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Schließlich ging Owen der Erzählstoff aus, und er übergab das Wort an Mond. Das Publikum hörte schweigend zu, während dieser von seinen Abenteuern mit Owen und Hazel berichtete. Eine Stimme aus der Menge wollte wissen, ob er sich als Verräter an seinem Volk betrachtete, und Mond dachte kurz nach, ehe er das verneinte und äußerte, eher wären die übrigen Hadenmänner Verräter an der Menschheit. Dafür erhielt er sogar leisen Applaus.

Die Zeit verging wie im Fluge, und Owen war erstaunt, als ihm Oz ins Ohr flüsterte, daß die Stunde beinahe vorüber war.

Owen wußte nicht recht, was er von einer Leprakolonie erwartet hatte – vielleicht einherlatschende, totenähnliche Gestalten, die eine Glocke läuteten und riefen: »Unrein! Unrein!« Diese stillen, warmherzigen, freundlichen Menschen waren eine Offenbarung für ihn. Bislang hatte er sein Versprechen, für sie zu kämpfen, als Pflicht aufgefaßt. Jetzt rechnete er es sich zur Ehre an. Sie hatten schon so viel durchgemacht, daß es ihm nicht fair erschien, wenn sie sich auch noch den Hadenmännern entgegenstellen mußten.

Er gab bekannt, daß er aufbrechen mußte, und Protestgeschrei stieg auf. Er erklärte, daß Mutter Beatrice eine Mahlzeit für die Besucher vorbereitet hatte, und der Name der Heiligen reichte, um den Platz zu räumen. Owen sah Hazel an.

»Also, was denkt Ihr?«

»Sie werden kämpfen«, sagte Hazel. »Daran habe ich aber auch nie gezweifelt. Nur hartgesottene Kämpfer konnten ungeachtet aller Widrigkeiten überleben, denen diese Menschen schon vor den Hadenmännern gegenüberstanden. Aber Gott weiß, wie lange sie diese Station gegen eine Armee halten können. Mond?«

Der aufgerüstete Mann runzelte die Stirn. »Ich gestehe, daß ich ohnehin kaum verstehe, was die Hadenmänner hier überhaupt suchen. Die Kolonisten besitzen nichts, was wertvoll genug wäre, um es ihnen zu rauben. Hier muß es noch etwas anderes geben, etwas, das wir bislang übersehen.«

»Denkt weiter darüber nach«, bat ihn Owen. »Falls wir wüßten, was die Hadenmänner wollen, könnten wir es ihnen einfach geben. Oder es vernichten. Vielleicht würden sie dann von hier verschwinden und jemand anderen ärgern.«

»Darauf würde ich keine Wetten abschließen«, warf Hazel ein. »Sollten die Hadenmänner erfahren, daß wir uns hier aufhalten, dann motiviert sie das vielleicht genug, um die ganze Station zu schleifen, nur damit sie uns in die Finger kriegen.

Wir haben schließlich ihre Pläne für Brahmin II vereitelt. Und die Hadenmänner waren nie führend, was das Verzeihen angeht.«

»Stimmt«, sagte Mond.

»Oh, haltet den Mund«, sagte Owen. »Ich habe schon genug Probleme, über die ich nachdenken muß.«

»Ich denke, daß ein weiteres gerade auf uns zukommt«, stellte Hazel leise fest. »Sieh mal, was dort gerade aufgetaucht ist.«

Sie alle betrachteten mit unterschiedlich starkem Unglauben die skelettartig dünne Kreatur, die auf sie zugewankt kam. Der gut über einsneunzig große Neuankömmling, eine Frau, trug lange schwarze Gewänder, die in Fetzen hingen und um eine unmöglich dünne Taille gegürtet waren. Sie trug an einer der knochigen Hüften ein Schwert und an der anderen eine Pistole.

Schnürstiefel, lange grüne Abendhandschuhe, ganz durchlöchert, und ein ramponierter Hexenhut, an dessen Spitze Bänder flatterten, machten den Aufzug komplett. Das Gesicht war mit weißem Makeup bedeckt, gegen das sich zwei hellrote Wangenknochen sowie Lippenstift und Lidschatten in jeweils metallischem Grün kraß abhoben. Die Frau bewegte sich mit ungleichmäßiger, wenn auch entschlossener Gangart, wobei sie die Beine kaum beugte, als funktionierten die Knie nicht richtig. Sie ähnelte stark einer Marionette, die die eigenen Schnüre durchtrennt und mit dem Puppenspieler etwas sehr Übles angestellt hatte, ehe sie in die Welt hinauszog, um dort soviel Schaden wie möglich anzurichten, bis jemand sie schließlich aufhielt.

