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Nicht respektvoll auf getrennten Platten oder Tischen aufgebahrt, sondern einfach so dicht wie möglich gestapelt. Eine Temperaturanzeige neben der Öffnung verriet, daß ein Kühlsystem die Leichen auf fast dem absoluten Nullpunkt hielt.

Einige der toten Gesichter waren Owen und Hazel zugewandt, und durch den Frost auf ihnen schimmerten die gefrorenen Augen fast lebendig.

»Nun«, sagte Owen schließlich, »jetzt wissen wir, was sie mit den Leichen gemacht haben.«

»Owen…«

»Jetzt nicht. Ich möchte die übrigen Höhlen überprüfen.«

Und so gingen sie von einer Höhle zur nächsten, von Öffnung zu Öffnung, und fanden alle restlos mit den eingefrorenen Toten von Virimonde gefüllt. Owen versuchte zu schätzen, wie viele Leichen es waren, aber selbst, wenn er die gewaltige Größe der Höhlen überschlug, konnte er die Dimension nicht fassen. Die Zahlen waren einfach zu riesig. Er blieb vor dem Eingang zur letzten Höhle stehen, konnte nicht weitergehen.

Alle Kräfte verließen ihn einfach. Hazel trat neben ihn und legte ihm tröstend die Hand auf den Arm, aber er spürte es kaum.

»Ich habe das Gefühl, ich müßte etwas tun«, sagte er leise.

»Ich weiß jedoch nicht, was. Sie waren mein Volk. Sie sind immer noch mein Volk. Selbst wenn sie tot sind. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll.«

Er hatte die Hände hilflos zu Fäusten geballt. Hazel drückte sich an ihn, versuchte ihn mit ihrer Nähe zu stützen und zu trösten.

»Ich schätze, Euch macht das nicht viel aus«, sagte er.

»Schließlich wart Ihr eine Klonpascherin.«

»Ich habe die Leichen nie gesehen«, sagte Hazel. »Nur manchmal hatte ich Alpträume… Warum, denkst du, hat Valentin sie…«

»Wer weiß noch, warum Valentin etwas tut?«

Hazel zögerte, als sie die kalte, bittere Wut in seinen Worten hörte, redete dann jedoch weiter. »Der Wolf ist verrückt, aber sein Wahnsinn hat immer Methode. Er muß einen Grund gehabt haben. Warum sollte er sich sonst die Mühe machen, sie einzufrieren?«

»Wie ich Valentin kenne, ist es wahrscheinlich ein sehr beunruhigendes Motiv.« Owen ließ die Luft in einem langen Seufzer fahren und öffnete die Fäuste. »Ich sage: Finden wir den Mistkerl und fragen ihn. Und falls mir seine Antworten nicht gefallen, knalle ich ihn so lange immer wieder vor die Burgmauer, bis ihm das Blut aus den Ohren fließt.«

»Klingt für mich nach einem guten Plan«, sagte Hazel.

Owen ging voraus zur Rückwand der Fliegerhöhle und öffnete eine getarnte Tür in der Wand. Dahinter lag ein schmaler Steingang, der nach oben führte. Lichter sprangen entlang des Tunnels an und erhellten ihn. Hazel war insgeheim beeindruckt.

»Er führt zu einer weiteren Geheimtür in meinem alten Schlafzimmer«, sagte Owen. »Von dort haben wir Zugang zu allen wichtigen Bereichen der Burg. Die Gebäudesicherheit beruht mehr auf Menschen als auf Tech. Aristokraten haben es nicht gern, wenn man sie ausspioniert. Haltet die Hand so, daß Ihr rasch das Schwert ziehen könnt, aber laßt Eure Schußwaffen in Ruhe. Beim Lärm einer Schußwaffe kämen die Wachtposten aus allen Richtungen angerannt. Und ich möchte keinen Krieg führen. Ich möchte nur Valentin in die Hand bekommen.«

Bei jeder anderen Gelegenheit hätte Hazel Owen dafür angeschnauzt, daß er ihr Lektionen über solch offenkundige Umstände hielt, aber diesmal blieb sie friedlich. Das Reden half ihm, sich abzulenken. Sie folgte ihm in den Tunnel, und die Tür schwang hinter ihnen zu. Ihre Schritte klangen in der Stille sehr laut. Und dann blieb Owen plötzlich stehen und blickte hin und her.

»Was ist los?« fragte Hazel leise.

»Irgendwas stimmt hier nicht«, antwortete Owen.

