Früher einmal war Owen Todtsteltzer Lord des ganzen Planeten Virimonde gewesen. Dann hatte ihn die Imperatorin Löwenstein zum Gesetzlosen erklärt und ihm alles genommen.
Die eigenen Sicherheitsleute versuchten ihn daraufhin umzubringen, um das Kopfgeld einzustreichen, und er mußte durch Flucht sein Leben retten. Es wurde knapp. Genau im richtigen Moment tauchte jedoch Hazel auf, um ihm den aristokratischen Hintern zu retten. Sie wurde später nie müde, ihn daran zu erinnern. Beide blieben fortan zusammen. Er verliebte sich in sie.
Bis heute wußte er nicht recht, welche Gefühle sie für ihn hegte. Sein Vetter David wurde in seiner Abwesenheit zum Lord berufen, starb aber wenig später bei dem Versuch, den Planeten gegen Löwensteins Truppen zu verteidigen, die unter dem Befehl Valentin Wolfs standen. Der Wolf führte Aufsicht über die Ermordung Millionen schutzloser Menschen und die völlige Zerstörung dessen, was einmal ein echtes ländliches Paradies gewesen war.
Und jetzt war Valentin zurückgekehrt, wie ein Verbrecher, der sich wieder am Tatort einfand, oder ein Hund, der an den eigenen Exkrementen schnüffelte. Auch Owen war erneut hier, um den Zerstörer Virimondes einer verspäteten Gerechtigkeit zuzuführen. Auf die eine oder andere Art.
Er seufzte leise vor sich hin. Auf all seinen Wanderungen als Rebell hatte er sich immer an die heimliche Hoffnung geklammert, er könnte eines Tages heimkehren und sein altes Leben als kleiner Historiker wieder aufnehmen, der für niemanden außer sich selbst von wirklicher Bedeutung war. Er hatte sich jedoch so stark verändert und in so vieler Hinsicht, daß er sich selbst nicht mehr recht wiedererkannte. Und wenn man die Berichte von der völligen Verwüstung bedachte, die ihn dort unten erwartete, war er sich nicht mal sicher, ob überhaupt noch ein Zuhause vorhanden war, in das er zurückkehren konnte.
»Führe eine Sensormessung durch«, wies er die KI lautlos an. »Suche meine alte Burg und sieh mal nach, mit welchen Mitteln sie geschützt ist.«
»Bin dir wie üblich weit voraus«, schniefte die KI. »Eine Armee von recht ansehnlicher Größe lagert rings um die Burg.
Schenkt man den Funksprüchen Glauben, die ich abhöre, wird die Festung gerade von Valentin und seinen Kumpanen bewohnt. Typisch. Nur das Beste für den lieben Valentin. Und den Informationen zufolge, die wir vor dem Aufbruch von Golgatha erhielten und auf die du sicher nicht mal einen Blick geworfen hast – da wette ich gutes Geld drauf –, ist dort unten auch eine höllische Menge wissenschaftlicher Ausrüstung vorhanden, ebenso die Wissenschaftler, die sie bedienen. Obwohl scheinbar niemand weiß, was oder wozu.«
»Werd nicht hochnäsig, Oz. Sag mir einfach, was ich wissen muß.«
»Tyrann.«
Owen hatte keine rechte Vorstellung davon, woran er bei Oz war. Der ursprüngliche Ozymandius war die Familien-KI gewesen, die Owens verstorbener Vater an ihn vererbt hatte. Es stellte sich heraus, daß sie versteckte imperiale Programme enthielt und für Löwenstein spionierte. Schließlich griff sie sogar Owen an und versuchte, ihn mit Kontrollwörtern zu versklaven, die sie in seinem Unterbewußtsein implantiert hatte.
Owen war nichts anderes übriggeblieben, als seine Labyrinthkräfte einzusetzen, um die KI zu vernichten. Nur daß Oz irgendwann später zurückkehrte. Oder eine Stimme in seinem Kopf, die nur er hören konnte und die behauptete, sie wäre die KI Ozymandius. Sicherlich war sie genauso kenntnisreich und provokant wie das Original. Owen akzeptierte diese Situation zunächst und gedachte dabei zu bleiben, solange sich die KI als nützlich erwies. Und weil er nicht die leiseste Ahnung hatte, wie er die Stimme wieder loswerden sollte.
Außerdem vermißte er Oz.
