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Schließlich hob er die Hand, und der Jubel brach so plötzlich ab, wie er eingesetzt hatte. Alle Kapuzen wandten sich ihm mit unheimlicher Vorfreude zu. Verdammt! dachte er. Sie möchten eine Ansprache hören!

»Es ist schön, endlich hier zu sein«, sagte er ganz ernst. »Die gute Nachricht lautet, daß Mutter Beatrice’ Hilferuf im Imperium gehört wurde. Die schlechte Nachricht lautet: Wir sind alles, was an Hilfe kommt. Das Imperium kämpft an einem halben Dutzend Fronten gleichzeitig ums Überleben und kann nicht mehr Kräfte erübrigen. Aber es ist ja schon bekannt geworden, daß Hazel und ich selbst die schwierigsten Probleme gelöst haben, und sobald wir mit Mutter Beatrice reden und uns wieder erholen konnten…«

»Ich bin hier«, sagte eine warme und doch unterschwellig gebieterische Stimme, und die Menge teilte sich, um der Obersten Mutter den Weg freizugeben. Die Menschen senkten tief die Häupter, wenn sie an ihnen vorüberging. Mutter Beatrice trug eine schlichte Nonnenkluft mit Schleier, nicht die viel eindrucksvolleren Roben, die sie mit ihrem Rang hätte tragen dürfen. Ein einfaches silbernes Kruzifix hing um ihren Hals und ein hölzerner Rosenkranz an einer Hüfte, wie eine Waffe im Halfter. Die Oberste Mutter war bleich und abgespannt, aber die dunklen Augen wirkten ruhig, und sie hatte einen entschlossenen Zug um den Mund. »Dank dem lieben Gott, daß Ihr endlich eingetroffen seid, Sir Todtsteltzer. Wir erwarten Euch schon seit einiger Zeit.«

»Jemand hat warmes Essen und trockene Kleider erwähnt«, sagte Owen.

»Natürlich«, sagte Mutter Beatrice. »Bitte folgt mir.«

Sie führte sie durch die Menge, die vor Owen und seiner Gruppe erneut die Köpfe senkte, aber nicht annähernd so tief wie zuvor für Sankt Bea. Auf die Freifläche folgte eine Reihe niedriger Häuser mit schmalen Gassen dazwischen. Im Zentrum erhob sich ein morsches Gebäude von den Ausmaßen einer Scheune, wie alles andere hier aus den einheimischen schwarzen Bäumen errichtet. Die Innenräume entpuppten sich als erstaunlich zivilisiert, mit allem üblichen Komfort, wenn auch nur wenig Luxus. Owen und Mond zogen ihre klatschnassen Sachen in einem Zimmer aus, während die Frauen in ein anderes geleitet wurden. Dicke, heiße Handtücher wurden gereicht, und Owen rubbelte sich forsch ab und stand dabei so dicht an dem offenen Feuer, wie es nur ging. Langsam strömte wieder Wärme durch ihn, und er streckte sich behaglich, in sich versunken wie eine Katze. Er hatte nicht geahnt, daß ein solches Wohlgefühl daraus resultieren konnte, einfach nur trocken zu sein und es warm zu haben.

Mond absolvierte seine Toilette mit stiller Gründlichkeit, ohne ein erkennbares Zeichen, daß er sie genießen würde. Die Tür ging auf, gerade weit genug, damit ein Arm zwei Garnituren schlichter, aber zweckmäßiger Kleidung hineinwerfen konnte, alles in Grau, gefolgt von den allgegenwärtigen Kapuzenmänteln. Der Arm zog sich zurück, und die Tür wurde wieder geschlossen. Owen suchte sich eine Garnitur zusammen.

Die Sachen erschienen ihm ausreichend robust, verrieten jedoch starken Gebrauch und häufiges Waschen. Mehr als ein Leprakranker hatte sie vor mir an, dachte Owen unbehaglich und bemühte sich, nicht zu überlegen, wie viele Menschen womöglich in diesen Kleidern gestorben waren. Er zuckte in Gedanken die Achseln und zog die Sachen an. Es war ja nicht so, daß er eine Wahl gehabt hätte.

