Выбрать главу

»Das sollte diese Metallmistkerle lehren, nicht mit gefährlichen Sachen zu spielen. Gott segne und erhalte dich, Schwester Kathleen, und verdamme alle Hadenmänner.«

Auf die Schlacht folgte das Aufräumen. Die Löcher in der Schutzwand mußten repariert oder zugenagelt werden. Die Verwundeten kamen auf die Krankenstation, und die Toten wurden in einer der Vorratshütten aufgestapelt. Später war noch Zeit für die Bestattung. Hoffentlich. Zunächst mußte man jeden Toten identifizieren, damit Freunde und Nahestehende Abschied nehmen konnten. Einige Leichen waren so entstellt, daß es schwerfiel, sie zu identifizieren. Diese Unglücklichen wurden in Reihen in einer eigenen Hütte aufgebahrt, und weinende Überlebende schritten langsam durch die schmalen Zwischengänge und hielten Ausschau nach jemandem, der ihnen vertraut erschien. Die Toten einzusammeln und sie entweder zu identifizieren oder aufzubahren war eine beunruhigende, deprimierende Aufgabe, aber sie mußte ausgeführt werden. Die meisten derer, die zum Kampf hinausgezogen waren, waren körperlich oder geistig nicht mehr in der richtigen Verfassung dafür, also fiel diese Pflicht denen zu, die als letzte Abwehrlinie in der Station zurückgeblieben waren, um dort notfalls die zu verteidigen, die zu krank waren für den Kampf. Oberst Wilhelm Hand und Otto war es letzten Endes zugefallen, das Haupttor zu schützen und die taktische Aufsicht zu führen, sehr zu ihrem Widerwillen, und sie nutzten nun ihre militärische Erfahrung für das Einsammeln der Toten. Deren Zahl erhöhte sich ständig, da Männer und Frauen starben, während sie darauf warteten, daß man sie zur Krankenstation brachte.

Die Toten versetzten Hand und Otto nicht in Unruhe. Sie hatten in ihrer Zeit schon genug Leichen gesehen und betrachteten sie nun eher als Objekte und weniger als die Personen, die sie einmal gewesen waren. Tobias Mond half ihnen. Man hatte ihm nicht gestattet, hinauszugehen und zu kämpfen, da man ihn zu leicht mit einem der Gegner hätte verwechseln können. Und so trug er jetzt die Toten in die lange, schmale Hütte und legte sie dort in ordentlichen Reihen aus, und seine aufgerüsteten Arme bewältigten die Last noch lange über den Punkt hinaus, an dem auch die entschlossensten Leprakranken durch schiere Erschöpfung hatten aufgeben müssen. Er war froh über die Chance, helfen zu können. Die Leichen belasteten ihn nicht. Er hatte selbst schon zu ihnen gehört.

Wilhelm Hand schritt langsam die Reihen auf und ab, versah jede Leiche mit einer Nummer und notierte sich Sachen wie persönlichen Schmuck, um die Identifizierung zu unterstützen.

Otto stolperte ein und aus und beförderte dabei in Decken gewickelte Leichenteile. Man wollte sie später zusammenfügen, falls das möglich war. Zunächst stapelte er sie alle in einer Ecke und dankte Gott dafür, daß man auf Lachrymae Christi keine Ratten antraf. Mit einem betonten Grunzen packte er seine letzte Last auf den brusthohen Stapel, drehte sich um und verzog das Gesicht.

»Jesus, hier stinkt es aber, Oberst! Hätte man uns nicht wenigstens eine Hütte mit Fenstern zuteilen können?«

»Verspritze ein bißchen Desinfektionsmittel«, sagte Hand, ohne von seinem Klemmbrett aufzublicken. »Und falls du irgendwas siehst, was klein ist und sich schlängelt, dann haue mit etwas darauf, was schwer ist.«

»Geht nich’«, wandte Otto ein. »Sankt Bea hat alle Desinfektionsmittel für die Krankenstation beschlagnahmt. Sie hat als Reserve sogar allen Schnaps im Lager eingesammelt. Nächstes Mal, Oberst, sollten wir uns nicht vom Kampf abhalten lassen.

Ich würde mich lieber mit dem Buckel voraus einer ganzen Armee von Hadenmännern entgegenstellen, als diese Scheiße noch mal durchzumachen. Das ist zu sehr, als würde man für seinen Lebensunterhalt arbeiten.« Der Zwerg sah sich um und schwieg längere Zeit. »Wir haben da draußen eine Menge gute Leute verloren, Oberst. Fünfzehn, vielleicht zwanzig Prozent.

