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Schwester Marion führte ihre Gäste ins Haus und ließ den bewußtlosen Kolonisten draußen auf der Straße liegen, bis er sich wieder an seine Manieren erinnerte. Oder wenigstens an seinen Namen.

Niemand war überrascht, als sich die Mahlzeit überwiegend als Gemüsegericht entpuppte, angereichert durch Proteinwürfel mit Geschmack und einen bösartig aussehenden blauen Wein aus einem einheimischen Gewächs. Owen erkannte nichts von dem wieder, was er auf seinem Teller vorfand, was ihn in Anbetracht seiner Versuche, im Dschungel etwas Eßbares zu finden, etwas beruhigte. Er bedachte Mutter Beatrice mit höflichen Lauten und mampfte sich dann entschlossen durch eine unerfreuliche Überraschung nach der anderen, um anschließend alles mit viel Wein hinunterzuspülen, der sich als stark, aber erfreulich genießbar entpuppte. Alle außer Mond sprachen ihm reichlich zu. Besonders Mutter Beatrice kippte das Zeug hinunter, als wäre es Wasser. Niemand sagte etwas, besonders nicht mehr nach einigen verstohlenen, finsteren Blicken Schwester Marions. Wahrscheinlich setzte es den Nerven arg zu, wenn man heilig war. Owen verfolgte mit, wie Schwester Marion mit Messer und Gabel auf ihre Mahlzeit losging, als fürchtete sie, sie könnte ihr jeden Augenblick zu entfliehen versuchen. Er säuberte seinen Teller mit dem Gefühl, etwas geschafft zu haben, und hoffte wider alle Hoffnung auf ein anständiges Dessert. Leider hatte er es wohl mit seinen höflich anerkennenden Lauten übertrieben, so daß ihm Mutter Beatrice zu einem Nachschlag verhalf. Owen lächelte tapfer auf seinen gehäuften Teller hinunter und kämpfte sich langsam durch etwas, was ihn sehr an scharlachrotes Seegras erinnerte. Dabei hörte er Mutter Beatrices Ausführungen zur Geschichte des Planeten zu, damit er nicht über das nachdenken mußte, was er verspeiste.

Ursprünglich war die Missionsstation nicht mehr gewesen als ein ganz schlichtes Krankenhaus und ein Friedhof, auf einer Lichtung errichtet, die man mit Strahlenwaffen und Flammenwerfern aus dem Dschungel geschnitten hatte. Die Lichtung mußte täglich neu freigemacht werden, damit der Dschungel sie nicht zurückeroberte. Ein Landeplatz war vorhanden, gerade groß genug für ein Raumschiff. Zu Anfang starben viele Kolonisten. Der Schock der Krankheit, der Diagnose und der Verbannung nach Lachrymae Christi war für zahlreiche Menschen einfach zuviel, und sie legten sich einfach nieder und starben.

Die Leprakranken mußten ihre Toten selbst begraben. Niemand außer ihnen setzte je Fuß auf den Lepraplaneten. Der Friedhof war bald überfüllt, und die Kolonisten überließen ihn wieder dem Dschungel. Die Pflanzen verschlangen die Leichen über Nacht, und so mußte niemand zusehen. Grabsteine mit Namen und Daten gab es nach wie vor. Zum Trost der Lebenden, nicht der Toten. Eine Reihe Grabsteine hinter der anderen, ohne ausreichend Zwischenraum, um hindurchzugehen. Es spielte keine Rolle.

Alle wußten, daß Lachrymae Christi der Ort war, wohin die Leprakranken gebracht wurden, um zu sterben.

Mutter Beatrice veränderte das alles. Der Kompromisse und der Politik überdrüssig geworden, die sich schon ihrer neuen Kirche bemächtigten, hielt sie nach Menschen Ausschau, die Geschmack und Talent für eine solche Tätigkeit hatten, und übergab sie ihnen mit Freude, damit sie sich wieder dem zuwenden konnte, was sie als die richtige Arbeit für eine Nonne bezeichnete. Und sie reiste nach Lachrymae Christi, um den Hoffnungslosen Hoffnung zu geben, denn niemand sonst war bereit, es zu tun.

Ihr kam nie in den Sinn, daß sie etwas sehr Tapferes oder Nobles tat oder auch nur ein persönliches Opfer brachte, indem sie ihr Leben an einem Ort riskierte, aus dem sich niemand etwas machte, für Menschen, von denen sich die Menschheit abgewandt hatte. Sie kam hierher, weil sie glaubte, daß man sie hier brauchte, weil sie glaubte, hier etwas Gutes bewirken zu können.

Weil sie Sankt Bea war.

