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Menschen standen oder saßen in kleinen Gruppen beisammen; sie aßen, tranken, bereiteten Waffen vor oder waren einfach nur in leise Gespräche vertieft. Niemand schenkte einer zusätzlichen Gestalt in Mantel und Kapuze Beachtung, als Owen sich dazugesellte.

Er stellte fest, daß Schwester Marion und eine weitere Ruhmreiche Schwester improvisierten Unterricht über das Thema abhielten, wie man am besten Sprengfallen und Fallgruben anbrachte, für den Fall, daß es den Hadenmännern gelang, die Palisade zu überwinden. Die beiden Schwestern ließen eine Flasche einheimischen Weines hin und her wandern, während sie ihrem aufmerksamen Publikum das Nötige beibrachten.

Schwester Kathleen entsprach in ihrer weiten schwarzen Robe und dem traditionellen Schleier eher Owens Vorstellung von einer Nonne, aber auch sie trug ein Schwert an einer Hüfte und einen Disruptor an der anderen. Sie war eine dralle Frau von mittlerer Größe, hatte aber die großen knochigen Hände eines Mannes. Sie knisterte nahezu vor nervöser Energie und schritt hin und her wie ein Tier im Käfig, und sie stieß die Hand zu ihrem Publikum aus, wenn sie eine Bemerkung unterstreichen wollte. Auf die Fingerknöchel beider Hände hatte sie das Wort LOVE tätowiert. Sie hatte ein langes Pferdegesicht, breite Lippen über vorstehenden Zähnen und die Stimme eines Engels.

Owen hätte ihr stundenlang zuhören können. Schwester Marion stand neben ihr wie eine gräßliche Vogelscheuche und steuerte gelegentlich einen Kommentar bei, wenn sie es für nötig hielt.

»Fußangeln«, sagte Schwester Kathleen fröhlich und hielt zwei ineinander verdrehte Nägel hoch. »Egal wie man sie wirft, sie landen immer mit der Spitze nach oben. Und nicht mal ein Hadenmann läuft noch weit, wenn sich erstmal über sieben Zentimeter Stahl durch seine Fußsohlen gebohrt haben.

Vergeßt nicht, die Spitzen in frischen Kot zu tauchen, ehe ihr sie auswerft; dadurch eitern die Wunden. Jedes bißchen hilft.

So, ihr habt jetzt alle Todesfallen gesehen, die wir angelegt haben. Prägt euch ein, wo sich die Auslöser befinden, damit ihr sie nicht versehentlich betätigt. Das gleiche gilt für die Fallgruben mit Dornen und die Landminen, die wir improvisiert haben. Und merkt euch eins: Schlagt nie nach einem Hadenmann, wenn er gestürzt ist; tretet lieber mit dem Stiefel zu, das ist sicherer. Und falls ihr am Boden liegt, greift seine Kniesehnen an, um den Bastard zu verkrüppeln. Ein Hadenmann hat vielleicht Vorteile, was Kraft und Schnelligkeit angeht, aber noch nie konnte jemand dem Menschen das Wasser reichen, was den schieren Einfallsreichtum für schmutzige Tricks anbetrifft.«

»Vergiß die Schlingen nicht!« mahnte Schwester Marion.

»Ich wollte noch auf die Schlingen zu sprechen kommen!«

»Eine Schlinge, die hinter der Tür in einem dunklen Zimmer baumelt, kann selbst den erfahrensten Krieger ausschalten.«

»Ich hatte sowieso vor, ihnen das zu erklären!«

»Natürlich hattest du das, meine Liebe. Fahre fort. Kümmere dich nicht um mich.«

»Danke.«

»Und falls die Schlinge ihn nicht gleich umbringt, zerrt ihr an den Füßen, bis ihm das Genick bricht.«

»Marion! Möchtest du diesen Unterricht halten?«

»Natürlich nicht, meine Liebe. Du machst das gut.«

Das klang ganz nach einem Gespräch, das noch einige Zeit seinen Fortgang nehmen konnte, also überließ Owen sie dem.

Er ging weiter über den Platz, sah sich alles an und lauschte Gesprächsfetzen, die sich meist um alltägliche Dinge drehten.

Es schien, als wollten die Kolonisten in ihren wenigen glücklichen Erinnerungen schwelgen, solange sie noch konnten, bevor alles im Kampf verlorenging. Niemand schien über dessen abschließendes Resultat besonders optimistisch.

