»Ich habe einen Sturzflug eingeleitet, um unter den Wolken in Deckung zu gehen. Vielleicht können wir die Hadenmänner abschütteln.«
»Unwahrscheinlich«, sagte Mond gelassen. »Sensoren der Hadenmänner sind allem, was man im Imperium vorfindet, weit überlegen. Außerdem verfügt dieses goldene Schiff über genügend Feuerkraft, um einen kleinen Mond zu verdampfen.
Oder auch einen großen, wenn sie nur genug Geduld mitbringen. Ich schlage vor, daß wir uns auf Schnelligkeit konzentrieren. Der verbesserte Hyperraumantrieb aus der ursprünglichen Sonnenschreiter ist nach wie vor allem, was die Hadenmänner haben, deutlich überlegen.«
»Man muß dem Herrgott für kleine Gunstbeweise danken«, sagte Hazel. »Haltet euer Frühstück unten, Leute. Es geht jetzt steil runter.«
Die Sonnenschreiter II durchstieß die durcheinanderwirbelnde Wolkendecke, das riesige goldene Schiff der Hadenmänner direkt auf den Fersen, einem Wal ähnlich, der einer Elritze nachsetzte. Beide Schiffe tauchten mit gefährlich hohem Tempo durch die Atmosphäre von Lachrymae Christi und scherten sich nicht um das ungestüme Wetter, das ringsherum wogte und prasselte. Das goldene Schiff feuerte, und die Abwehrschirme der Sonnenschreiter II flammten kurz auf und absorbierten soviel von den entsetzlichen, zerstörerischen Energien, wie sie nur konnten.
An Bord der Jacht heulten alle Alarmsysteme durcheinander.
Die Beleuchtung der Brücke fiel aus, und nach einer Herzschlagpause breitete sich der mattrote Schein der Notbeleuchtung aus. Owens Augen huschten über die Steuerpaneele, suchten nach guten Nachrichten und fanden keine. Immer mehr Systeme wurden abgeschaltet, als die Hauptlektronen die Energie in die Abwehrschirme umleiteten. Hazel schaffte es, ein paar Schüsse auf das nachsetzende Hadenmännerschiff abzugeben, aber sie machten auf dessen gewaltige Schirme keinen Eindruck. Owen behielt mit je einem Auge die eigene Geschwindigkeit und Flughöhe im Auge und wußte nicht recht, welche ihm mehr Sorgen bereitete. Falls er den Hadenmännern nicht bald entkam, würde es der Sonnenschreiter II schwerfallen, noch rechtzeitig für eine sichere Landung Tempo wegzunehmen.
»Könnte jemand bitte die verdammten Sirenen abschalten?« fragte er rauh. »Ich kann mir hier nicht mehr beim Nachdenken zuhören!«
Hazel schlug mit der Faust auf einen Abschnitt der Steuerpaneele, und plötzlich breitete sich erfreuliche Stille auf der Brücke aus. »Besser?«
»Viel.«
»Können wir irgendwie helfen?« fragte Bonnie.
»Beten wäre inzwischen wahrscheinlich eine gute Idee«, schlug Hazel vor. »Gibt es bei euch irgendwelche wohlmeinenden Gottheiten?«
»Wie sieht unsere Lage nun genau aus?« erkundigte sich Mittemacht.
»Schlimm und im Begriff, sich weiter zu verschlechtern«, antwortete Owen. »Wir sind mit einem stärker bewaffneten und viel größeren Schiff konfrontiert, dessen Besatzung verdammt scharf auf uns ist. Und falls wir nicht sehr bald eine Möglichkeit finden, wie wir langsamer werden, dann kriegt noch irgendein beklagenswertes Gebiet dieses Planeten bald einen Krater, der groß genug ist, um einen kleinen Mond hineinzuwerfen. Sagt Euch der Begriff tief in der Scheiße irgendwas? Oz, irgendwelche Vorschläge?«
»Du hast immer die Möglichkeit zu kapitulieren«, meldete sich die KI in seinem Ohr. »Natürlich würden sie euch wahrscheinlich langsam töten und dann in Hadenmänner verwandeln… Immerhin ist das eine Option, über die du noch nicht nachgedacht hast.«
»Vielen Dank«, sagte Owen.
»Können wir uns nicht wehren?« fragte Bonnie.
»Wir sind nicht stark genug, um ihnen weh zu tun«, sagte Hazel. »Außerdem sind unsere Zielerfassungssysteme gerade ausgefallen. Wir benötigen die zusätzliche Energie für die Abwehrschirme. Die in diesem Augenblick kurz vor dem Zusammenbruch stehen.«
»Wir müssen doch irgendwas tun können!« schimpfte Mitternacht.
