Выбрать главу

Genau deswegen hatte er ja auch den Beinamen Witwenmacher erhalten, obwohl er nur hinter seinem Rücken ge-flüstert wurde. Der neue Dram war nicht ganz sicher, ob er diese Rolle ausfüllen konnte. Jedenfalls fiel es ihm nicht leicht, Leben auf diese Art einfach wegzuwerfen. Aber wenn er sich nicht genauso verhielt wie der ursprüngliche Dram oder nicht wenigstens den Anschein erweckte, dann würde man vielleicht herausfinden, daß er nicht derjenige war, für den er sich ausgab. Bei Hofe gab es schon jetzt entsprechende Gerüchte. Falls man ihn jemals als Klon enttarnte, würde sein kurzes Leben ein frühes und gewaltsames Ende finden. Ein Klon, der einen Mann von Macht und Einfluß ersetzte – das war einer der schlimmsten Alpträume der Lords.

Wenn es ihm allerdings gelang, diese Sache durchzustehen – die Bauern niederzuschlagen, die Kontrolle über die Nah-rungsmittelproduktion zurückzugewinnen und seine Truppen unter den Augen aller zum Sieg zu führen –, dann hatte die Löwenstein ihm die Lordschaft über Virimonde versprochen.

David Todtsteltzer hatte seinen Anspruch in dem Augenblick verwirkt, in dem er die ersten Anfänge einer Demokratie auf seiner Welt gestattet hatte. Natürlich war es keine besondere Lordschaft – die Löwenstein hatte Pläne mit Virimonde, die den Titel zu wenig mehr als einem Ehrentitel machten –, doch trotz seiner Position bei Hofe als Oberster Krieger und offizieller Prinzgemahl der Imperatorin hatte Dram stets gewußt, daß ein Lord ohne Ländereien kein richtiger Lord war. Das würde Virimonde ändern. Und die Veränderungen auf dem Planeten würden ihn mit der Zeit zu einem der reichsten Männer des Imperiums machen. Also stand eine ganze Menge auf dem Spiel.

Dram lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloß die Augen. Er wünschte sich, er könnte den Rest der Welt einfach verschwinden lassen. Valentin Wolfs Gegenwart war ein Problem, auf das er sehr gut hätte verzichten können. Der Wolf und der ursprüngliche Dram hatten insgeheim in der Untergrundbewegung von Golgatha mitgemischt und hatten gewis-sermaßen eine gemeinsame Vergangenheit, von der Dram der Klon nur sehr wenig wußte. Jedesmal, wenn er mit Valentin sprach, riskierte er, sich zu verraten, weil ihm vielleicht eine Anspielung oder eine gemeinsame Erfahrung entging. Also achtete er den größten Teil der Zeit sorgfältig darauf, Distanz zu dem Wolf zu wahren und ließ Valentin denken, was er wollte. Eine gewisse Kälte war schließlich bei Dram normal und wurde erwartet. Der ursprüngliche Dram hatte den Untergrund von Golgatha ja auch an die Sicherheitskräfte verraten. Aber was mochte Valentin Wolf sonst noch über den Hohen Lord Dram wissen, was seinem Klon entgangen war? Der ursprüngliche Dram hatte ausführliche Tagebücher hinterlassen, doch es gab sicher eine ganze Reihe von Dingen, die niederzuschreiben er zu vorsichtig oder zu schlau gewesen war, weil sie im Fall einer Entdeckung gegen ihn verwendet werden konnten. Dram der Klon seufzte resignierend. Das Leben als Klon war schon schwer genug, auch ohne die Tatsache, daß das Original ein verschlagener, heimtückischer und doppelzüngiger Bastard gewesen war.

Der Nachrichtenmann Tobias Shreck, in besseren Tagen auch als Tobias der Troubadour bekannt, traf zusammen mit seinem Kameramann Flynn in einer großen hölzernen Kiste auf dem Planeten Virimonde ein. Die Kiste war außen mit dem Aufdruck Maschinenteile gekennzeichnet. Der Abstieg durch die Atmosphäre in dem dunklen, eisigkalten Hangar des Frachtschiffs war ein immer schlimmer werdender Alptraum aus Stoßen und Rütteln. Tobias hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und den Kopf zwischen die Beine gelegt, um sich nicht dauernd an dem niedrigen Kistendeckel zu stoßen. Er klammerte sich mit den Händen grimmig an die eigens dazu ge-schaffenen Handgriffe und lenkte sich ab, indem er sich böse Todesanzeigen für die Bastarde ausdachte, die auf die Idee gekommen waren, Flynn und ihn auf diese Weise nach Virimonde einzuschleusen.

