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»Zwei Minuten, sieben Sekunden und weiterlaufend.«

»O Scheiße! «

»Das sagte ich bereits. Es hat nicht geholfen.«

»Was ist?« fragte Hazel und musterte Owens Miene. »Was ist? W a s i s t

Owen dachte angestrengt nach. Es mußte einen Ausweg geben. Er war nicht so weit gekommen, nur um in einer simplen Falle wie dieser umzukommen.

»Mir gefällt der Ausdruck in deinem Gesicht wirklich nicht«, bemerkte Hazel.

»Wie verwundbar fühlt Ihr Euch zur Zeit?«

»So schlimm, ja?«

»Schlimmer. Wir haben noch zwei Minuten, bis uns die Bombe aus dieser Welt in die nächste pustet, und wir schaffen es nicht mal aus diesem Zimmer hinaus. Es sei denn, Ihr habt von Giles zufällig den Trick mit dem Teleportieren gelernt.

Wie sieht es damit aus?«

»Nein. Er ist nie dazu gekommen, den Vorgang zu erklären, bis du ihn umgebracht hast.«

»Ah ja, richtig. Meine Schuld. Vielleicht, wenn wir alle mehr miteinander redeten…«

Sie brachen ab und sahen sich an, und eine seltsame Ruhe ergriff von ihnen Besitz. »Das war es, nicht wahr?« fragte Hazel.

»Das Ende vom Lied. Komisch. Ich wußte schon immer, daß es mein Schicksal war, jung zu sterben. Aber ich habe nie erwartet, daß es auf diese Weise passieren würde. So… hilflos.«

Owen legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie lehnte sich an ihn. »Verdammt«, sagte er, »wir leben schon von geborgter Zeit, seit wir uns das erste Mal begegnet sind. Sie mußte schließlich ablaufen. Und… Ich bin froh, daß wir unsere gemeinsame Zeit hatten. Es ist schon seltsam, aber ich denke nicht, daß ich je glücklicher war.«

»Wohl wahr«, bestätigte Hazel. »Das war vielleicht ein Abenteuer, was? Und falls wir schon sterben müssen, tun wir es wenigstens zusammen.«

Sie setzten sich nebeneinander auf die Bettkante. Sie küßten sich, als hätten sie alle Zeit der Welt, und lehnten sich dann freundschaftlich aneinander.

»Wer weiß?« sagte Hazel schließlich. »Wir haben auf Nebelwelt dem Schuß einer Disruptorkanone aus kürzester Distanz standgehalten, erinnerst du dich? Vielleicht haben wir erneut Glück.«

»Moment mal!« sagte Owen und richtete sich kerzengerade auf. »Gehen wir mal diesem Gedanken nach. Wir haben diesem Disruptorschuß standgehalten, weil wir verbunden waren.

Unsere Gedanken waren miteinander verschmolzen. So haben wir überlebt!«

Hazel runzelte die Stirn. »Die Verbindung hat mir nie gefallen. Es gefällt mir nicht, jemandem Zutritt zu meinem Bewußtsein zu erlauben.«

»Hazel, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um schamhaft zu sein. Würdet Ihr lieber sterben?«

»Verdammt. In Ordnung, tun wir es.«

Sie streckte eine Hand aus, und Owen ergriff sie mit seiner menschlichen Hand. Zögernd tasteten sie sich mit den Gedanken aufeinander zu, folgten dabei der alten mentalen Verbindung, die alle Überlebenden aus dem Labyrinth des Wahnsinns einander verband. Sie kamen sich immer näher, bis die Kraft, die sich zwischen ihnen aufbaute, ihre Gedanken zusammenrammte, daraus einen einheitlichen Willen formte und sich in etwas Neues umwandelte. Etwas Größeres. Etwas, das sie aus ihren Körpern riß, in die Luft darüber. Sie fegten als körperlose Geister innerhalb eines Augenblicks durch alle Stockwerke und Räume der Burg, bis sie schließlich die Lektronen erreichten, die Valentin in dem Raum neben der Sicherheitszentrale installiert hatte. Sie schwebten über den Geräten, wurden für einen Moment von etwas Fremdartigem zurückgehalten, für das sie keinen Namen wußten. Dann konzentrierten sie sich und hörten die Geräte denken. Es war ein zugleich einfacher und sehr komplexer Vorgang, eine Vielzahl kleiner, aber kritischer Entscheidungen, die schneller vorüberzuckten, als daß ein rein menschliches Bewußtsein je hätte hoffen können, ihnen zu folgen. Aber Owen und Hazel hatten von ihren menschlichen Anfängen bis heute einen weiten Weg zurückgelegt, und sie brauchten weniger als eine Sekunde, um in die Rechner vorzudringen und die Daten zu finden, die sie benötigten, um den Countdown anzuhalten; das Programm wurde gestoppt, und die Bombe stellte sich wieder auf Null und erwartete neue Instruktionen. Owen und Hazel durchsuchten rasch alle Speicher der Lektronen, nur um sicherzugehen, daß Valentin nicht noch weitere unerfreuliche Überraschungen hinterlassen hatte, und lösten sich wieder. Die zwingende Notwendigkeit, die sie miteinander verbunden hatte, war erschöpft, und sie verschwanden aus dem Lektronenraum, trennten sich und fielen in ihre Körper zurück. Sie sahen sich benommen um und gewöhnten sich gerade wieder ans Atmen, da verschwanden die Fensterläden und öffnete sich das Türschloß wieder.

