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Hazel wußte, daß sie nicht mehr ausweichen konnte. Sie versuchte es trotzdem, und die Zeit kam fast zum Stillstand. Das Messer kroch zentimeterweise durch die Luft und nahm direkt Kurs auf ihr linkes Auge. Und Hazel wußte, daß sie sterben würde, allein und weit von ihren Freunden und jeder Hilfe entfernt.

O Owen, ich wünschte…

Und da war er, tauchte aus der Luft heraus auf und schlug das Messer mit der Hand weg. Es flog zum Werfer zurück und versenkte sich bis zum Griff im Hals des Kartakis, als gehörte es dorthin. Der Aristokrat beugte sich langsam vor, als verneigte er sich vor Owen und Hazel, und fiel tot zu Boden. Der Romanow tat ebenfalls seinen letzten Atemzug, löste die Hände von Hazels Schwert und kippte nach hinten. Hazel riß das Schwert heraus und drehte sich um, nur ein klein wenig außer Atem, um Owen für die Rettung im letzten Augenblick zu danken. Und erst in diesem Augenblick fiel ihr auf, wie anders er aussah.

Er trug andere Kleidung, zerrissen und blutig, darüber einen großen pelzbesetzten Umhang. Das Gesicht wirkte müde und ausgezehrt, und er atmete schwer und tief, als hätte er einen langen Lauf hinter sich. Er sah aus, als wäre er durch die Hölle marschiert und hätte sich jeden Schritt freigekämpft, aber in seinem stetigen Blick entdeckte Hazel sowohl Entschlossenheit als auch eine verzweifelte, tief im Mark sitzende Traurigkeit.

Er zeigte ihr ein seltsames, sanftes Lächeln, und streckte eine Hand aus, als wollte er ihre ergreifen. Hazel steckte die Pistole ins Halfter und wollte die Geste erwidern, und in diesem Augenblick bemerkte sie, daß Owen ihr eine Linke aus Fleisch und Blut entgegenhielt, nicht die goldene Hadenmännerhand, die sie schon vor langer Zeit ersetzt hatte. Hazel zögerte, stoppte ihre Hand unmittelbar vor seiner, und Owen lächelte traurig, als hätte er gewußt, daß sie seine Hand ausschlagen würde, sich aber trotzdem mehr erhofft. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und Hazel beugte sich verzweifelt vor, wußte irgendwie, daß es lebenswichtig war, ihn zu verstehen – aber da war er schon wieder dorthin verschwunden, wo immer er hergekommen war, zu irgendeiner verzweifelten Flucht, die er unterbrochen hatte, um sie zu retten, als niemand sonst es konnte.

Hazel sah sich um, aber die Halle war leer, abgesehen von den beiden toten Aristokraten und dem leise vor sich hinbrennenden Exoskelett. War das wirklich Owen gewesen, aus dem Nichts erschienen, um sie zu retten, als sie es am nötigsten hatte? Aber er hatte zwei Menschenhände gehabt. War es ein Owen von einer anderen Zeitschiene gewesen, wie die anderen Hazels, die sie zuzeiten heraufbeschwor? Und falls das so war, warum hatte er so traurig ausgesehen? Sie griff auf ihr Komm-Implantat zu.

»Owen, melde dich! Alles in Ordnung mit dir? Owen?

Owen!«

Die Geistkriegerin, die aus Katies Überresten bestand, wankte auf ihn zu, das Schwert einsatzbereit, und er glaubte nicht, schon jemals so wütend gewesen zu sein. Besorgt war er nicht.

Für jemanden, der einmal von Mann zu Mann gegen einen Grendel angetreten war, bedeutete eine einsame Geistkriegerin mit nur einem Schwert keine große Gefahr. Sie schlug mit dem Schwert nach ihm, und er parierte mühelos. Aber das Grab der ersten Frau zu entweihen, für die er je etwas empfunden hatte, nur eines kranken Witzes halber… einer anderen Möglichkeit halber, ihm weh zu tun… Owen packte den Schwertgriff so fest, daß ihn die Hand schmerzte. Er wollte Katie nicht noch einmal umbringen. Es war schon beim ersten Mal hart genug gewesen. Andererseits konnte er auch nicht zulassen, daß diese Verspottung einer alten Liebe weiterging. Er mußte die Sache beenden, und sei es nur, um endlich Valentin nachzusetzen und ihn mit bloßen Händen zu zerreißen. Und da öffnete sich der tote Mund, und eine Annäherung an Katies Stimme ertönte. Es war nicht die Leiche, die sprach. Die Stimmbänder mußten inzwischen verwest sein. Es war nur eine Aufzeichnung.

