»Bauern!« antwortete Jenny verächtlich. »Sie wissen uns nicht zu schätzen. Das haben sie nie. Keiner von ihnen sieht weiter als bis zur nächsten Lämmerzeit oder Ernte, und sie machen sich nichts aus Mode, Stil oder Kunst und all den Dingen, die wirklich zählen. Und keiner von ihnen weiß, wie man eine Dame behandelt. Mein Gott, wie ich diese Gegend hasse! Ich will hier weg, weg von dieser Müllkippe, dieser Stadt, diesem ganzen stinkenden Planeten. Kit wird mich mit nach Golgatha nehmen. Er weiß es noch nicht; aber er wird mich mitnehmen.
Er ist meine Fahrkarte nach draußen!«
»Ich weiß nicht, wie du ihn ertragen kannst«, sagte Alice.
»Ich meine, er ist Davids Freund, also muß er auch seine guten Seiten haben, aber ich schwöre dir, manchmal sehe ich ihn an und kriege eine Gänsehaut. Er bedeutet Ärger. Er ist gefährlich.
Man sagt, er habe in der Arena von Golgatha eine ganze Menge Männer getötet.«
»Das hat David auch«, entgegnete Jenny. Sie trank den letzten Rest aus ihrem Krug und stellte ihn krachend auf die Tischplatte. »Meine Güte, ich würde so gerne die Arena besuchen! Zusehen, wie Männer zu meinem Vergnügen miteinander kämpfen und sterben! Direkt vor meinen Augen, nicht auf dem Holoschirm. Außerdem ist Kit gar nicht so übel, ehrlich nicht. Er ist großzügig und stellt keine Forderungen. Vielleicht ein wenig abartig im Bett, aber er ist schließlich auch ein Aristo. Nicht, daß mich das stören würde. Ich könnte ihm sicher noch die eine oder andere Sache zeigen.«
»Abartig?« erkundigte sich Alice grinsend. »Was meinst du mit abartig?«
Jenny erwiderte das Grinsen. »Nun, sagen wir einfach, Kit sieht mich am liebsten von hinten.«
»Jenny!« Alice versuchte schockiert dreinzublicken, doch es gelang ihr nicht. Die beiden begannen zu kichern und warfen Seitenblicke auf die Jungs, um sicherzugehen, daß sie noch immer sanft schlummerten.
»Und was ist mit David?« erkundigte sich Jenny schließlich.
»Hat er auch seine kleinen… Vorlieben oder Abneigungen?«
»Nicht wirklich«, antwortete Alice. »Ich glaube ehrlich gesagt, er hat nicht viel Erfahrung mit Frauen. Er wird in den merkwürdigsten Augenblicken scheu. Aber ich denke, er mag mich. Ich meine, er mag mich wirklich. Der Süße.«
»Kit ist da anders«, sagte Jenny. »Und dafür bin ich entschieden dankbar. Gefühle würden unsere Beziehung nur ver-komplizieren. Ich nehme von ihm, was ich kriegen kann, und das weiß er auch. Wir haben eine schöne Zeit, guten Sex, und keiner stellt Forderungen an den anderen. Ich glaube, Kit wüßte mit Liebe überhaupt nichts anzufangen, nicht einmal mit Zuneigung. Wahrscheinlich würde es ihn nur verwirren, weiter nichts.«
»Er steht David sehr nahe«, sagte Alice und runzelte die Stirn. »Obwohl David mich mag und manchmal sogar liebt, so ist zwischen den beiden eine Nähe, die ich nicht einmal annähernd erreiche. Als hätte keiner der beiden je einen Freund besessen. Trotzdem bin ich diejenige, die David wirklich liebt. Er wird mich sogar heiraten. Auch wenn er es jetzt noch nicht weiß.«
Jenny blickte ihre Freundin scharf an. »Heirat? Vergiß es, Alice. Vergiß es! Ein Bauernmädchen und ein Lord , das Familienoberhaupt eines mächtigen Clans? So etwas passiert nur in den Seifenopern auf dem Holoschirm. Wir sind nicht die, die Lords heiraten, Alice. Wir sind die Gespielinnen, mit denen man sich amüsieren kann, mit allem, was dazugehört. Wir kriegen ein paar gute Lacher und was sonst noch so dabei ab-fällt, und das war dann auch schon alles. Aristos mögen vielleicht Partys mit unsereinem feiern; aber sie heiraten uns nicht.
Sie heiraten nur untereinander.«
»Na gut, dann vielleicht nicht gerade heiraten« , sagte Alice.
