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»Viel später, falls Ihr noch über Verstand verfügt«, warf Schwester Marion ein.

»Es sind gute Kämpfer«, erwiderte Mutter Beatrice tadelnd.

»Es sind verdammte absolute Psychopathen!«

»Was man nur erkennt, wenn man selbst einer ist, meine Liebe. Und heutzutage ist ihre… Einstellung doch von Vorteil.«

Mutter Beatrice betrachtete finster ihre Hände, die sie auf dem Tisch gefaltet hatte. »Bei jedem Angriff der Hadenmänner verlieren wir mehr Leute. Meine Leute sind tapfer genug und kämpfen gut, aber Leprakranke stoßen als Kämpfer an ihre Grenzen. Selbst die kleinste Verletzung kann sich rasch als tödlich erweisen. Es liegt am Regen und der allgegenwärtigen Feuchtigkeit. Alles verfault. Alles.«

»Wie lange liegt der letzte Angriff zurück?« fragte Mond mit seiner summenden, nichtmenschlichen Stimme.

»Drei Tage«, antwortete Schwester Marion, die sich gerade mit dem Tafelmesser die grünen Fingernägel schnitt. »Sie könnten jederzeit wieder auftauchen.« Sie blickte auf und fixierte Mond mit ihren strahlenden, kalten Augen. »Bereit für ein wenig Beschäftigung, Hadenmann?«

»Nennt mich Mond. Und ja, ich werde kämpfen. Um meine Freunde zu schützen. Ist das nicht für alle der Grund, wenn sie kämpfen?«

Ein Augenblick der Stille trat ein, der vielleicht unbehaglich hätte werden können, aber von einem höflichen Klopfen an der Tür beendet wurde. Schwester Marion ging hinüber, um zu öffnen, kam dann zurück und murmelte Mutter Beatrice etwas zu. Sie stand auf.

»Ihr müßt uns entschuldigen. Wir werden in der Krankenstation gebraucht. Macht es Euch bequem. Wir reden später weiter.«

Das Zimmer schien ganz still, nachdem die Ruhmreiche Schwester und die Heilige gegangen waren. Alle sahen sich gegenseitig an, außer Hazel, die damit beschäftigt war, die letzten Reste an Eßbarem von ihrem Teller aufzuwischen. Alle musterten sie mit unterschiedlichen Graden an Abscheu und Erheiterung. Sie blickte auf und sah aller Augen auf sich gerichtet.

»Was ist?«

»Ich bin beeindruckt«, sagte Owen. »Wirklich, ich bekäme nicht mal dann noch etwas von diesem Zeug herunter, wenn Ihr mich mit vorgehaltener Pistole dazu zwingen wolltet.«

»Ich habe Hunger! Und du gewöhnst dich besser an das Menü; wir bleiben womöglich lange hier.«

»Das Parlament wird ein Schiff schicken, sobald man dort erfährt, daß wir hier gestrandet sind«, behauptete Owen. »Wir sind für die Kriegsanstrengungen zu wichtig, um uns im Stich zu lassen.«

Hazel zuckte die Achseln. »Andererseits haben wir uns genug Feinde gemacht. Feinde, die uns womöglich nur zu gern an der Seitenlinie abstellen. Sieh der Sache ins Gesicht, Owen; wir werden diesen Planeten nicht so schnell wieder verlassen.«

Er schüttelte zornig den Kopf. »Eins nach dem anderen! Befassen wir uns zunächst mit den Hadenmännern. Mond, habt Ihr irgendeine Vorstellung, wie wir unsere Chancen verbessern könnten?«

Mond runzelte die Stirn. »Wir können nicht herausfinden, wo die Truppen der Hadenmänner stehen und wie groß sie sind.

Wir wissen nicht, was sie wollen und wie viele Truppen sie bereit sind, ins Gefecht zu werfen, um dieses Ziel zu erreichen.

Ich werde noch darüber nachdenken. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich benötige etwas Zeit für mich selbst.« Er stand auf.

»Ich denke nicht, daß das eine gute Idee ist, Mond«, gab Owen zu bedenken. »Viele Leute hier haben keinen Grund, die Hadenmänner zu mögen.«

»Ich komme schon klar, Owen. Ich brauche kein Kindermädchen.« Er ging zur Tür, ohne zurückzublicken. »Wartet nicht auf mich.«

»Paßt auf Euch auf!« rief Owen, und dann ging die Tür zu und war der Hadenmann verschwunden.