»Du liebe Güte«, sagte Hazel schließlich. »Das war… mal etwas ganz anderes.«

»Wie ich schon immer gesagt habe«, stellte Owen fest. »Das meiste erreichen wir, wenn wir zusammenarbeiten.«

»Vielleicht. Verschwinden wir lieber von hier, Owen. Zu viel Tod hängt über diesem Ort.«

»Und Valentin ist entkommen«, sagte Owen. »Ich finde ihn jedoch. Und aufgrund dessen, was er meinem Haus und meiner Welt und meinem Volk angetan hat, errichte ich eine komplett neue Hölle, in die ich ihn schicken kann.«

KAPITEL ZWEI

EIN TAG WIE JEDER ANDERE IM PARLAMENT

Die Sonnenschreiter II fiel aus dem Hyperraum und trat in einen Orbit über Golgatha ein, Hauptwelt und Regierungssitz des Imperiums. Owen und Hazel hätte es nicht weniger bedeuten können. Virimonde hatte ihnen viel geraubt. Nach den körperlichen und seelischen Prügeln, die sie in der alten Todtsteltzer-Burg bezogen hatten, konnten sie gerade eben noch aufrecht in ihren Sesseln sitzen und Antworten auf die Landeinstruktionen vom Zentralraumhafen brummen. Owen tippte die Koordinaten ein und überließ es den Navigationslektronen, die Landung auszuführen. Sie konnten das besser, als jemals von ihm zu erwarten stand, und er war so furchtbar müde.

Und wenn er schon ehrlich zu sich selbst war: Die Sonnenschreiter II schüchterte ihn ein. Die Hadenmänner, diese rätselhaften aufgerüsteten Menschen, hatten das Schiff gebaut und es dem zerstörten Original so nah wie möglich angeglichen. Der Versuchung, es zu ›verbessern‹, konnten sie jedoch nicht widerstehen. Owen kam mit Türen klar, die sich schon öffneten, wenn er nur daran dachte, sich ihnen zu nähern, ebenso mit Lebensmittel-Synthetisierern, die schon vor ihm wußten, was er sich zum Abendessen wünschte, aber eine Navigationssteuerung, die nach demselben beunruhigenden Prinzip funktionierte, war einfach zuviel für ihn. Es war zu ein paar bedauerlichen Zwischenfällen gekommen, als er vor sich hinträumte und damit Landungen ruinierte, die ansonsten völlig sicher verlaufen wären, und daraufhin hatte er sich mit großer Bestimmtheit entschieden, diese Dinge den Lektronen zu überlassen und sich wichtigeren Aufgaben zu widmen. Wie Schmollen. Er saß zusammengesunken auf seinem Platz, sah zu, wie der dunkelblaue Planet vor ihm langsam größer wurde, und hatte ein fast nostalgisches Gefühl. Als er zuletzt nach Golga-110 tha gekommen war, hatten hier die letzten brutalen Wirren der Rebellion getobt, und praktisch alle Bewohner des Planeten hatten auf Owen geschossen. Jetzt war er nur ein Besucher unter vielen, nicht wichtiger als irgend jemand sonst. Er hatte das starke Gefühl, daß ihm die alten Verhältnisse lieber gewesen waren. Wenigstens wußte er damals, wer und wo seine Feinde waren. Er blickte voller Zuneigung zu Hazel hinüber, die auf ihrem Platz wütend vor sich hinbrütete. Auch wenn sich Hazel D’Ark angeblich entspannte, erweckte sie den Eindruck, als wäre sie jeden Augenblick auf dem Sprung, irgend jemandem die Kehle aufzureißen. Owen machte das nichts aus. Er war es gewöhnt.