Owen traf Oberst Wilhelm Hand und Otto vor einer Hütte an, wo sie auf einer Bank saßen, ihre Schwerter polierten und leise ein altes Marschlied der Marineinfanterie sangen. Der Oberst trug nach wie vor seine alte Uniform, die inzwischen zwar in Fetzen hing, aber weiterhin peinlich sauber gehalten war. Die Brust zeigte ein eindrucksvolles Arsenal von Ordensbändern, die sorgfältig gepflegt wirkten. Der Oberst machte sich nicht die Mühe mit dem üblichen Kapuzenumhang. Er hatte die Lepra und scherte sich nicht darum, wer es wußte. Die graue Haut war fleckig von abgestorbenen Stellen, und die halbe Nase fehlte. Womöglich hatte er einmal gut ausgesehen; das war schwer zu sagen. Er war in den späten Fünfzigern, ein großer und muskulöser Mann, der jetzt allmählich fett wurde. Das lange, dunkle Haar war fettig und strähnig, und er hielt es mit einem schlichten Lederstirnband aus dem Gesicht.

Sein Gefährte Otto war ein buckliger Zwerg, kaum einszwanzig groß. Der überdimensionierte Kopf war hier und da vom Verfall der Krankheit gezeichnet, und die Haare waren größtenteils ausgefallen. Auch er trug eine Uniform der Marineinfanterie, die jedoch verdreckt war, und er selbst erweckte ganz den Anschein, seit Wochen nicht mehr gebadet zu haben. Für einen buckligen Zwerg mit Lepra wirkte er ziemlich munter.

Der Oberst sah auf und fixierte Owen mit kaltem, ausdruckslosem Blick. »Du mußt neu sein, Junge, sonst würdest du dich nicht in unserer Nähe herumtreiben. Sogar Leprakranke haben noch Parias unter sich. Hast du Zeit, dich eine Zeitlang hinzusetzen und mit uns zu schwatzen?«

»Natürlich«, antwortete Owen. Er setzte sich neben den Oberst auf die Bank. »Darf ich fragen, was Euch hier zum Paria stempelt?«

Der Oberst schnaubte. »Weil ich nicht glaube, daß die Sonne aus Sankt Beas Hintern herausscheint. Ich habe keine Zeit für ihren ganzen Quatsch über Frieden und Liebe. Ich bin ein Killer, mein Junge. Und verdammt gut in meinem Job. Bin zur Marineinfanterie gegangen, kaum daß ich alt genug war, und habe nie einen Blick zurück geworfen. Hab mir nie was anderes gewünscht.«

»Ihr scheint auf eine eindrucksvolle Karriere zurückzublicken, Oberst«, sagte Owen und deutete auf die Ordensbänder.

»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten, mein Junge. Ich habe in den letzten dreißig Jahren an jedem erwähnenswerten Feldzug teilgenommen. Habe auf hundert Planeten Menschen und Fremdwesen getötet, war der erste beim Angriff und der letzte beim Rückzug und habe jede einzelne Minute genossen.

Kein Bedauern, keine schlechten Träume, keine Regungen des Gewissens in den Stunden vor dem Morgengrauen. Mutter Beatrice hat dafür kein Verständnis, und für eine Heilige ist sie bemerkenswert unnachgiebig, falls sich jemand nicht an die Parteilinie hält. Sie möchte, daß ich beichte und sage, es täte mir leid, daß ich meinen Frieden mit Gott mache. Nun, es tut mir nicht leid und ich werde nicht das Gegenteil behaupten, und wenn ich schließlich vor Gott stehe, werde ich ihm direkt in die Augen blicken und sagen: Du hast mich zu einem Killer gemacht. Ich habe nur getan, wofür du mich geschaffen hast.

Wo wartet der nächste Feind? «

Er lachte kurz und bohrte mit dem Finger in der verbliebenen Hälfte seiner zerstörten Nase. »Ich war einer der besten, aber sie haben mich trotzdem sofort hergeschickt, als die Diagnose erfolgt war. Ich empfinde keine Bitterkeit darüber. Nicht wirklich. Aber es war doch hart, meine Karriere für dieses Dreckloch aufgeben zu müssen. Eigentlich die reinste Ironie. All die Schlachten, in denen ich gekämpft habe, all die schlechten Chancen, die ich besiegt habe, und letztlich war es weder Schwert noch Energiestrahl, was mich erwischt hat, sondern nur eine dumme geistlose Krankheit, die mich zentimeterweise umbringt. Überhaupt nicht die Art zu sterben, mit der ich gerechnet hatte.«

»Ihr habt nie damit gerechnet zu sterben«, warf Otto ein. »Ihr hieltet Euch für etwas so Besonderes, daß Ihr glaubtet, Ihr würdet ewig leben.«