Im Grunde genommen war es seine eigene Schuld. Nach den Traumata und Tränen und der verdammt harten Arbeit der Berichterstattung von drei aufeinanderfolgenden Kriegsschauplätzen hatten Tobias und Flynn sich förmlich danach gesehnt, eine Reportage von einem Ort zu liefern, wo man nicht unablässig auf sie schoß. Und als der Rat der Untergrundbewegung ihnen angeboten hatte, zu einer bäuerlichen Agrarwelt weitab vom Geschehen, irgendwo im Hinterhof des Imperiums zu gehen, da hatten Tobias und Flynn sich gegenseitig zu übertrumpfen gesucht, wer am schnellsten Ja! rufen konnte. Der Auftrag war den beiden wie ein Kinderspiel erschienen. Sie sollten eine Studie des friedlichen ländlichen Lebens auf Virimonde abliefern, das von der wachsenden Mechanisierung der Nahrungs-mittelproduktion bedroht war. Sie sollten dokumentieren, wie jahrhundertealte Traditionen und der Lebensunterhalt hilfloser Menschen durch die verantwortungslose Imperiale Verwaltung zunichte gemacht wurden. Es war die Sorte Geschichte, die Tobias und Flynn auf dem Kopf stehend und mit verbundenen Augen hätten abliefern können, wären da nicht ein paar private Vorbehalte gewesen. Nach Tobias’ Erfahrung tendierten lange bestehende ländliche Kommunen zur Inzucht, sowohl was die Menschen, als auch was ihre Vorstellungen anging. Das Ergebnis waren Gesellschaften, die sich jeder Veränderung wi-dersetzten, egal ob zum Guten oder Schlechten, und Familien mit weniger als der üblichen Anzahl Augen im Kopf, einem völlig Verblödeten in ihrer Mitte und einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten, der in der Höhe der Zimmertemperatur – wenn auch in Fahrenheit lag. Lieblingssportarten: Den Ochsen des Nachbarn verführen, Katzen von hohen Dächern werfen, um herauszufinden, ob sie tatsächlich auf allen vieren landeten und Hexenverbrennungen – oder Journalisten, wenn keine Hexen zur Hand waren. Aber selbst unter Berücksichtigung all dessen mußte Virimonde einfach besser sein als Technos III, die Nebelwelt oder Hakeldamach. Also packte Flynn seine verführerischste Unterwäsche ein, und Tobias schmiedete Pläne für ausgedehntes Faulenzen und so wenig Arbeit wie nur irgend möglich. Schließlich gingen sie an Bord des Schiffes nach Virimonde. Tobias schwante in dem Augenblick zum ersten Mal, daß die Dinge doch nicht so laufen würden wie geplant, als der Kapitän sie beide mit hinunter in den Frachthangar nahm und ihnen die große Holzkiste mit dem Aufdruck Maschinenteile zeigte.

Nach einer Ewigkeit in völliger Finsternis, unendlich vielen gemurmelten Flüchen und der gelegentlichen Unsicherheit, wo oben und wo unten war, landete das Frachtschiff schließlich auf dem Raumhafen. Lange Zeit geschah gar nichts; dann wurde die Kiste ausgeladen und mit nach Tobias’ fester Überzeugung unnötig großer Wucht zu Boden gelassen. Dann wieder nichts, bis auf das Geräusch des startenden Frachtschiffs. Tobias wartete nervös schwitzend im Dunkel. Nur wenig Licht strömte durch die Ritzen in der Kiste. Sie wußten nicht, wo sie landen würden, oder ob freundliche Helfer in der Nähe waren.

Sie konnten auch von einer ganzen Horde schwer bewaffneter Zollbeamter ohne jeglichen Sinn für Humor umgeben sein.

Plötzlich wurden sie in ihrer Kiste durchgerüttelt, und Brech-stangen attackierten den Deckel. Dann wurde es unvermittelt hell, und grelles Sonnenlicht strömte herein . Tobias riß instinktiv die Hände vors Gesicht, um die tränenden Augen abzuschir-men. Schwielige Hände packten ihn grob, hoben ihn heraus und stellten ihn auf die Beine. Tobias öffnete vorsichtig die Augen und blickte in ein freundlich grinsendes Gesicht. Er hätte es küssen mögen; doch er tat es nicht. Er wollte nicht, daß Flynn auf dumme Gedanken kam.

Auf Virimonde herrschte früher Abend, und zwischen den dunkler werdenden Wolken leuchtete der Himmel in intensi-vem Rot. Die Dämmerung näherte sich rasch, und in der kühlen Luft hing ein erwartungsvolles Schweigen. Tobias und Flynn gingen draußen vor dem Farmhaus der Dakers auf und ab und bemühten sich, die verkrampften Muskeln in Rücken und Beinen wieder ein wenig zu entspannen. Die Luft roch wundervoll klar und unverschmutzt, wenn man von dem reich-haltigen Aroma des Dungs der verschiedenen Arten von Nutz-vieh absah, das auf dem Hof gehalten wurde.