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»Du bist derjenige, der etwas schlafen sollte«, entgegnete Hazel. »Verdammt, du bist heute fast umgekommen!«

Owen zuckte die Achseln. »Das übliche halt. Arbeitet Sankt Bea immer noch da drin?«

»Ja. Ist allerdings fast fertig. Die im Sterben lagen, sind inzwischen gestorben, und alle übrigen sind versorgt. Sie macht jetzt nur noch sauber. Bereitet alles für morgen vor. Was denkst du, wie viele Leute wir morgen verlieren, Owen?«

»Zu viele. Sie kämpfen gut und sind ziemlich tapfer, aber die meisten gehören eigentlich ins Krankenbett. Und selbst wenn sie gesund wären, stellten sie keinen Gegner dar für eine Armee von Hadenmännern. Ich denke, unter diesen Umständen wäre das niemand. Vielleicht nicht mal wir. Die eigentliche Armee wird morgen angreifen, womöglich schon in der Nacht, und dann stürzt die Palisade dieser Station ein, als bestünde sie aus Streichhölzern, und das eigentliche Gemetzel beginnt. Was zum Teufel suchen die Hadenmänner hier? Mond sagte, es gäbe etwas draußen im Dschungel, etwas, das er spüren, aber nicht beschreiben könne. Nannte es das Rote Hirn. Vielleicht sind die Hadenmänner hinter dem her.«

»Was wir brauchen, ist ein Wunder«, fand Hazel. »Wenn wir Sankt Bea vielleicht ganz nett fragten…«

»Ich denke nicht, daß Gott uns derzeit zuhört«, versetzte Owen müde. »Wir sind auf uns selbst angewiesen.«

»Unfug«, erklärte Mutter Beatrice forsch. Sie war gerade aus der Krankenstation hervorgetreten und trug frisch gestärkte und makellos saubere Sachen. »Gott ist immer bei uns. Er trägt nur nicht unsere Kämpfe an unserer Stelle aus.«

»Ich glaube nicht mehr an Gott«, erklärte Hazel. »Nicht nach allem, was ich gesehen habe. All das Böse, all das Leid, all der Tod.«

»Die Menschen sind für das Böse verantwortlich«, hielt ihr Mutter Beatrice entgegen. »Nicht Gott. Und Ihr habt erlebt, wie vieles von diesem Bösen ein Ende gefunden hat. Gebt Euch damit zufrieden.« Sie setzte sich neben Owen auf die Treppe und rieb sich die Hände mit einem feuchten Tuch ab. Man sah immer noch Flecken getrockneten Blutes um die Fingernägel.

»Warum bist du hergekommen?« wollte Hazel wissen. »Hattest du nach Technos III nicht genug davon, Menschen sterben zu sehen?«

»Ich bin gekommen, weil ich gebraucht wurde«, erklärte Mutter Beatrice ruhig. »Warum begebt Ihr und Owen Euch immer wieder in Gefahr?«

»Aus dem gleichen Grund, denke ich«, antwortete Owen.

»Weil die Menschen uns brauchen, weil niemand sonst die gleichen Fähigkeiten mitbringt. Ich glaube nach wie vor an die alten Tugenden der Pflicht und der Ehre, auch wenn sie heute aus der Mode gekommen scheinen, um Absprachen und Kompromissen zu weichen.«

Mutter Beatrice lächelte. »Und dieser Teil von Euch ist es, der Gottes Stimme vernimmt. Ihr könnt sie auch nicht leichter ignorieren als ich.«

»Ich kämpfe, weil ich gut darin bin«, beharrte Hazel. »Mein Leben dreht sich schon um Gewalt und Töten, soweit ich mich erinnere. Wohin ich auch kam, stets hieß es, töte oder werde getötet. Wo ist darin Gottes Stimme zu hören?«

»Es kommt nicht darauf an, was man tut«, erklärte Mutter Beatrice geduldig. »Es kommt darauf an, warum man es tut.

Die Sache, für die wir kämpfen, definiert, wer wir sind. Gott gab Euch die Gabe, Kriegerin zu sein, Hazel, überließ es jedoch Euch, was Ihr damit anfangt.«

»Ich wollte nie Krieger sein«, sagte Owen. »Die Umstände haben mich dazu gezwungen.«

»Vielleicht zu Anfang«, sagte Mutter Beatrice. »Niemand, der seine sieben Sinne beisammen hat, möchte ein Held sein.

Nur wenige Geschichten von echten Helden finden ein glückliches Ende. Ihr seid jedoch zu dem geworden, der Ihr heute seid, weil es Eurem Wesen entsprach, weil Ihr Euch nicht abwenden und untätig bleiben konntet, während das Böse in Blüte stand. Ihr seid ein Krieger der besten Sorte, Owen – jemand, der nie einer sein wollte. Ich wollte nie eine Heilige sein. Ich zucke immer noch innerlich zusammen, wenn jemand dieses Wort gebraucht. Verdammt, ich bin ursprünglich überhaupt nur zur Kirche gegangen, um mich der Heirat mit Valentin Wolf zu entziehen! Ich habe jedoch meinen Glauben gefunden, oder er hat mich gefunden, und ich kann mich auch nicht leichter von Menschen abwenden, die Hilfe brauchen, als ich aufhören kann zu atmen. Letztlich werden wir alle durch die Ehre definiert.

