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»Ihr habt recht«, sagte Owen. »Aber es hilft nicht. Ich hätte hier sein sollen.«

»Dann wärst du jetzt auch tot. Möchtest du das?«

»Manchmal. Mein altes Ich ist tot. Ich habe es irgendwo auf der langen Straße der Rebellion verloren, die mich an Löwensteins Hof führte. Ich vermisse es. Es hat mir viel besser gefallen als die Tötungsmaschine, zu der ich geworden bin.«

»Fang nicht wieder damit an. Veränderung ist nicht gleich Tod.«

»Es geschah für Virimonde. Dieser Planet diente einmal der Nahrungsproduktion. Was wir hier an Getreide und Vieh zogen, hat Menschen überall im Imperium ernährt. Wer gibt ihnen jetzt zu essen? Seht euch nur um, Hazel. Sie haben diese Welt getötet.«

»Du könntest neu anfangen. Pumpe genug Mikroorganismen in die Erde, bringe die richtige Saat aus, und diese Welt könnte wieder blühen. Mit der Zeit.«

»Vielleicht. Aber es wäre nicht dasselbe. Es wäre nicht die Welt, die ich gekannt habe.«

Hazel schüttelte ärgerlich den Kopf. »Alles läuft immer auf dich hinaus, was, Todtsteltzer? Typischer Aristo, der alles selbstbezogen betrachtet. Virimonde ist nicht der einzige Planet, der nach den Launen der Imperatorin Prügel bezogen hat.

Wegen solcher Dinge haben wir die Rebellion ausgefochten, erinnerst du dich?«

Owen bemühte sich ihr zuliebe um ein Lächeln. »Ich weiß.

Ich habe nur Selbstmitleid. Eigentlich habe ich nicht das Recht dazu, schätze ich. Mein Volk hat alles verloren. Aber ich kann es wenigstens rächen. Valentin wird für das bezahlen, was er hier angerichtet hat. Ich werde zusehen, wie er stirbt, wie er langsam stirbt, und zur Hölle mit den Konsequenzen.«

Hazel versetzte ihm einen kräftigen Klaps auf die Schulter.

»Das gefällt mir schon besser. Wenn schon nichts sonst, bleibt immer die Rache.«

»Ihr seid eine Frau, die die einfachen Freuden schätzt, Hazel.«

»Das denkst du wohl, du Hengst.« Sie lächelte Owen an, und er konnte nicht umhin, das Lächeln zu erwidern.

Sie standen eine Zeitlang zusammen, genossen den Augenblick der Gemeinsamkeit. Die Welt war ganz still, und nicht einmal das Flüstern einer Brise störte die Leichenruhe. Owen und Hazel blickten sich langsam um, und nichts blickte zurück.

Hazel runzelte plötzlich die Stirn.

»Was ist?« fragte Owen.

»Ich hasse es, wenn ich morbide klinge… aber müßten hier nicht verdammt viele Leichen herumliegen? Oder Leichenteile oder… irgendwas? Aber ich sehe auf Kilometer hinaus nur Schlamm.«

»Das hat etwas für sich«, sagte Owen langsam. »Es wirkt ein wenig ordentlich, oder? Ich wußte gar nicht, daß jemand schon einen Trupp zum Aufräumen geschickt hat. Wartet mal eine Minute.« Er wandte sich an seine KI. »Oz, wo sind all die Toten?«

»Ich will verdammt sein, wenn ich das wüßte, Owen. Den Berichten zufolge fand genau hier eine größere Schlacht zwischen den Bauern und den Invasionstruppen statt.«

»Untersuche mal die Gegend, Oz. Finde ein paar Leichen für mich.«

»Bin schon dabei. Das ist aber interessant. Ich entdecke da ein paar verweste tierische Überreste, die in den Schlamm hineingemischt sind, aber nirgendwo eine Spur von menschlichen Überresten in irgendeiner Form. Ich kann mir das nicht erklären.«

»Also was zum Teufel ist mit den Toten passiert? Könnte Shub zu Besuch gekommen sein, um Rohmaterial für seine Geistkrieger zu suchen?«

»Unwahrscheinlich«, antwortete die KI. »Auch wenn man bedenkt, wie verstreut die imperiale Flotte zur Zeit ist, wäre ein solcher Besuch kaum unbemerkt geblieben. Und was eine Aufräummannschaft angeht, das kannst du vergessen. Zur Zeit gibt es nicht mal genügend Personal, um für die Bedürfnisse der Lebenden zu sorgen, geschweige denn die der Toten. Es sei denn… Valentin hätte sie entfernen lassen.«

»Warum sollte er das tun?«

»Um zu demonstrieren, daß es ihm leid tut? Um Wiedergutmachung zu leisten?«

Hazel mischte sich ein und wollte wissen, was Oz sagte.

Owen erklärte es ihr, und sie schnaubte geringschätzig. »Das kannst du vergessen. Valentin hat sich noch nie im Leben für irgendwas entschuldigt.«

»Aber ich wette, er weiß, was hier passiert ist«, sagte Owen.

»Das wäre genau die Art Vorfall, über die er informiert sein möchte. Also schätze ich, werden wir uns nur durch den Schlamm zu meiner alten Burg schleppen, ihn am Kragen hervorzerren und fragen müssen.«

»Klingt für mich nach einem guten Plan«, sagte Hazel. »Ist es okay, wenn ich ihm meine Knarre ins Ohr stecke, während du ihn verhörst?«

»Seid mein Gast.«

Owen machte sich auf, das Meer aus aufgewühltem Schlamm in der Richtung zu durchschreiten, in der er seine alte Burg vermutete. Ein grauer Schleier von grimmiger Rätselhaftigkeit täuschte den Sinn für Entfernungen. Laut Oz lag Owens altes Zuhause nur wenig über drei Kilometer entfernt, so daß er und Hazel sich unmittelbar außerhalb der Burgsensoren befanden.

