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Owen wartete geduldig, bis sie sich etwas beruhigt und ihre Rangordnung geklärt hatten, während Hazel wütend in alle Richtungen funkelte und die Hände besorgniserregend nahe an ihren Waffen hielt. Es besserte ihre Laune überhaupt nicht, daß die meisten Fragen, die ihr heutzutage gestellt wurden, gezielt ihrer Beziehung zu dem verehrten Todtsteltzer galten. Sie hatte es mit spöttischen Antworten probiert, aber die Reporter meldeten einfach alles, was sie sagte, als Fakt. Sie versuchte, jeden anzugreifen, der das Thema ansprach, aber die anderen filmten sie dann einfach dabei. Heutzutage beließ sie es meist bei dem Spruch ›kein Kommentar‹ oder einer ähnlichen Bemerkung aus zwei Worten, wobei das zweite normalerweise ›dich‹ hieß. Bei all dem half ihr auch gar nicht, daß Owen das alles ungeheuer amüsant fand und immer in die Kameras blinzelte, wenn er sein ›kein Kommentar zum besten gab. Und dann brachte einer der Reporter den jüngsten Todtsteltzer-Film zur Sprache und trieb die Spannung erneut ein Stück weit höher.

Der Sieg der Rebellion war noch keine Woche alt, als die ersten Dokumentationen über die Holoschirme liefen – ausgewachsene Beiträge, zusammengesetzt aus Aufnahmen unterschiedlicher Klarheit und Zuverlässigkeit. Aber da die Leute die Tröstungen der Romantik schon immer den trockenen Fakten der Geschichte vorgezogen hatten, dauerte es nicht lange, bis der erste Todtsteltzer-Spielfilm die Dokumentationen rüde von den Holoschirmen schubste. Dieser aktionsgeladene und ungeheuer vereinfachende Streifen brachte allen Beteiligten Milliarden Kredits ein, außer denen, auf deren Leben er beruhte. Rasch folgten ihm weitere von unterschiedlicher Qualität und Genauigkeit. Und die Öffentlichkeit verschlang alles – von Toby Shrecks preisgekrönter Berichterstattung bis hin zu wüsten Phantasien, die nicht einmal immer die korrekten Namen verwendeten.

Der jüngste und populärste dieser Spielfilme beanspruchte, die Biographie Owen Todtsteltzers zu sein, in der er durchgängig als heiliger und selbstloser Held dargestellt wurde, seine Gefährtin Hazel D’Ark hingegen als mörderische Psychopathin, von ihrer unerschütterlichen, hündischen Hingabe an Owen knapp daran gehindert, in einem fort zu metzeln und zu massakrieren.

Owen und Hazel erhielten Freikarten zur Premiere zugeschickt, also gingen sie arglos hin. Owen mußte dermaßen lachen, daß es ihm weh tat, und wurde schließlich von einem Platzanweiser aufgefordert zu gehen, weil er das übrige Publikum störte. Hazel hielt bis zum Ende durch und hielt dabei die Armlehnen ihres Sitzes so fest umklammert, daß ihr die Hände schmerzten. Als der Film schließlich zu Ende war, zündete sie das Kino an. Zum Glück erwischte Owen sie, ehe es die Stadtgarde tat, und brachte sie weg, während die Feuerwehr noch versuchte, den Brand einzudämmen. Dann nahm er ihr alle Waffen ab, rang sie zu Boden und setzte sich so lange auf sie, bis sie versprach, nicht alle an der Herstellung des Spielfilms beteiligten Personen zu jagen und umzubringen. Wie Owen ihr vernünftig erklären konnte, hätte ein solches Vorgehen nur dazu beigetragen, ihre Charakterisierung durch den Streifen zu rechtfertigen.

Insgesamt erwies sich nicht gerade als hilfreich, daß Owen von einem führenden Star und Frauenschwarm gespielt wurde, Hazel jedoch von einem ehemaligen Pornostar mit mehr Aussehen als Begabung und einem ganz erstaunlichen Dekollete.

Als jetzt ein Reporter in voller Gefechtsrüstung die Frage nach dem Film stellte, wichen alle hastig zurück, damit kein Blut auf sie spritzte. Hazel riß eine Schwebekamera mitten aus der Luft und schleuderte sie mit verheerender Genauigkeit. Sie traf den Reporter mitten zwischen die Augen, so daß er bewußtlos zusammenbrach. Owen trat rasch hinzu und drückte Hazel von hinten die Arme an die Seiten. Die Reporter sahen interessiert zu, hofften dabei, auf sichere Distanz zu sein, bis Owen Hazel mehr oder weniger beruhigt hatte. Dann rückten sie wieder vor und stiegen über die bewußtlose Gestalt ihres Mitstreiters im Kampf um Wahrheit und Quoten hinweg. Vernünftigerweise wechselten sie das Thema. Unglücklicherweise entschieden sie sich dabei für das Stichwort Vermarktung.