»Soll ich jetzt den Anflug einleiten oder nicht?« fragte Oz forsch. »Wir sind umfassend getarnt, aber niemand weiß, wie lange selbst Schilde der Hadenmänner den Sicherheitssystemen standhalten, die Valentin dort installiert hat. Das, was früher normale Satelliten zur Wettersteuerung waren, ist mit echt heftigen Sensoren aufgebessert worden und dazu mit stärkerer Bewaffnung als der durchschnittliche Flottenkreuzer. Wenn der Wolf ›Bitte nicht stören‹ sagt, meint er es ernst.«
»Bleib im Orbit«, sagte Owen nachdrücklich. »Ich möchte erst eine wirklich gute Vorstellung von dem haben, was mich auf dem Planeten erwartet, ehe ich mich auf eine Landung festlege. Setze die Sensoren auf das Gebiet um die Burg an, in einem Radius von fünfzehn Kilometern, und gib die Lage der örtlichen Bevölkerung durch.«
»Owen… Das habe ich schon getan. Eine örtliche Bevölkerung gibt es nicht mehr.«
»Was?«
»Ich habe die Umgebung sondiert, so weit meine Sensoren reichen. Auf Hunderte von Kilometern gibt es keine lebende Seele mehr. Es tut mir leid, Owen.«
Owen schüttelte langsam den Kopf. Er hatte die Meldungen über die Zerstörung Virimondes durch Valentin gelesen, hatte sich Tobias Shrecks Filmaufnahmen davon und Interviews mit den wenigen Überlebenden angesehen, die sich vom Planeten hatten retten können, hatte aber stets vermutet, daß es Übertreibungen waren. Niemand konnte nur zum Spaß anordnen, die Bevölkerung eines ganzen Planeten zu ermorden. Nicht einmal Valentin Wolf. Tief im Herzen hatte sich ein Teil Owens verzweifelt danach gesehnt, nach Hause zurückzukehren, umjubelt von seinem Volk, das voller Freude war, den rechtmäßigen Lord endlich wiederzuhaben. Er hatte sich gewünscht, sich dafür zu entschuldigen, daß er nicht zugegen gewesen war, um die Menschen zu beschützen. Hatte ihnen versprechen wollen, daß jetzt, wo er wieder daheim war, alles anders werden würde. Er würde für ihre Sicherheit sorgen, sie beschützen, jedes Ungemach von ihnen wenden. Niemand würde ihnen je wieder weh tun, nur weil er sich gerade andernorts als Held der Rebellion herumtrieb. Er hatte so viel sagen wollen und müssen. Er hatte nicht glauben wollen, daß sein ganzes Volk tot war.
»Was ist los?« erkundigte sich Hazel. »Gibt es ein Problem?«
»Nein«, sagte Owen. »Ich habe nur nachgedacht. Darüber, wie es früher hier ausgesehen hat.«
»Tu das nicht«, sagte Hazel. »Das war schon immer dein Problem, Todtsteltzer. Daß du in der Vergangenheit lebst.«
»Ich kenne mich aus mit der Vergangenheit«, versetzte Owen. »Damals ging es einfacher zu. Ich kannte meine Welt und mein Imperium und meinen Platz darin. Oder glaubte es zu tun. Inzwischen habe ich erlebt, wie alles zerstört wurde, woran ich je glaubte, habe alles verloren, woraus ich mir je etwas machte. Und jetzt stelle ich fest, daß mir die Heimkehr versagt bleibt. Weil Valentin Wolf alles niedergebrannt und auf die Asche gepinkelt hat. Virimonde ist tot.«
»Das wissen wir erst sicher, wenn wir gelandet sind und selbst nachgeschaut haben«, sagte Hazel. »Berichte können übertrieben ausfallen; Sensoren kann man falsch deuten. Es ist ein großer Planet, Owen. Valentin kann nicht jeden umgebracht haben.«
»Und falls doch? Falls er alles getan hat, was ihm nachgesagt wird?«
»Dann schneiden wir ihm das schwarze Herz heraus, werfen es auf den Boden und trampeln darauf herum. Und das gleiche tun wir mit allen, die ihm geholfen haben.«
Owen mußte leise lächeln. »Das Leben war für Euch immer so einfach, nicht wahr, Hazel? Die Guten und die Bösen und eine direkte, kraftvolle Lösung für jedes Problem. Aber Ihr habt ja den Mann bei der Einsatzbesprechung gehört. Immer noch gibt es Mächtige, die wollen, daß Valentin für einen Schauprozeß lebend zurückgebracht wird. Wenn auch nur, um für ein kleines Vermögen die Holorechte zu verhökern.«