Es sei denn, Valentin hatte sie auch hochfrisiert. Owen lächelte humorlos. Es bedeutete einen Dreck, wenn Valentin es getan hatte. Sollte er ruhig wissen, daß sich ihm der Tod näherte.

Vielleicht standen Owen und Hazel zu zweit gegen eine unbekannte Zahl von Feinden, aber Owen war es egal. Selbst eine Armee konnte ihn jetzt nicht mehr aufhalten. Als ihm dieser Gedanke kam, blieb er abrupt stehen und machte ein finsteres Gesicht. Immer häufiger ertappte er sich bei Gedanken, die ihm Angst machten. Er fragte sich, was aus ihm wurde. Die Veränderungen, die das Labyrinth des Wahnsinns in ihm ausgelöst hatte, schienen sich glatt noch zu beschleunigen. Zuerst hatten sie ihm nur mehr Biß verliehen, dann zu einem Mann mit unbekannten ESP-Fähigkeiten gemacht, aber seit langem schon war er nicht mehr nur ein Mensch. Er ließ die menschliche Natur hinter sich und war sich dessen bewußt, und es machte ihm Angst. Vielleicht klammerte er sich deshalb so verzweifelt an die alten, menschlichen Vorstellungen von Ehre und Gerechtigkeit.

Er seufzte müde. Er hatte sich weit entfernt von dem kleinen Historiker, als der er früher hier gelebt hatte. Aber er hatte schließlich alles verloren, als man ihn zum Gesetzlosen erklärte, und keine andere Wahl mehr gehabt, als sich zu dem Krieger zu entwickeln, den sich sein Clan immer gewünscht hatte. Er hatte etwas verkörpern müssen, was er am meisten verachtete, um nicht zu sterben. Er erreichte viel auf diesem Weg, bestrafte Übeltaten und übte Gerechtigkeit in großem wie in kleinem Maßstab, aber am Ende hatte ihm einfach Blut an den Händen geklebt… Meist von Menschen, die den Tod verdient hatten, aber eben nicht nur. Auf jeden eindeutigen Schurken, der von seiner Hand gestorben war, kamen hundert Menschen, die einfach nur als Soldaten Befehlen gehorcht und getan hatten, was sie für das Richtige hielten. Die ein korruptes Imperium verteidigten, weil ihnen alle Alternativen als noch schlimmer erschienen. Tapfere Kämpfer, die starben, weil sie das Pech hatten, zwischen Owen Todtsteltzer und seiner Bestimmung zu stehen.

So viele Tote ohne Gesichter. Zuzeiten träumte er von ihnen.

Da war ein Kind, das er auf den schmutzigen Seitenstraßen von Nebelhafen verstümmelt und getötet hatte. Ein Unfall. Und das Mädchen hatte obendrein in diesem Moment versucht, ihn umzubringen. Aber nichts davon bedeutete etwas. Er hatte im Kampfesrausch blindwütig zugeschlagen, und das Ergebnis war ein junges Mädchen, das im blutbespritzten Schnee lag.

Das hatte er sich nie vergeben, und er würde es sich auch nie vergeben. Falls der Krieger, zu dem er geworden war, irgendeinen Sinn hatte, dann den, das System zu beseitigen, das solche Kinder hervorbrachte. Und vielleicht, Menschen wie sie vor Leuten wie ihm zu schützen.

Genau diese Bedeutung hatte es, ein Todtsteltzer zu sein.

Er blickte kurz zu Hazel hinüber, die entschlossen neben ihm ausschritt. Das lange, verfilzte rote Haar fiel ihr rings um das scharf gezeichnete und spitze Gesicht. Vielleicht nicht hübsch im konventionellen Sinn, aber andererseits glaubte Hazel D’Ark nicht an das Konventionelle, wenn sie es vermeiden konnte. Owen fand sie hübsch, aber er war schließlich voreingenommen. Er liebte sie still und insgeheim. Sie war überhaupt nicht die Art Frau, von der er einmal geglaubt hatte, er würde sich in sie verlieben, und sicherlich nicht die Art Frau, die zu heiraten man von ihm erwartete, um die jahrhundertealte Todtsteltzerlinie fortzusetzen, aber trotzdem liebte er sie. Ungeachtet all der genannten Überlegungen, oder vielleicht aufgrund von ihnen. Hazel war gescheit und witzig, auch ehrlich, wenn es ihr paßte, und die tapferste Frau, die er je kennengelernt hatte. Ganz zu schweigen davon, daß sie teuflisch gut mit jeder Waffe umgehen konnte, die einem nur einfiel. Er bewunderte sie enorm, achtete aber darauf, es für sich zu behalten. Sie hätte es nur ausgenutzt. Sie war zuversichtlich, wenn er verzagte, vorsichtig, wenn er es zu sein vergaß, und sie vergaß niemals, wofür sie kämpften. Und er wußte: Falls er je das Wort Liebe erwähnte, würde sie ihn glatt verlassen. Hazel hatte bei mehr als einer Gelegenheit deutlich gemacht, daß sie an solche Dinge wie die Liebe nicht glaubte. Sie schränkten ein, machten verwundbar und führten zu Themen wie Verpflichtung und Vertrauen und Offenheit, von denen keines in Hazels Leben einen Platz hatte. Also nahm Owen einfach an, was sie ihm zu eigenen Bedingungen an Wärme und Freundschaft anbot, und hoffte weiter. Sie waren zusammen, und wenn das alles war, was er erhalten konnte, dann war es immer noch mehr, als er je zuvor gehabt hatte.