Da der Appetit des Massenpublikums auf Stars nun einmal so war, wie er war, reichte nicht einmal die endlose Folge von Spielfilmen und Dokumentationen, um das Interesse der Leute an den neuen Helden zu befriedigen. Das Publikum zeigte sich unersättlich in seiner Wut, soviel allgemeinen Plunder zu erstehen, der auf den Filmen und den Rollen beruhte, daß man damit einen kleinen Mond mehrere Kilometer tief hätte zuschütten können. Der besagte Plunder reichte vom wahrhaft Geschmacklosen bis zum entsetzlich Billigen und Scheußlichen, und Owen und Hazel taten ihr Bestes, ihn nicht zur Kenntnis zu nehmen, solange ihre Tantiemen eintrudelten. In diesem Punkt stand jedoch ein Umschwung kurz bevor.

»Ob wir was gesehen haben?« fragte Owen und wünschte sich gleich, er hätte es nicht getan, als der Reporter eine kleine Plastikfigur hochhielt.

»Es gibt eine ganze Produktreihe davon«, verkündete der Reporter vergnügt. »In der Haltung komplett einstellbare Figuren aller Hauptteilnehmer an der Rebellion. Sie sind sehr populär. Besonders die Figur der Imperatorin. Die Leute stellen gern schreckliche Sachen damit an.«

Er brachte weitere Figuren zum Vorschein und reichte sie an Owen und Hazel weiter, damit sie sie in Augenschein nehmen konnten. Sie waren in hellen Grundfarben gehalten, alle gleichmäßig muskulös und mit höflich allgemein gehaltenen Gesichtern ausgestattet. Sicherlich ähnelten sie niemandem, den Owen kannte. Er sah Hazel an.

»Haben wir die genehmigt?«

»Wer weiß?« fragte Hazel und funkelte die kolossalen Brüste der Figur an, die sie darstellen sollte. »Wir haben die verschiedenste Verträge unterschrieben. Ich habe den Überblick verloren.«

»Sie sind eigentlich ganz harmlos«, fand Owen. »Billig, aber harmlos.«

»Was auch immer, wir sollten der Sache jedenfalls auf den Grund gehen«, sagte Hazel. »Dieser Markt soll verdammt viel Knete abwerfen, und falls das zutrifft, möchte ich meinen Anteil einstreichen. Welche soll Ruby darstellen?«

»Ah, die mit den ganzen Knarren«, sagte der Reporter.

»Sieht ihr gar nicht ähnlich«, meinte Hazel. »Und sie könnte gar nicht so viele Waffen auf einmal tragen. Sie würde umkippen. Mit Brüsten dieses Formats täte sie es wahrscheinlich sowieso. Verdammt, niemand hat solche Brüste, der nicht zum Hau s der Freuden gehört.«

»Kursiert viel von diesem Zeug?« erkundigte sich Owen und gab dem Reporter die Spielsachen zurück.

»Nun, ja, Sir Todtsteltzer. Dazu gehören Imbißschachteln, Poster, Spiele… Diese hier sind zur Zeit sehr populär.«

Er grub in der Tasche herum, die er mitführte, und brachte zwei dreißig Zentimeter lange Puppen von Owen und Hazel zum Vorschein. Die Kleidung stimmte einigermaßen, wenn auch nicht die Gesichter, und wenigstens die Proportionen entsprachen schon eher der menschlichen Norm. Der Reporter drückte Sprechtasten auf den Rückseiten. Die Owenpuppe sagte: »Kämpft für die Gerechtigkeit!« Die Hazelpuppe sagte:

»Töten! Töten! Töten!« Irgendwie gelang es Hazel, sich zu beherrschen. Sie hatte gelernt zu erkennen, wenn man sie provozieren wollte. Owen brachte genügend Verstand auf, sein ansatzweises Gelächter in ein nicht ganz überzeugendes Husten umzuwandeln. Der enttäuschte Reporter beschloß, daß jetzt Zeit wurde, seine Trumpfkarte auszuspielen. Falls er Hazel damit nicht in Fahrt brachte, wollte er seinen Gewerkschaftsausweis fressen. Er steckte die Puppen in die Tasche zurück und holte beiläufig die letzten Posten hervor.

»Und dann gibt es natürlich noch die.« Er hielt zwei knuddelige Plüschfiguren in Owen- und Hazelkostümen hoch.

»Eine Plüschfigur?« fragte Hazel in einem Ton, der eine unmittelbar bevorstehende Kernschmelze ankündigte. »Sie haben eine Plüschfigur aus mir gemacht?«