»Aber ich könnte doch seine Mätresse werden. Die Konkubine, oder wie auch immer die höfliche Umschreibung heutzutage lautet. Aristos heiraten aus politischen Gründen und wegen des Fortbestands ihrer Clans, nicht aus Liebe. Alles hat mit Allian-zen und gegenseitigen Vorteilen und der Erhaltung der Blutlinien zu tun, aber nie mit Liebe. Vielleicht bekommt eine andere Frau seinen Namen; aber sein Herz gehört immer noch mir.«
»Auch wenn er im Bett nicht besonders gut ist?«
»Das könnte ich ihm beibringen.«
»Soll das vielleicht heißen, daß ich nicht dein süßer kleiner Deckhengst bin?« sagte David.
Die beiden Frauen zuckten unwillkürlich zusammen und wandten sich um. David lag auf den Ellbogen gestützt da und musterte sie mit verschlafenem Blick.
»Wie lange bist du schon wach?« fragte Alice in strengem Tonfall.
»Lange genug«, gähnte David. »Wirklich sehr aufschlußreich, worüber Frauen sich unterhalten, wenn sie meinen, niemand hört ihnen zu.«
»Was ist mit Kit?« fragte Jenny »Schläft der wenigstens noch?«
»Wer kann schon schlafen, wenn ununterbrochen irgend jemand redet?« sagte der Sommer-Eiland und setzte sich auf. Er fuhr sich mit den Fingern durchs wirre Haar, schmatzte ein paarmal und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich könn-te schwören, das jede Nacht irgend etwas in meinen Mund kriecht und darin stirbt. Ich brauche dringend noch einen Drink.«
»Nein, brauchst du nicht«, sagte Jenny bestimmt. »Leg dich wieder hin und schlaf erst mal den Rausch aus, den du noch hast.«
»Machst du dir wirklich etwas aus mir?« fragte David und sah Alice aus großen Augen an.
»Ja«, antwortete Alice und lächelte. »Hab’ ich dir das nicht oft genug gesagt?«
»Ich muß es immer wieder hören«, erwiderte David. »Ich bin wirklich sehr schüchtern.«
»Alle Männer wünschen sich, geliebt zu werden«, erklärte Jenny. »Eine sehr einträgliche Schwäche, jedenfalls für uns Frauen.«
»Ich nicht«, sagte Kit. »Ich wüßte gar nicht, was ich mit Liebe anfangen sollte.«
»Stimmt, aber du bist ja auch ein wenig wirr«, entgegnete David .
Die beiden jungen Männer grinsten sich an, warfen die Um-hänge beiseite, die ihnen als Decken gedient hatten, und rappelten sich unter Ächzen und Stöhnen auf. Sie befanden sich genau in der verschwommenen Phase zwischen Trunkenheit und Kater. Sie setzten sich zu ihren Mädchen und gossen sich Ale aus dem großen Krug mitten auf dem Tisch in ihre Becher.
Es war warm und schmeckte abgestanden; aber so war das Leben halt manchmal. Die Taverne wirkte kühl und ruhig und irgendwie abgeschieden vom Rest der Welt – jedenfalls so früh am Morgen. David nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Becher und verzog das Gesicht.
»Gott, schmeckt das Zeug widerlich! Ich könnte schwören, daß mein Gaumen sich jedesmal schlafen legt, wenn ich diesen Laden betrete.«
»Wo sind sie denn alle hin?« fragte Kit. »Ich wollte gerade anfangen. Ich kann die ganze Nacht durchmachen, wenn ich will. Ein wenig Aufregung wäre jetzt nicht schlecht .«
»Ich bin hier«, sagte Jenny .
»Ich meine wirkliche Aufregung. Ich vermisse das Kämpfen und die Duelle, die wir auf Golgatha hatten. Hier gibt es niemanden, der einen Kampf wert ist. Welchen Sinn macht es schon, der Beste mit dem Schwert zu sein, wenn man nie die Gelegenheit hat, es auch zu beweisen?«
»Wer sagt denn, daß du der Beste bist?« fragte David. »Du magst vielleicht alle Tricks kennen, aber ich habe meinen Zorn.«
»Eines Tages werden wir es herausfinden müssen«, sagte Kit.
»Ja«, erwiderte David. »Eines Tages.«
Sie grinsten sich an und tranken weiter. »Jetzt mal ehrlich«, meinte David schließlich. »Hast du in der Arena nicht schon genug Blutvergießen gehabt? Ich meine, wir haben in unserer kurzen Zeit auf dem blutigen Sand eine ganze Armee von Gegnern niedergemacht.«