Owen senkte beiläufig die Hand auf die Schußwaffe an seiner Seite. Die schwarzgekleidete Hexe blieb schwankend vor ihm stehen, wartete einen Augenblick, um sicherzugehen, daß sie auch alle ihre Teile mitgebracht hatte, und funkelte Owen dann mit einem Blick an, den sie eindeutig für freundlich hielt.

»Willkommen in der Hölle, Todtsteltzer. Ich bin Schwester Marion. Beas Stellvertreterin. Ich führe hier das Kommando, wenn sie damit beschäftigt ist, die Heilige zu spielen. Als ich noch jünger war, wollte ich auch eine Heilige werden, aber wie sich herausstellte, brachte ich dafür nicht die richtige Einstellung mit. Also machten sie eine Ruhmreiche Schwester aus mir und schickten mich zum Ärschetreten, auf Einsätze, von denen die Kirche in der Öffentlichkeit lieber nicht redet. Dann fing ich mir die Lepra ein, und sie schickten mich hierher. Die Mistkerle. Trotzdem dient eine Nonne dem Herrn, wohin immer man sie auch schickt, und Gott weiß, daß der Haufen hier alle Hilfe braucht, die er nur kriegen kann. Ihr könnt jetzt hallo sagen.«

»Hallo, Schwester Marion«, sagte Owen und gab sich Mühe, völlig ungerührt zu erscheinen. »Ihr tragt da eine bemerkenswerte Kluft.«

Die Nonne dehnte ihre grünen Lippen zu einem beunruhigenden Lächeln, das viel zu viele Zähne freilegte. »Ich ziehe mich so an, um die Leute zu verwirren. Außerdem helfen das Makeup und die Handschuhe, die wunden Stellen zu verbergen. Wenn Ihr die Leute hier fragt, werden sie mich exzentrisch nennen. Oder verrückt. Hört nicht auf sie. Jeder von uns hat eine eigene Art, mit seinem Zustand umzugehen. Meine fällt nur ein bißchen dramatischer aus als bei den meisten anderen. Bringt jetzt Eure Ärsche in Schwung und folgt mir. Bea wartet mit dem Abendessen, und wir müssen das eine oder andere besprechen.«

Sie drehte sich scharf um, schwankte einen Augenblick lang und marschierte steifbeinig los, ohne sich davon zu überzeugen, ob ihr irgend jemand folgte. Andere Leprakranke hasteten ihr aus dem Weg, während sie einherschritt, unaufhaltsam wie eine Naturgewalt und doppelt so gefährlich.

»Das ist also eine Ruhmreiche Schwester«, sagte Mond.

»Ja«, sagte Hazel. »Ich weiß nicht, wie sie bei den Hadenmännern ankommen wird, aber mir macht sie eine Mordsangst.

Ist euch aufgefallen, daß sie in der ganzen Zeit, die sie mit uns redete, nicht einmal geblinzelt hat? Diese Nonne bedarf dringend einer Psychotherapie. Und möglicherweise eines Lochs im Kopf, wodurch die Dämonen entweichen können.«

»Man wird nicht aufgrund eines ausgeglichenen Wesens aufgefordert, den Ruhmreichen Schwestern beizutreten«, gab Owen zu bedenken. »Mich persönlich hat diese Begegnung mehr ermutigt als alles andere, seit wir hier eingetroffen sind.

Man muß einfach Schwester Marions Sicherungsstift ziehen, sie zum Feind hinüberwerfen und auf sichere Distanz zurückweichen.«

»Ich hoffe nur, wir können sie nachher entschärfen«, sagte Hazel. »Sie ist eine sehr gefährliche Person.«

»Ihr müßt es ja wissen«, sagte Owen.

Ein kleiner Schwarm Kolonisten wollte ihnen ins Hauptgebäude folgen, um nichts zu versäumen. Schwester Marion erklärte ihnen, es handele sich um ein privates Treffen. Ein Kolonist beging den Fehler, zu laut und ein bißchen zu unverschämt zu protestieren, und Schwester Marion rammte ihm den Kopf ins Gesicht. Die übrigen Kolonisten stellten fest, daß andernorts dringende Geschäfte auf sie warteten, und brachten einen Rückzug mit einem Anschein von Würde zustande.