Выбрать главу

»Sollten wir nicht jemanden hinausschicken, der nach Leichen sucht?« fragte jemand weiter unten auf dem Laufgang.

»Nach dir«, sagte Hazel und schnaubte unbeeindruckt, als sie keine Antwort erhielt.

»Mögliche Leichen können bis morgen warten«, sagte Mutter Beatrice. »Alles kann bis morgen warten. Der Todtsteltzer hat recht: wir stellen zusätzliche Wachen auf, und alle anderen legen sich schlafen.«

Und da niemand jemals Sankt Bea widersprach, verstreute sich die Menge nach und nach, um sich soviel Schlaf zu holen, wie sie bis zum Morgen nur finden konnte. Owen und Hazel gingen zur nächsten Treppe und stießen dabei auf Bonnie Chaos und Mitternachtsblau, die ihnen entgegenkamen.

»Eine gute Aufführung«, fand Bonnie. »Mir war danach, Beifall zu spenden.«

»Kümmert euch nicht um sie«, sagte Mitternacht. »Nur das übliche bei ihr. Was denkt ihr, ist gerade eben über die Hadenmänner hergefallen?«

»Ich konnte nicht viel erkennen«, antwortete Owen. »Aber was ich gesehen habe, erschien mir beinahe… vertraut.«

»Jeder, der Hadenmänner umbringt, ist mir recht«, sagte Hazel. »Ich meine, was könnte schlimmer sein als eine Armee von Aufgerüsteten?«

»Ich hege den fürchterlichen Verdacht, daß wir es herausfinden werden, wenn der Morgen kommt«, sagte Mitternacht.

»Die Hadenmänner sind wenigstens eine bekannte Größe. Gegen sie konnten wir Pläne schmieden. Jetzt…«

»Richtig«, bekräftigte Bonnie. »Der Feind meines Feindes muß nicht immer mein Freund sein. Besonders dann nicht, wenn er auch ein Feind der Menschheit ist.«

Hazel musterte sie scharf. »Shub? Du denkst, da draußen treiben sich Truppen von Shub herum?«

»Wer sonst könnte eine Armee der Hadenmänner so mühelos ausschalten? Wenn du mich fragst: Ich denke, der Dschungel wimmelt von Geistkriegern und Furien.«

»Ich möchte nach Hause«, sagte Hazel.

»Aber was zum Teufel könnte Shub hier suchen?« fragte Owen ärgerlich. »Hier gibt es doch nichts!«

»Außer dem Roten Hirn«, sagte Mond, der plötzlich aus der Dunkelheit zum Vorschein kam. »Ich spüre seine Anwesenheit immer deutlicher.«

»Rot…« überlegte Bonnie. »Könnte es ein Bestandteil des Dschungels sein? Eine Pflanze, die Intelligenz entwickelt hat?«

»Es ist riesig«, sagte Mond. »Sehr groß und sehr komplex und vollkommen fremdartig. Was ich von seinen langsamen Denkprozessen wahrnehme, das ergibt überhaupt keinen Sinn.

Ich kann nur mit Sicherheit feststellen, daß es sehr gefährlich ist. Und es wird langsam unserer Gegenwart bewußt. Falls ich meiner menschlichen Natur ein wenig sicherer wäre, denke ich, dann… hätte ich Angst.«

»Aber was ist es?« fragte Hazel.

»Es ist das Rote Hirn«, antwortete Mond. »Und falls es so mächtig und gefährlich ist, wie ich denke, dann würden Haden oder Shub richtig liegen, wenn sie hier jede Menge Truppen aufmarschieren lassen, um es zu erbeuten oder zu vernichten.«

»Aber warum… greifen sie dann die Mission an?« wollte Owen wissen.

»Wir stehen ihnen einfach im Weg«, sagte Mond. »Ich denke nicht, daß Haden oder Shub in der Stimmung sind, die Beute zu teilen.«

Er wandte sich ab, schritt davon in die Dunkelheit und war bald verschwunden. Hazel blickte ihm böse nach. »Ich denke, er war mir lieber, als er einfach nur nichtmenschlich war. Da hat er mich weniger geärgert.«

»Er hat sich jedenfalls einen verdammt ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, um sich rätselhaft zu geben«, stellte Owen fest. »Vielleicht sollten wir ihn zu Sankt Bea schicken und sehen, ob sie etwas Verständliches aus ihm herausbekommt.«

»Das Rote Hirn«, sagte Bonnie. »Klingt wie einer dieser bösen Verbrecherkönige aus den alten Holoserien, die ich mir als Kind angesehen habe. Vielleicht sollten wir den Grimmigen Grauen Rächer rufen, damit er uns zur Hilfe kommt.«

»Sind diese Serien auch auf deinem Planeten gelaufen?« fragte Mitternacht. »Ich war immer ein großer Fan davon!«

»Jawohl!« bestätigte Hazel. »Ich habe alle Bänder davon und auch den speziellen Dekoderring, den man einschicken mußte, um…«

Owen überließ sie ihrem fröhlichen Geschnatter und entfernte sich, um etwas Schlaf zu finden, ehe er einfach umkippte.

