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»Ich halte mich über alles auf dem laufenden«, entgegnete Hazel. »Und ich wette, daß ich für jede Gruppierung, die den Wolf lebend haben möchte, zehn andere nennen kann, die ihn viel lieber von Fliegen umschwärmt heimkehren sehen würden.

Nicht zuletzt die Klon- und Esper-Bewegungen. Sollte je durchsickern, daß Valentin Wolf einmal aktiver Mitarbeiter und Förderer der Untergrundbewegungen gewesen ist, verlieren sie auch noch das wenige, was sie an öffentlicher Unterstützung und Popularität genießen. Und um dem Faß die Krone aufzusetzen, findet man jede Menge Leute, die früher zweifelhafte Geschäfte mit ihm getätigt haben und nicht möchten, daß das jetzt herauskommt, wo sie sich als treuherzige Förderer der Rebellion neu herausgeputzt haben.«

»Und genau deshalb werden wir den Mistkerl lebend zurückbringen«, sagte Owen in entschiedenem Ton. »Nicht unbedingt in einem Stück, aber definitiv lebendig. Ich bin niemandes Marionette, auch nicht die irgendeiner Organisation. Ich muß deutlich machen, daß mich niemand unter Druck setzen kann. Und ich werde ihn nicht einfach nur deshalb umbringen, weil ich es möchte.«

»Du und dein verdammtes Gewissen«, sagte Hazel. »In Ordnung, wir versuchen also, ihn lebend festzunehmen. Was ist mit seinen Gefolgsleuten?«

»Meinetwegen massakriert ruhig den ganzen Haufen.«

»Das läßt sich schon eher hören!« meinte Hazel.

Owen lehnte sich zurück, verschränkte die Hände und starrte nachdenklich darauf. »Er war nicht immer ein Monster, wißt Ihr? Valentin. Als Kinder haben wir uns gekannt, in denselben Kreisen verkehrt, dieselben Parties besucht. Er kam mir damals … ganz normal vor. Nichts Ungewöhnliches. Keine Spur von dem Psychopathen, zu dem er mal werden sollte. Nur ein Junge wie alle anderen, vielleicht ein bißchen ruhiger als die meisten.

Mir sehr ähnlich. Wir waren nie richtige Freunde, aber ich kann mich an schöne Zeiten erinnern, die wir gemeinsam verlebten. Dann sind wir unterschiedlicher Wege gegangen, um als Wolf und als Todtsteltzer ausgebildet zu werden, und ich habe ihn jahrelang nicht wiedergesehen. Und manchmal ertappe ich mich bei der Frage, wie zwei einander so ähnliche Kinder zu so verschiedenen Erwachsenen werden konnten.«

»Leute verändern sich nun mal«, gab Hazel zu bedenken.

»Ob sie es wollen oder nicht. Das Leben schreibt unseren Text, und wir erhalten nur hin und wieder Gelegenheit, improvisierte Zeilen einzubauen.«

Owen sah sie an. »Aber Hazel, das war ja beinahe tiefsinnig.«

»Sprich nicht von oben herab mit mir, Todtsteltzer. Ich habe einen Verstand. Ich habe das eine oder andere Buch gelesen.

Wenn ich nichts anderes zu tun hatte. Ich wollte nur sagen, daß das Universum uns verändert, selbst während wir dabei sind, das Universum zu verändern. Sieh dich mal an: Du bist nicht der Mensch, der du früher warst, nicht mal der von vor wenigen Jahren. Gott sei Dank. Der Owen Todtsteltzer, den ich dort unten vor dem sicheren Tod gerettet habe, unterscheidet sich erheblich von dem offiziellen Helden, der ein Imperium gestürzt hat.«

»Ich weiß«, sagte Owen. »Genau das ist es, was mir Kummer macht.«

»Gräme dich nicht darüber«, empfahl ihm Hazel. »Er war wirklich ein hochnäsiger kleiner Schnösel.«

Owen zog eine Braue hoch. »Warum seid Ihr dann bei ihm geblieben?«

Hazel lächelte. »Ich glaubte, gute Anlagen in ihm zu entdecken.«

Owens Mundwinkel zuckten. »Ich hatte ähnliche Gedanken, was Euch angeht.« Und er runzelte erneut die Stirn.