»Tu mir nichts, Owen«, sagte die tote Frau, und die aufgesprungenen schwarzen Lippen versuchten, sich im Takt der Worte zu bewegen. »Bitte. Ich möchte nicht noch mal sterben.

Ich weiß, daß ich nicht mehr so bin wie einst, aber ich bin immer noch dieselbe. Katie. Deine Geliebte. Valentin hat mich von den Toten zurückgerufen und mich in diesem verfaulenden Körper gefangengesetzt. Er kann heute derartige Dinge vollbringen. Er hat neue Freunde. Mächtige Bundesgenossen. Du wärst erstaunt, was er heute alles tun kann. Bitte, Owen!«

»Halt den Mund.«

»Also in Ordnung, dann bringe ich dich um, so daß wir im Tod verbunden sind und für immer Seite an Seite in der warmen Erde ruhen. Tu es für mich, Owen.«

»Du klingst kein bißchen nach ihr«, sagte Owen und wich nicht weiter zurück. »Du klingst überhaupt nicht nach meiner Katie.«

»Der Tod verändert einen.«

»Nicht so stark. Katie hat nie um etwas gebettelt. Fahrt zur Hölle, Valentin!«

Und er schlug mit den Gedanken zu. Kraft baute sich in ihm auf, gespeist aus Wut und Empörung, wurde durch diese Empfindungen konzentriert, und die wandelnde Leiche vor ihm zerplatzte in winzige Fetzen verwesten Fleisches und zerschmetterter Technik. Owen sah zu, wie das alles zu Boden fiel, und empfand nichts. Es war nicht Katie gewesen.

»Owen?« hörte er Hazels Stimme aus seinem Komm-Implantat. »Melde dich! Alles in Ordnung mit dir? Owen?

Owen!«

»Mir geht es gut«, sagte er endlich. »Valentin ist jedoch entkommen. Wir müssen die Burg nach ihm durchsuchen.

Schließt die beiden Lords ein und kommt zu mir in die Sicherheitszentrale.«

»Die Lords sind tot«, sagte Hazel und klang eine Spur schuldbewußt. »Sie haben versucht zu fliehen.«

Owen setzte zu einer schneidenden Bemerkung an, verkniff sie sich aber. Hazels Stimme hatte einen Unterton aufgewiesen… »Alles in Ordnung mit Euch, Hazel?«

»Natürlich«, antwortete sie. »Mir geht es gut. Ich bin gleich bei dir.«

Sie trennte die Verbindung. Owen blickte auf die Überreste eines Menschen hinunter, die überall auf dem Boden verstreut lagen, und redete sich ein, daß er überhaupt nichts empfand.

Gemeinsam durchsuchten Owen und Hazel die Burg, Stockwerk für Stockwerk, Zimmer für Zimmer. Es dauerte einige Zeit. Das Sicherheitssystem hätte Valentin eigentlich finden müssen, aber er hatte es so programmiert, daß es ihn ignorierte.

Der Wolf plante seine Züge immer ein gutes Stück im voraus.

Und so durchstreiften Owen und Hazel die alte Festung und fanden weder ihn noch eine Spur von seinen Leuten. Valentin Wolf hatte das Gebäude verlassen.

Schließlich gelangten sie in Owens altes Schlafzimmer. Der Geheimgang stand immer noch offen, aber Hazel redete es Owen aus, wieder hinunter in die Fliegerhöhlen zu gehen. Ihr war schon seit einiger Zeit klar, daß der Wolf aus der Burg und wahrscheinlich sogar von Virimonde geflüchtet war, aber sie ließ Owen weitersuchen, weil sie erkannte, daß er es brauchte.

Jetzt sahen sie sich im Schlafzimmer um und fragten sich, was als nächstes zu tun war. Hazel setzte sich auf die Bettkante, schlenkerte mit den Beinen und lächelte, als sie langsam in die dicke Matratze hineinsank.

»Du hast hier ja wirklich eine tolle Bleibe gehabt, Todtsteltzer. Hat das tatsächlich alles dir gehört?«

»Als ich noch ein Lord war, hat mir der ganze Planet gehört und ebenso alles, was man darauf fand«, antwortete Owen.

»Jetzt sind der Planet und alle darauf tot. Mir sind nur eine Burg geblieben, aus der ich mir nie wirklich etwas gemacht habe, und ein paar Erinnerungen.«

Hazel lächelte süffisant. »Ich wette, du hast wenigstens an dieses Zimmer ein paar gute Erinnerungen.«