Denn ohne Ehre hätte unser Leben gar keine Bedeutung.«

Owen hörte ihr zu und wollte ihr so gern glauben, aber er war noch immer nicht ganz überzeugt.

Und dann blickten die drei scharf auf, als rings um die Mission im Dschungel die Hölle ausbrach. Owen und Hazel zogen die Schußwaffen, verbannten ihre Müdigkeit und liefen zur Palisade. Andere liefen neben ihnen her, rieben sich dabei zu knappen Schlaf aus den Augen und schrien Fragen, auf die niemand Antworten wußte. Owen und Hazel sprinteten die Holzstufen zum Laufgang auf der Palisade hinauf und blickten über die Lichtung zum Dschungel hinüber. Die Lichter der Missionsstation reichten nicht weit in die Dunkelheit, und kein Mond stand am Himmel, der den Schauplatz hätte erhellen können. Hazel rief, das mehr Lampen hergebracht werden sollten. Owen lauschte konzentriert dem Tumult, der im Dschungel tobte, vermochte ihn aber einfach nicht zu deuten. Kämpften dort die Hadenmänner gegeneinander? Bald war der Laufsteg voller Menschen, von denen die meisten Fackeln oder Laternen hielten, und zum ersten Mal sah man jetzt Bewegung im Dschungel, dunkle Gestalten, die dort hin- und herliefen. Und jetzt drangen zum ersten Mal Schreie herüber, Schreie im unverkennbaren summenden Tonfall der Hadenmänner, gefolgt von dem vertrauten tödlichen Zischen von Strahlenwaffen.

Owen blickte angestrengt in die Dunkelheit und den Regen.

Die Lichtung war gänzlich verlassen. Was immer geschah, ereignete sich nur im Dschungel. Er hörte Kreischen und Wutschreie und das Geräusch von Leuten, die durch das dichte Laubwerk liefen. Dunkle Gestalten rangen miteinander. Vielleicht Hadenmänner. Aber auch andere Gestalten waren zu sehen, dunkel und undeutlich, die sich zu schnell bewegten, um wirklich ihre Umrisse auszumachen. Und wohin sie sich bewegten, stiegen stets neue Schreie auf.

Mutter Beatrice drängte sich neben Owen. »Was ist dort los, Sir Todtsteltzer?«

»Ich will verdammt sein, wenn ich das wüßte. Aber ich vermute, daß jemand den Hadenmännern in den Hintern tritt. Und dabei verflucht gute Arbeit leistet.«

»Könnte es sich um Verstärkung handeln? Vielleicht die Marineinfanterie?«

»Das denke ich nicht«, sagte Hazel. »Die Angreifer scheinen keine Schußwaffen zu benutzen. Und sie bewegen sich ganz anders als Menschen. Leben auf diesem Planeten noch Kreaturen, von denen wir nichts wissen, Mutter Beatrice?«

»Nein. Überhaupt keine.«

»Ich habe noch nie einen Hadenmann schreien gehört«, stellte Owen fest. »Was könnte so tödlich sein, so schrecklich, daß sogar die Hadenmänner sich davor fürchten?«

»Na ja, du könntest jederzeit hinausgehen und sie dir mal anschauen, aber falls du das tust, dann allein«, sagte Hazel entschieden. »Ich setze keinen Fuß nach draußen, solange nicht genug Licht herrscht, damit ich erkenne, worauf ich ziele.«

»Die Hadenmänner verfügen über Disruptoren«, sagte Mutter Beatrice. »Sie nützen ihnen aber anscheinend nichts, oder?«

Der Tumult im Dschungel brach plötzlich ab, und die letzten Schreie wurden erstickt. Das Krachen und Prügeln hörte auf, und nirgendwo war mehr eine Bewegung zu erkennen. Die Nacht war völlig still geworden, und die Verteidiger der Mission standen schweigend auf dem Laufgang und lauschten, ohne etwas anderes zu hören als das Prasseln der Fackeln, das endlose Trommeln des Regens auf dem Dach und den eigenen kollektiven Atem. Der Dschungel war dunkel und ruhig und wahrte seine Geheimnisse.

»Na ja«, sagte Owen schließlich. »Ich möchte die Vermutung wagen: Was immer dort geschah, ist wohl vorüber. Ich denke, wir sollten für heute nacht lieber doppelte Wachen aufstellen, und das in dreistündigen Schichten. Alle anderen sollten sich etwas schlafen legen. Daß ein paar Hadenmänner offensichtlich ihre gerechte Strafe erhalten haben, heißt noch nicht, daß wir morgen nicht trotzdem einer ganzen Armee dieser Mistkerle da draußen gegenübertreten müssen.«