»Ach verdammt, Owen, was ist denn jetzt? Ich schwöre, daß du mehr Möglichkeiten hast als jeder andere, dich selbst zu deprimieren.«

»Ich mußte nur an Finlay Feldglöck denken. Wir hätten ihn zu dieser Fahrt mitnehmen sollen.«

»Darüber haben wir uns doch schon unterhalten, Owen. Er ist ein Besessener. Er hat geschworen, an Valentin Rache zu nehmen. Hat beim eigenen Blut und der eigenen Ehre den Eid abgelegt, ihn umzubringen. Falls wir uns dort unten Möglichkeiten offenhalten möchten, können wir uns nicht leisten, den Feldglöck irgendwo in der Nähe zu haben. Er war schon immer…  unberechenbar. Man hat versucht, ihn als Kopfgeldjäger einzusetzen, aber er hat die Leute immer nur tot zurückgebracht. Manchmal in Einzelteilen. Zuletzt habe ich gehört, daß seine Freundin Evangeline Shreck versuchte, sein Interesse an der Politik zu wecken. Gott stehe dem Parlament bei, mehr fällt mir dazu nicht ein.«

»Er hat an unserer Seite gekämpft. Er war ein Held der Rebellion, genau wie wir. Und Valentin hat seine ganze Familie ausgelöscht. Für mein Gefühl ist es nicht richtig, ihn aus dieser Sache auszuschließen.«

»Owen, wir kennen den Mann kaum. Du bist es doch, der Valentin lebendig zurückbringen möchte. Wäre der Feldglöck dabei…«

»Ja, ich weiß. Aber falls wir Geheimnisse haben vor Leuten, die angeblich unsere Kameraden sind, was enthalten sie dann uns vor?«

»Ach verdammt«, sagte Hazel geringschätzig, »jeder hat Geheimnisse.«

Wie sich das anhörte, bemerkte sie erst, als die Worte heraus waren, und sie hielt für einen Moment die Luft an, bis Owen brummte und sich abwandte, um die Sensorenergebnisse auf dem Hauptbildschirm zu studieren. Hazel ließ die Luft langsam heraus, damit Owen es nicht hörte, und versuchte sich zu entspannen. Selbst heute noch enthielt sie ihm das eine oder andere vor, teils, weil sie ihn nicht aufregen wollte, teils, weil sie nach wie vor an das Prinzip glaubte, die eigenen Angelegenheiten für sich zu behalten. Seit sie zum erstenmal das Labyrinth des Wahnsinns auf der Wolflingswelt durchschritten hatte und für immer verändert worden war, machten ihr Träume zu schaffen. Zunächst waren es nur beunruhigende Bilder gewesen, aber heute verfolgten sie die Träume immer hartnäckiger bis in die wache Zeit, und sie wurde den Gedanken einfach nicht los, daß sie etwas zu bedeuten hatten. Etwas Wichtiges.

Inzwischen träumte sie jede Nacht klar und deutlich, und sie wußte nicht, ob sie die Vergangenheit oder die Zukunft sah. Es hatte den Anschein, als entwirrte sich die Zeit in Hazels Kopf, in den dunkelsten Stunden der Nacht, wenn sie am wenigsten geschützt war. Etwas in ihrem Verstand zeigte ihr Dinge und ließ einfach nicht zu, daß sie sich davon abwandte.

Auf Nebelwelt hatte sie von der imperialen Invasion geträumt, nur Stunden, ehe sie tatsächlich passierte.

Vergangene Nacht hatte sie drei Träume gehabt, einen nach dem anderen. Der erste handelte von den Blutläufern, den üblen Bewohnern der dunklen Obeah- Welten, weit draußen am Abgrund, wo niemand sonst hinfuhr. Die Blutläufer hatten einmal versucht, Hazel für ihre nie endenden Experimente über die Natur des Leidens und der Existenz zu entführen. Damals rettete Owen Hazel, griff mit seinen Gedanken über zahllose Lichtjahre hinaus und streckte den Anführer nieder. In dem Traum hatten die Blutläufer sie mit wissenden, grausamen Augen gemustert, mit entsetzlicher Geduld auf sie gewartet. Sie hielten etwas in der Hand. Etwas Scharfes.

Dann träumte sie von der Burg der Familie Owens auf Virimonde, Dort folgte sie den leeren Steinkorridoren, die ihr mühelos vertraut waren, obwohl sie nie zuvor dort gewesen war.

Es war bitterkalt, kalt wie in einem Grab, und Blut rieselte von den Wänden und verschmutzte die uralten Wandbehänge und die vorzüglichen Teppiche. Etwas lauerte hinter der nächsten Ecke und tief unter ihr, etwas Furchtbares.

Und schlußendlich träumte sie, sie stünde allein auf der Brücke der Sonnenschreiter II, während ringsherum die Hölle ausbrach. Von allen Seiten griffen Schiffe an, mehr als man zählen konnte, überwältigten ihre Abwehreinrichtungen, obwohl Hazel heftigen Widerstand leistete. Sämtliche Alarmsirenen heulten, und die Geschütze der Sonnenschreiter II feuerten unaufhörlich. Nirgendwo entdeckte Hazel eine Spur von Owen.