte schließlich. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie eine Frau auf uns zuging. Ich konnte den Rückzug nicht mehr antreten, wenn ich nicht ausgesprochen unhöflich erscheinen wollte. Es blieb mir gerade noch Zeit, Pete einen Fluch ins Ohr zu zischen, bevor ich mich umdrehte, um der neuen

Eigentümerin von >Heavens Above<, dem Pferd mit der Allergie gegen Jockeys, vorgestellt zu werden.

«Miss Ellery-Penn, Alan York«, sagte Pete.

Ich war schon verloren, bevor sie überhaupt etwas sagte. Anstelle irgendeiner Höflichkeitsfloskel erklärte ich schlicht:»Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihr Pferd zu reiten.«

Pete lachte schallend.

Sie war bildschön. Sie hatte ebenmäßige Züge, eine herrliche Haut, graue Augen, schwarzes, schimmerndes Haar, das ihr fast bis auf die Schultern fiel. Und sie wußte sehr wohl von ihrer Wirkung auf Männer, aber das war zu verstehen.

«Na schön«, meinte Pete.»Ich lasse dich für das AmateurRennen eintragen. Es ist das vierte. Die Sachen gebe ich dem. «Er entfernte sich in Richtung Wiegeraum.

«Ich bin sehr froh darüber, daß Sie mein Pferd reiten wollen«, sagte die junge Dame.»Es ist ein Geburtstagsgeschenk. Ziemlich ausgefallen, nicht wahr? Mein Onkel George, ein sehr lieber Mensch, aber doch ein bißchen exzentrisch, hatte in der >Times< inseriert. Meine Tante erzählte mir, daß er fünfzig Angebote bekam und dieses Pferd kaufte, ohne es gesehen zu haben, weil ihm der Name gefiel. Er meinte, ein Pferd zum Geburtstag sei doch etwas Amüsanteres als die übliche Perlenkette.«