Und bis morgen werden noch viel mehr tot sein.«

»Die Hadenmänner haben verflucht viel mehr verloren.«

»Jap, aber sehen wir der Sache ins Auge – das war nur ein einleitendes Scharmützel. Ein Voraustrupp, um die Verteidigung auf die Probe zu stellen. Jedenfalls hätte ich es so gemacht. Die eigentliche Armee lauert immer noch irgendwo da draußen im Dschungel und verdaut die Lektionen, die sie erhalten hat. Und sie könnte uns jederzeit angreifen.«

»Weißt du, Otto, es ist dein heiteres Naturell, das mich auf den Beinen hält. Hast du nicht zu arbeiten?«

»Nee. Keine Leichenteile mehr. Für die letzte Fuhre mußte ich Schaufel und Eimer benutzen. Dabei ist mir unerfindlich, wie Ihr Ohren und Zähne und blutige Klumpen zusammensetzen wollt. Weiß gar nicht, was wir mit den Teilen anfangen sollen, die niemand beansprucht. Außer vielleicht Suppe daraus machen.«

Der Oberst blickte vom Klemmbrett auf. »Deine Familie, das waren ja auch Kannibalen, nicht wahr?«

»Nur an religiösen Feiertagen. Und nur, wenn wir jemanden wirklich nicht leiden konnten.«

»Fertig«, sagte Tobias Mond von der Tür her. »Keine weiteren Leichen mehr, auch wenn viele Leute schwer verletzt sind.

Ich denke, Ihr beide solltet Euch jetzt ausruhen. Ich kann die Arbeit fortsetzen. Ich bin überhaupt nicht müde.«

»Dann seid Ihr damit der einzige in der Mission«, sagte der Oberst. Er sah das Klemmbrett an und ließ es dann zu Boden fallen. »Machen wir eine Pause, Otto. Ich denke, wir haben sie uns verdient.«

Die beiden setzten sich auf den Boden, so weit entfernt wie nur möglich von den Leichen und dem Geruch, und lehnten sich müde an die Wand. Otto brachte von irgendwoher unter seinen Kleidern einen ramponierten metallgrauen Flachmann zum Vorschein, blinzelte dem Oberst zu, und beide nahmen je einen tiefen Schluck daraus. Mond stand unsicher unter der Tür. Hand winkte ihn herüber.

»Leistet uns Gesellschaft, Sir Mond. Auch Ihr habt Euch eine Pause verdient, selbst wenn Ihr sie nicht braucht. Setzt Euch doch. Hättet Ihr Geschmack an etwas wirklich Üblem?«

»Danke«, sagte Mond. Alkohol bewirkte bei ihm nichts, aber er nahm die angebotene Flasche trotzdem an. Er wußte, daß das zu geselligem Umgang gehörte. Er setzte sich neben den Oberst, nahm einen bescheidenen Schluck und gab die Flasche zurück. »Es hat ein… ungewöhnliches Aroma.«

Otto lachte. »Das Aroma ist nicht der Grund, warum man es trinkt, mein Freund. Du warst draußen auf dem Torplatz. Wie lauten die neuesten Nachrichten?«

Mond zögerte und leitete die Informationen durch einen Filter, der heraussuchte, was die meisten Leute interessant fanden.

»Die Löcher in der Palisade sind gestopft. Die wenigen Brände haben bemerkenswert wenig Schaden angerichtet.«

»Die Leute, Mond«, sagte Hand geduldig. »Was ist mit Euren Freunden, den lebenden Legenden?«

»Der Todtsteltzer wurde schwer verwundet, hat sich aber wieder erholt. Hazel D’Ark und Mitternachtsblau helfen Mutter Beatrice in der Krankenstation. Bonnie Chaos hat umfangreiche Schäden erlitten, heilt aber mit erhöhtem Tempo und erwartet, in einer oder zwei Stunden wieder voll funktionsfähig zu sein. Die von uns, die das Labyrinth des Wahnsinns durchschritten haben, sind nur schwer umzubringen.«

»Ja«, sagte der Oberst. »Das ist uns aufgefallen. Ihr seid wahrscheinlich sogar immun gegen das, was wir uns eingefangen haben.« Hand musterte Mond ausgiebig. »Was hättet Ihr getan, wenn die Hadenmänner unsere Abwehr durchbrochen hätten und hierhergelangt wären? Hättet Ihr gegen Euer eigenes Volk gekämpft?«

»Ja«, antwortete Mond sofort. »Weil es nicht mehr mein Volk ist. Ich bin weder Mensch noch Hadenmann. Ich schulde keiner Lebensform mehr Treue, nur noch meinen Freunden.«

»Letztlich ist das alles, was wir haben«, meinte Hand und hob die Flasche erneut an die grauen Lippen. »Freundschaft und Ehre. Nichts sonst spielt eine Rolle.«