Bonnie und Mitternacht rappelten sich auf. »Es wird spät«, sagte Bonnie. »Zeit für einen letzten Spaziergang, bevor wir ins Bett gehen. Diese Leprakranken sind faszinierend.«

»Und ich möchte mir mal die Befestigungen ansehen und nach Schwachpunkten suchen«, sagte Mitternacht. »Bis morgen.«

Und sie gingen ebenfalls. »Liegt es an etwas, was ich gesagt habe?« fragte Owen Hazel.

»Dieses eine Mal nicht. Ich denke, sie alle brauchen ein bißchen Zeit für sich, Owen. Trotz Sankt Beas optimistischer Einstellung ist das hier im Kern doch ein grusliger und deprimierender Ort. Menschen kamen hierher, um zu sterben. Und kaum hatten sie trotzdem ein neues Leben aufgebaut, da tauchen auch schon die Hadenmänner auf und trampeln es nieder.

Ich habe ein mieses Gefühl über das hier, Owen. Wir haben den Tod oft betrogen, auf die eine oder andere Art, aber das hier ist der Ort, wo der Tod immer gewinnt. Vielleicht sind wir letztlich doch dort eingetroffen, von wo niemand mehr entkommt. Ich gehe jetzt schlafen, und zwar in einem richtigen Bett mit warmen, trockenen Decken, und werde mich bemühen, nicht zu träumen. Du solltest auch etwas schlafen. Wir werden alle unsere Kräfte brauchen, wenn die Hadenmänner zurückkehren.« Sie stand auf und blickte sich in dem leeren Zimmer um. »Wir hätten nie hierherkommen dürfen, Owen.

Etwas Schlimmes wird passieren.«

Sie verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen, und machte sich nicht die Mühe, die Tür hinter sich zu schließen. Owen lehnte sich auf dem Stuhl zurück und streckte sich müde. Aber er war noch nicht reif fürs Bett. Nicht, solange er sich noch den Kopf darüber zerbrach, was zum Teufel er eigentlich tun sollte. Nach dem, was er bislang von der Missionsstation gesehen hatte, würde es verdammt schwierig werden, sie zu verteidigen. Holzmauern, Holzgebäude, Holzdächer. Der ständige Regen half dabei, die Brandgefahr zu mildern, aber falls die Hadenmänner über die richtigen Brandbeschleuniger verfügten, dann konnten sie hier Feuer legen, mit denen kein Regen mehr fertig wurde. Vielleicht waren sie ja dabei, genau das zu organisieren.

Die Leprösen schienen kampfwillig, aber sie waren im Grunde trotzdem nur kranke Zivilisten mit begrenzter Ausbildung.

Mann gegen Mann hatten sie keine Chance. Die Aufgerüsteten dagegen waren als effiziente und gnadenlose Killer konstruiert.

Sie verfügten über körpereigene Panzerung, Stahlgewebe unter der Haut, Servomotoren in den Muskeln, übermenschliche Schnelligkeit und eingebaute Disruptoren. Es grenzte an ein Wunder, daß die Mission noch nicht gefallen war. Aber andererseits kämpfte ein Mensch am härtesten, wenn er sein Heim verteidigte. Und wenn er wußte, daß es keine andere Zuflucht gab.

Owen stand auf. Hazel hatte recht. Hier stank es nach Tod. Er ging langsam zur Tür hinüber, immer noch zu unruhig zum Schlafen. Auf einen Impuls hin zog er den Mantel um sich und schlug die Kapuze über den Kopf, um das Gesicht zu verbergen. Vielleicht sprachen die Leprakranken offen mit ihm, wenn er als einer der ihren unter ihnen wandelte, und womöglich erfuhr er daraus mehr über die tatsächliche Lage. Er mußte die Wahrheit herausfinden. Er konnte nicht ins Blaue hinein Pläne schmieden.

Langsam suchte er sich den Weg, folgte den schmalen Straßen und Gassen der Station. Ungeachtet der Dunkelheit und der späten Stunde traf er überall Menschen an. Wie es schien, war Owen nicht der einzige, der nicht schlafen konnte. Er marschierte ohne Hast des Weges, hatte kein bestimmtes Ziel, und achtete so sorgfältig wie alle anderen darauf, mit niemandem zusammenzustoßen. Der niemals endende Regen trommelte laut auf das Dach über ihm. In Innenräumen lernte man, das Geräusch auszublenden, aber jetzt erschien es ihm wie ein endloser Trommelschlag, der die künftigen Geschehnisse erahnen ließ. Owen ertappte sich auf einmal dabei, wie er über den großen Platz der Station hinwegblickte. In regelmäßigen Abständen brannten Fackeln und erzeugten Teiche aus goldenem und bernsteingelbem Licht zwischen umhertreibenden Schatten.