Das eigene Leben zu retten hatte ihn viel gekostet. Und er hatte das starke Gefühl, daß ihm gar nicht gefallen würde, was sich ihm im Licht des Morgens vor der Mission zeigte.

Die Morgendämmerung brach auf Lachrymae Christi ganz plötzlich an und genau nach Plan. Jeder, der einen Platz auf dem Lauf gang fand, stand dort bereit, als sich die Sonne auf einmal einen Weg durch die Wolken bahnte, die Düsternis verbannte und die Umgebung der Mission wieder sichtbar machte.

Und dort standen reglos und lautlos im Regen die Grendels, eine Reihe nach der anderen. Sie hatten die Station völlig umzingelt. Owen blickte benommen von der Palisade herunter.

Sein Mund war trocken, und er spürte fast, wie die Verteidiger ihre Zuversicht verloren.

Grendels. Gentechnisch geschaffene Mordmaschinen aus den Gewölben der Schäfer, unbekannt viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende lang in Stasis aufbewahrt und in einem unvorbereiteten Universum wieder erwacht. Lebendige Schrecknisse mit stachelbewehrter dunkelroter Panzerung, die irgendwie ein Teil von ihnen war, und mit stählernen Zähnen und Klauen.

Tödliche, erbarmungslose, unbesiegbare Killer, deren Lebenszweck die Vernichtung war, von ihren unbekannten Schöpfern in all den feinen Künsten des Gemetzels programmiert, Shub hatte Hunderttausende von ihnen aus den Gewölben der Schläfer erbeutet, und niemand hatte sie wiedergesehen. Bis heute.

»Das ist es«, stellte Hazel grimmig fest. »Damit ist es offiziell. Die Lage hat sich einfach nur verschlechtert.«

»Sind sie wirklich viel gefährlicher als die Hadenmänner?« erkundigte sich Mutter Beatrice.

»Gegen die Hadenmänner hatten wir eine Chance«, sagte Owen, und es klang fast bitter. »Ich habe schon jede Menge Aufgerüstete umgebracht, aber nur einmal konnte ich einen Grendel töten, und er hätte mich beinahe erwischt. Er hat mir die Hand gekostet. Heute noch habe ich Alpträume davon. Und jetzt stehen Tausende von ihnen da draußen.«

»Schwerter werden sie nicht aufhalten«, sagte Hazel. »Ein direkter Disruptortreff er bremst sie lediglich, es sei denn, man erwischt eine der ganz wenigen lebenswichtigen Stellen. Sie wurden dazu konstruiert, unaufhaltsam zu sein. Wir sitzen tief in der Scheiße, Leute.«

Mutter Beatrice wandte sich an Schwester Marion, die neben ihr stand. »Sagt allen, daß sie sich bewaffnen sollen. Sogar den Verwundeten. Alle, die stehen können, sollen Abwehrpositionen beziehen. Macht alle Sprengfallen wieder scharf.« Schwester Marion nickte grimmig, daß der hohe schwarze Hut wippte, und eilte davon.

»Sprengsätze?« fragte Owen.

»Das letzte Mittel«, erklärte Mutter Beatrice. »Sie sind zusammengeschaltet und reichen aus, um den gesamten Platz zu vernichten. Eine letzte Geste des Widerstands, falls offenkundig wird, daß wir keine andere Möglichkeit mehr haben.«

»Stell jemanden an den Schalter, der nicht leicht in Panik gerät«, empfahl ihr Hazel. »Denn wir werden unser Bestes tun, damit diese Bastarde für ihr Geld ordentlich schuften müssen, nicht wahr, Owen?«

»Richtig«, sagte er und beugte die Finger der nachgewachsenen Hand. »Aber falls Ihr tatsächlich einen direkten Draht zum lieben Gott habt, Mutter Beatrice, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Wunder zu erbitten.«