Hazel blickte den Tunnel hinauf. »Ich sehe nichts.«

»Ich auch nicht, aber ich spüre es. Ihr nicht?«

Hazel konzentrierte sich, wollte ihre Gedanken in die seltsamen Richtungen aussenden, die ihrem Bewußtsein offenstanden, aber da packte Owen sie und zerrte sie zu Boden. Sie schlug so heftig auf, daß es ihr die Luft aus den Lungen drückte. Owen landete nur einen Augenblick später neben ihr und warf einen Arm über sie, um sie am Boden festzuhalten. Und von allen Seiten zuckten Disruptorstrahlen aus getarnten Geschützluken.

Wären sie beide stehen geblieben, hätte der Beschuß Hackfleisch aus ihnen gemacht.

»Soviel zu deinem Geheimgang, Todtsteltzer!« zischte Hazel und versuchte, sich in den massiven Felsboden hineinzugraben.

»Sie müssen es aus David herausbekommen haben, ehe er starb«, sagte Owen. »Versucht, Euch rückwärts zur Tür zu schlängeln.«

»Zum Teufel damit«, erwiderte Hazel. »Ich habe schließlich meinen Stolz. Warten wir doch, bis sich die Strahler abschalten, und rennen dann los, während sie sich wieder aufladen.«

»Erstens feuern sie gestaffelt. Sie werden sich nicht abschalten. Zweitens zielen sie langsam immer tiefer. Jetzt schlängelt Euch, verdammt!«

Sie krochen, so schnell sie konnten, durch den Tunnel zur Tür zurück, und die Disruptorstrahlen verfehlten sie um höchstens zwei oder drei Zentimeter. Die immer tiefer haltenden Strahler versengten die Luft direkt über Owen und Hazel und erfüllten den Tunnel mit dem Gestank ionisierter Luft. Owens Kleider ruckten beim Rückwärtskriechen hoch, was ihn verlangsamte, und er hörte Hazels zahlreiche Schußwaffen und Munitionsgürtel über den Boden scharren. Er riskierte einen Blick hinüber, gerade zum richtigen Zeitpunkt, um zu sehen, wie ein Disruptorstrahl ihren aufgerichteten Ellbogen erwischte, den Ärmel verdampfte und das freigelegte Fleisch verbrannte. Hazel schnitt eine Grimasse, gab aber keinen Laut von sich und kroch weiter. Der Geruch verbrannten Fleisches vermischte sich kurz mit dem Ozon.

Owen verdoppelte seine Anstrengungen und krabbelte rückwärts, so schnell er sich nur überwinden konnte. Er spürte beinahe, wie die Energiestrahlen die Luft direkt über ihm durchschnitten. Und dann wurde er gestoppt, als er mit den Füßen heftig an die geschlossene Stahltür stieß. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen die Tür, aber sie gab nicht nach. Er wurde zornig und trat mit beiden Füßen zu. Die schwere Stahltür flog auf, war halb aus den Angern gerissen. Er blickte erneut zu Hazel hinüber. Sie hob bei dem Geräusch leicht den Kopf, und ein Disruptorstrahl nahm genau Kurs auf ihre Stirn.

Owen hatte das Gefühl, daß die Zeit langsamer wurde und fast stehenblieb und der Energiestrahl nur noch durch die Luft kroch. Und es war für Owen das leichteste auf der Welt, einen Satz nach vorn zu machen und seine goldene Hadenmännerhand zwischen Hazel und den Strahl zu halten, und der Disruptorschuß prallte harmlos ab. Die Zeit stürzte in ihre normale Geschwindigkeit zurück. Owen packte Hazel und zog sie mit sich, als er sich aus dem Tunnel herauswarf, zurück in die Haupthöhle. Sie schlugen heftig auf dem Boden auf und rollten sich von der Öffnung weg, brachten soviel Distanz wie möglich zwischen sich und den tödlichen Tunnel. Eine Zeitlang lagen sie nebeneinander und kamen wieder zu Atem. Dann standen sie ein wenig zittrig auf.

»Nun«, fragte Owen, »fühlt Ihr Euch immer noch unverwundbar?«

»Ach, halt die Klappe, Todtsteltzer. Wird es dir nicht leid, immer recht zu behalten?« Sie hob behutsam den Arm und musterte mit gekräuselter Lippe die Verbrennung. »Scheußlich.

Aber es wird heilen. Danke für die Rettung, Hengst.«