Owen schüttelte müde den Kopf. »Es ist wieder genau wie auf Shandrakor. Das weiß ich einfach.«
»Nicht unbedingt«, hielt ihm Mond entgegen. »Zumindest lauern diesmal draußen keine hungrigen Killerfremdwesen.
Auf dem ganzen Planeten findet man kein tierisches Leben, von den Kolonisten mal abgesehen. Obwohl die Dateien einige recht beunruhigende Meldungen von Begegnungen mit großen und beweglichen Pflanzen enthalten, die eine eindeutig feindselige Haltung an den Tag legten.«
»Killerpflanzen!« sagte Bonnie. »Wundervoll! Würde mir bitte mal jemand erklären, was genau wir hier eigentlich tun?
Ich war völlig glücklich und hatte gerade die erste Hälfte einer viertägigen Sauftour hinter mir, als mich eure Botschaft erreichte. Sie klang diesmal ganz vernünftig.«
»In dem Zustand, in dem du warst, hättest du dich sogar freiwillig für einen Einsatz auf Shub gemeldet«, fand Mitternacht. »Wie kannst du deinen Körper nur so mißbrauchen?«
»Übung, Schatz, Übung.« Bonnie blinzelte der schwarzen Kriegerin zu, aber diese wandte sich nur verärgert ab. Bonnie lachte. »Kommt schon, jemand sollte mich ins Bild setzen.
Bekomme ich diesmal jemanden zu töten? Am besten eine ganze Menge Jemande.«
»Wir sind in wohltätiger Mission hier«, erklärte ihr Owen geduldig. »Die Oberste Mutter Beatrice Cristiana, besser bekannt als die Heilige von Technos III, hat die Leitung der reformierten Kirche niedergelegt, um hier eine Missionsstation für die Leprakranken einzurichten. Und so, wie sie nun mal ist, hat sie aus der Missionsstation sehr schnell einen gesellschaftlichen Treffpunkt und eine Kommunikationszentrale für den ganzen Planeten gemacht und die verstreuten Siedlungen schließlich zu einem Volk zusammengeschmiedet. Sie standen tatsächlich im Begriff, sich zu einer lebensfähigen Kolonie zu entwickeln, als die Hadenmänner angriffen. Vermutlich niemand anderes als dieses verdammte goldene Schiff. Jedenfalls befindet sich jetzt eine Streitmacht von Hadenmännern dort unten und konzentriert ihre Angriffe auf die Missionsstation der Heiligen Bea. Wir sind hier, um die Mission und ihre Leute zu verteidigen.«
»Warum wir?« fragte Bonnie. »Warum ist keine reguläre Armee gekommen und verdient sich hier ihren Sold?«
»Weil die reguläre Armee einen Dreck auf eine Kolonie von Leprakranken gibt. Jeder, an den Sankt Bea herangetreten ist, hatte auf einmal anderswo zu tun. Schließlich wandte sie sich direkt an mich, und…« Er lächelte reuevoll. »… es fällt mir irgendwie schwer, einer Heiligen etwas abzuschlagen.«
»Frage nächstens mich«, sagte Bonnie. »Ich zeige dir, wie es geht. Wo ich herkomme, Todtsteltzer, gibt es keine Heiligen.
Wir fressen sie auf.«
»Richtig«, warf Mitternacht ein. »Nachdem wir das Imperium gestürzt hatten, gehörte zu den ersten Dingen, die wir in Angriff nahmen, die Auflösung der etablierten Kirche, um sie durch den Mystischen Orden des Stahls zu ersetzen. Wir sind Krieger und folgen dem Weg des Kriegers.«
»Manchmal frage ich mich, ob unsere Welten irgendwas miteinander gemeinsam haben, abgesehen vom Labyrinth des Wahnsinns«, sagte Owen.
»Na ja, auf jeden Fall dich«, sagte Mitternacht und lächelte ein wenig zu warmherzig für seinen Geschmack. »Wo immer es eine Variante von mir gibt, findet man auch eine von dir.
Das Schicksal hat uns überall zusammengeführt.«
»Richtig«, bekräftigte Bonnie und zupfte sich dabei müßig einen goldenen Ring, der durch etwas geführt war, das sich Owen lieber nicht ansah. »Wir…«
»Na, das finde ich aber interessant«, meldete sich Mond, der immer noch über die Steuerungspaneele gebeugt war. Alle wandten sich rasch zu ihm um.