Die Leprakranken wurden ermutigt durch Beas stille Entschlossenheit, sich nicht von den Umständen unterkriegen zu lassen oder sich der Verzweiflung zu ergeben. Sie gab den Menschen hier den Stolz auf sich selbst zurück und ermutigte sie, aus ihrem Leben so viel zu machen, wie sie nur konnten, solange es ihnen noch möglich war. Und nicht ein einziges Mal drängte sie ihnen ihre Religion auf. Wenn jemand sie fragte, warum Gott zuließ, daß man ihnen so Schreckliches antat, antwortete sie: Gott hat einen Plan für uns alle. Und wenn ihr jemand sagte, daß er nicht an Gott glaubte, lächelte sie nur und sagte: Das ist schon in Ordnung. Er glaubt an dich.

Die Kranken arbeiteten hart, weil Beatrice noch härter arbeitete, und glaubten an sich, weil sie an sie glaubte. So wurde aus ihnen schließlich doch eine richtige Kolonie, die sich mit kleinen Siedlungen immer weiter in den Dschungel ausbreitete. Es war ein einfaches Leben, aber viel besser, als die Menschen bislang hatten erhoffen können. Alles lief so gut. Bis die Hadenmänner nach Lachrymae Christi kamen.

Owen entnahm manches davon Mutter Beatrice’ Worten und anderes Schwester Marions beißenden Bemerkungen. Einen Teil hatte er schon von den Kolonisten erfahren. Es paßte zu dem, was er früher über die Heilige von Technos III gehört hatte. Er musterte sie unauffällig, während er aß, und hielt dabei Ausschau nach einer Art Heiligenschein, einem Gefühl der Rechtschaffenheit, aber Mutter Beatrice wirkte einfach nur beruhigend normal und gelassen. Trotzdem strahlte sie eine besondere Qualität aus, eine Atmosphäre der Konzentration.

Owen fragte sich müßig, ob es das war, was die Leute manchmal in ihm erblickten. In diesem Moment fiel ihm auf, daß Schwester Marion gerade Mutter Beatrice ausschimpfte, und er hörte hin. Die Schwester ließ sich wohl von niemandem etwas gefallen, nicht mal von Sankt Bea.

»Falls Ihr nicht etwas weniger arbeitet, landet Ihr noch in einem Eurer eigenen Krankenhausbetten«, sagte Schwester Marion zornig. Sie hatte den Hexenhut zum Abendessen nicht abgesetzt, und die langen Fahnen daran hüpften heftig, während sie Schwester Mutter Beatrice anfunkelte. »Ihr arbeitet schwerer als irgend jemand sonst und findet nicht annähernd genug Schlaf. Ihr nützt niemandem etwas, wenn Ihr vor Erschöpfung auf den Beinen schwankt. Und Ihr braucht gar nicht zu erwarten, daß ich Euch als Oberschwester ablösen würde.

Ich kann zwar mit Verbänden und Bettpfannen umgehen, aber ich habe keine Begabung dafür, mit den Leuten zu reden oder ihnen das Händchen zu halten oder die Stirn abzuwischen und all diesen Unfug. Das fällt in Eure Zuständigkeit.«

»Seid still, Marion«, sagte Mutter Beatrice voller Zuneigung.

»Nach meiner Zeit auf Technos III ist das hier ein Picknick.

Außerdem habe ich nie viel Schlaf gebraucht.«

Schwester Marion sah sie böse an; sie war nicht überzeugt.

Man konnte erkennen, daß diese Auseinandersetzung schon oft stattgefunden hatte und es wieder dazu kommen würde.

»Wir müssen mehr über die Angriffe der Hadenmänner erfahren«, sagte Owen und schob den Teller von sich. Er war immer noch mehr als halb voll, und Hazel transferierte den Inhalt sofort auf den eigenen Teller. Das erstaunte Owen nicht.

Ha/el aß alles, wenn sie hungrig genug war. Er konzentrierte sich auf Beatrice. »Wieviel Zeit vergeht zwischen zwei Angriffen? Normalerweise?«

»Manchmal Tage, manchmal Stunden«, antwortete Mutter Beatrice. Sie klang auf einmal müde. »Die Hadenmänner sind vor etwas über einem Monat zum ersten Mal aufgetaucht. Eine Warnung ist nicht erfolgt. Kein Ultimatum. Wir wurden völlig überrascht. Als erstes bekamen wir mit, daß einige der äußeren Siedlungen nicht mehr auf unsere Anrufe reagierten. Dann trafen die ersten Flüchtlinge ein und berichteten von Tod und Zerstörung. Die wenigen, die sich ergaben, wurden gnadenlos niedergemacht. Wir verloren viele Menschen, bis ich Befehl erteilte, die Außensiedlungen aufzugeben. Dann kamen die Hadenmänner hierher. Wir bauten unsere Befestigungen aus, und jeder hier erlernte den Umgang mit einer Waffe. Die Ruhmreichen Schwestern erwiesen sich dabei als chen Schwestern erwiesen sich dabei als ausgezeichnete Lehrerinnen. Und dann haben wir noch Oberst Wilhelm Hand und Otto. Ihr werdet sie später kennenlernen.«