Er blickte zu Mond hinüber, der noch dabei war, sich abzureiben. Metallimplantate waren überall auf seiner bleichen Haut deutlich zu sehen, aber das war es nicht, was Owens Aufmerksamkeit weckte. »Ah, Mond…«

»Ja, Owen?«

»Soweit ich gehört habe, sind alle Hadenmänner… geschlechtslos.«

»Ja«, bestätigte Mond. »Alle Geschlechtsteile werden entfernt, wenn ein Mensch zum Hadenmann wird.«

»Aber Ihr scheint einen vollen Satz von… na ja, allem zu haben.«

»Richtig«, sagte Mond. »Sie sind nachgewachsen. Ständig laufen in meinem Körper auch andere Veränderungen ab. Ich glaube, daß das Labyrinth des Wahnsinns dafür verantwortlich ist. Auf jeden Fall sind bestimmte Techimplantate verschwunden, vom Körper absorbiert. Ich scheine sie nicht mehr zu brauchen. Ich konnte nicht feststellen, daß meine allgemeine Effizienz darunter geritten hätte. Aber ich entwickle mich… zum Menschen hin.«

Und ich habe mir Sorgen gemacht, das Labyrinth könnte mich weniger menschlich machen, dachte Owen.

Owen und Mond gingen in den Gemeinschaftsraum hinüber, in dem sich die drei Frauen schon an einem tosenden Holzfeuer wärmten. Sie trugen ebenfalls die einfachen grauen Sachen, komplett mit Umhang und Kapuze, allerdings hatte Hazel ihren Rock hinten angehoben, um das Hinterteil besser am Feuer wärmen zu können. Sie grinste Owen unbekümmert an.

»Wie ich sehe, trägst du auch die Grundausstattung. Grau scheint dieses Jahr angesagt.«

»Ich hasse das Zeug«, verkündete Bonnie. »Welchen Sinn haben Tätowierungen und Piercing, wenn man sie dann nicht aller Welt zeigt?«

»Ich finde, es ist eine ungeheure Steigerung«, sagte Mitternacht. »Du hast mit deinem Körper Sachen angestellt, für die mir ein toter Hund zu schade wäre.«

»Du bist prüde!«

»Du bist pervers!«

»Na und?«

Owen bedachte Hazel mit hartem Blick. »Von allen Varianten, die Ihr hättet rufen können, mußtet Ihr Euch für diese beiden entscheiden…«

»Komm mir nicht in diesem Ton, Owen Todtsteltzer!

Schließlich hast du eine von ihnen geheiratet.«

Zum Glück ging in diesem Augenblick die Tür auf, und Mutter Beatrice trat ein. Sofort hielten alle den Mund und brachten so etwas wie ein höfliches Lächeln zustande. Mutter Beatrice lachte.

»Es geht doch nichts über eine Nonne, die ins Zimmer kommt, um ein Gespräch so richtig abzuwürgen. Macht Euch keine Sorgen; wenn man Beichtmutter einer Leprasiedlung ist, gibt es nicht mehr viel, was man noch schockierend findet. Ich fürchte, diese Sachen sind alles, was wir Euch an Kleidung anbieten können. Mehr liefert uns das Imperium nicht. Immerhin sind die Mäntel und die Kapuzen nützlich, um die Verwüstungen zu verbergen, die die Krankheit in den späten Stadien bewirkt. Die meisten Kolonisten bleiben äußerlich weitgehend unbeeinträchtigt, aber sie tragen die Kapuzenmäntel als Zeichen der Solidarität. Ein paar stellen ihre Deformierung zur Schau, aber das ist nur ein Flehen um Aufmerksamkeit. Laßt Euch davon nicht erschüttern.« Sie musterte Mond ausgiebig und wandte sich dann Owen zu. »Ihr hättet mir sagen sollen, daß Ihr einen Hadenmann mitbringt. Ich habe keine Einwände gegen ihn, aber meine Leute haben sehr unter den Aufgerüsteten gelitten. Ich kann nicht für seine Sicherheit garantieren.«

»Ist schon in Ordnung«, sagte Hazel. »Wir garantieren für seine Sicherheit, indem wir jedem in den Hintern treten, der ihn auch nur komisch ansieht.«

»Das ist Tobias Mond«, stellte Owen ihn vor. »Er hat sich gegen sein Volk gewandt und auf die Seite der Menschheit geschlagen.«

»Ihr meint, daß er ein Verräter ist.«

»Nein, ich meine, daß er ein Freund ist. Wir haben gemeinsam viel durchgemacht. Wir alle bürgen für ihn. Das sollte reichen.«

»Es ist mehr als genug«, sagte Mutter Beatrice. Sie hielt Mond die Hand hin, und er schüttelte sie ernst. »Verzeiht, falls ich etwas kühl wirkte, Sir Mond. Ich bin einem Hadenmann noch nie gesellschaftlich begegnet.«