»Ich hasse es wirklich, wenn er das sagt«, gab Hazel von sich. »Es bedeutet fast immer, daß etwas ganz Furchtbares im Gang ist.«
»Nein, das ist wirklich interessant«, entgegnete Mond. »Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber es ist definitiv interessant.«
Owen gesellte sich zu ihm und musterte die Sensorenbildschirme. »Das ergibt überhaupt keinen Sinn«, fand er schließlich. »Es sieht so aus, als würde etwas langsam… die Sonnenschreiter einhüllen. Eine Art organisches Material.«
»Jetzt mal langsam«, meldete sich Bonnie. »Willst du damit sagen, daß etwas auf diesem gottverlassenen Planeten groß genug ist, um ein Sternenschiff zu verschlucken?«
»Nicht direkt«, erwiderte Mond. »Hier gibt es nur pflanzliches Leben, erinnert Ihr Euch?«
»Wir müssen aussteigen und es uns ansehen«, sagte Hazel.
»Mal sehen, was auf diesem verdammten Einsatz noch alles schiefgehen kann.«
»Ihr solltet lieber auf das achten, was Ihr sagt, sobald Ihr Sankt Bea gegenübersteht«, lächelte Owen. »Sie erlegt Euch sonst noch eine Buße auf.«
»Ist längst passiert«, knurrte Hazel. »Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin.«
Eine Zeitlang weigerte sich die Außentür der Luftschleuse rundweg, sich zu öffnen. Alle Systeme funktionierten, aber die Tür gab nicht nach. Sie versuchten es mit der Handbedienung, aber damit erreichten sie auch nicht mehr, als daß sich Hazel zwei Fingernägel abbrach. Sie verlor völlig die Geduld und zerschoß das Schloß mit dem Disruptor. Owen und Mond bekamen die Tür halb auf, und einer nach dem anderen drückten sie sich hindurch und sprangen zum Erdboden hinunter, Schwert und Schußwaffe einsatzbereit.
Der Dschungel draußen war ein Gemisch grellster Rotschattierungen. Die schwarzen Bäume hatten scharlachrote Blätter, das Gebüsch war purpurrot, und die dicken, gekräuselten Reben prangten in einem beunruhigenden Rosa. Die örtliche Vegetation bekam nie die Sonne zu Gesicht, so daß die Fotosynthese nie richtig in Schwung gekommen war. Rot stand im Dschungel von Lachrymae Christi auf dem Programm, und verdammt viel davon wickelte sich entschlossen um die Sonnenschreiter II.
Owen und seine Gefährten hackten sich von der Luftschleuse aus einen Weg frei, wurden im strömenden Regen sofort naß bis auf die Haut und drehten sich schließlich um und nahmen das Schiff in Augenschein. Ein Netz aus schockierend rosafarbenen Reben hatte sich bereits von Bug bis Heck um den Rumpf geschlungen, und weitere Reben krochen entschlossen heran, rückten hartnäckig vor wie belebte Eingeweide. Dicke Blätter, die an scharlachrote Handflächen erinnerten, hefteten sich von allen Seiten an den Schiffsrumpf und fügten ständig neue Schichten hinzu, als versuchte der Dschungel, jede Spur von dem Eindringling unter sich zu begraben.
Als Owen all das schließlich in sich aufgenommen hatte, war die Öffnung der Luftschleuse schon unter einer Matte blutroter Rebengewächse verschwunden. Er kämpfte sich durch das klebrige Laub hinüber und versuchte, die Reben mit dem Schwert herunterzuschneiden, aber die Klinge klebte an den Gewächsen fest, und er mußte heftig zerren, um sie wieder freizubekommen. Er hob den Disruptor und zielte. Der Energiestrahl brannte ein Loch durch die Reben und setzte seinen Weg fort, um innerhalb der Luftschleuse unbekannte weitere Schäden anzurichten. Die geschwärzten Reben versuchten in Flammen aufzugehen, aber der Regen bereitete dem ein schnelles Ende. Owen sah benommen zu, wie die Reben langsam, aber gezielt den Schaden reparierten und das von ihm erzeugte Loch wieder schlossen.
»Ah«, sagte Mond. »Nun, das ist aber Pech.«
Owen drehte jetzt völlig durch. Ein Schrei, geboren aus schierer Wut und Enttäuschung, brach aus ihm hervor, während er im Kreis herumstampfte und mit dem Schwert nach jeder Pflanze hackte, die ihm in die Quere geriet. »Das reicht! Das reicht, verdammt noch mal! Jetzt habe ich nicht nur meine zweite Jacht durch eine Bruchlandung verloren, sind wir nicht nur von allen unseren Vorräten und zusätzlichen Waffen abgeschnitten, ist es nicht nur mindestens dreißig Kilometer von hier bis zur Missionsstation, sondern es regnet auch in Strömen, und ich habe den Regenmantel nicht dabei! Ich bin klatschnaß! Ich hasse es, so naß zu sein! Ich hasse es, hasse es, hasse es!«