»Ich bin für Vorschläge offen!« versetzte Owen. »Mond, das sind Eure Leute. Könntet Ihr… mit ihnen reden oder etwas in der Art?«
»Die aufgerüsteten Menschen betrachten mich zweifellos als Verräter«, antwortete Mond völlig ungerührt mit schwerer, stimmender Stimme. »Von uns allen möchten sie mich am ehesten tot sehen. Unsere Lage scheint wirklich hoffnungslos. Ich schätze, daß die Schilde in den nächsten dreißig Sekunden zusammenbrechen.«
Am Heck der Jacht explodierte etwas, und das ganze Fahrzeug erzitterte. Die Alarmsirenen heulten für wenige Sekunden wieder auf, ehe Hazel sie abschaltete. Ihre Finger flogen über die Steuerung.
»Ein Rumpfbruch, Owen! Wir verlieren Luft und müssen erst noch verdammt viel tiefer in die Atmosphäre sinken, ehe sich der Luftdruck wieder ausgleicht. Ein kleines Feuer ist ausgebrochen, aber die automatischen Systeme scheinen damit fertig zu werden. Die Heckschirme sind ausgefallen, und die Schirme mittschiffs… halten stand. Zunächst. Zwanzig Prozent Systemausfälle überall an Bord. Wir verkraften keinen weiteren Treffer dieses Kalibers!«
»Haben wir Fluchtkapseln?« fragte Bonnie. »Gravschlitten?
Irgendeine Möglichkeit, dieses Wrack zu verlassen?«
»Ich glaube das einfach nicht!« beschwerte sich Owen. »Man hat mir schon mal ein Schiff unterm Hintern weggeschossen, so daß ich eine Bruchlandung in einem Dschungel hinlegen mußte. Warum passiert mir das nur wieder? Mond, denkt Euch etwas aus!«
Eine weitere Explosion erfolgte im Heck. Die Triebwerke kreischten entsetzlich. Warnlampen leuchteten überall auf den Steuerpaneelen, und dann fiel alles aus. Owen betrachtete die tote Konsole vor sich und hatte keinen Schimmer, was er unternehmen sollte.
»O Scheiße«, ließ sich Hazel vernehmen. »Die Hauptlektronen sind gerade ausgefallen, die Abwehrschirme ebenfalls.
Alle Waffensysteme sind offline. Die Lebenserhaltung versagt.
Die Triebwerke sind außer Kontrolle. Das ist kein Schiff mehr, sondern ein Geschoß. Owen, ohne all die Lektronen haben wir keine Chance zu landen.«
Alle musterten sich gegenseitig. Owen dachte angestrengt nach. Er mußte die Ruhe bewahren. Sich alles genauüberlegen.
»Wir sind alle Überlebende des Labyrinths«, sagte er zögernd.
»Was, wenn wir einfach abspringen und hoffen, eine ausreichend tiefe Stelle im Meer zu erwischen…«
»Nein«, erwiderte Hazel. »Nicht bei dieser Geschwindigkeit.
Wir sind hart im Nehmen, aber wiederum nicht so hart.«
»Oz?« fragte Owen. »Es muß etwas geben, worauf wir noch nicht gekommen sind.«
»Tut mir leid, Owen. Ich kann nichts unternehmen. Erinnert dich das nicht an unsere Ankunft auf Shandrakor? Ich werde dabei fast nostalgisch.«
»Das ist es!« sagte Owen und wandte sich rasch an Mond.
»Als die imperialen Sternenkreuzer die erste Sonnenschreiter in Stücke gepustet hatten, habt Ihr Euch direkt mit den Schiffslektronen verbunden und uns sicher hinuntergeführt. Könnt Ihr es nicht erneut tun?«
»Ich habe schon eine Verbindung mit den verblieben Lektronen hergestellt«, antwortete Mond ein klein wenig distanziert.
»Ich habe da eine Idee. Sie ist vielleicht ein bißchen extrem, hat jedoch eine Erfolgschance von dreiundsiebzig Prozent. Alle Alternativen bieten deutlich geringere Überlebenschancen.«
»Ach verdammt, nur zu!« sagte Owen. »Aber falls Ihr mein Schiff wieder zertrümmert, schweiße ich Euch daran fest, bis Ihr es repariert habt!«
»Oh, Ihr Kleingläubiger!« entgegnete Mond gelassen und schaltete die Triebwerke ab. Die wenigen verbliebenen Kontrollen fielen aus, und selbst die Notbeleuchtung gab den Geist auf. Es war sehr dunkel und sehr still auf der Brücke.
»Mond«, meldete sich Hazel in gefährlich ruhigem Ton.