Kit lächelte seine Freundin fröhlich an. »Ich wußte schon immer, daß du eine Frau ganz nach meinem Geschmack bist.«
Valentin Wolf saß entspannt in einem bequemen Sessel in seinem langsamen, gepanzerten Kommandofahrzeug. Er befand sich weitab von allen Kämpfen und beobachtete Tod und Zerstörung und das Gemetzel an der Bevölkerung auf zahlreichen Schirmen, und er war zufrieden. Sämtliche Kommandos und Befehle an die Imperialen Streitkräfte oder die Kriegsmaschinen liefen über seine Systeme und lieferten ihm umfassende Kenntnis vom Fortschritt der Invasion sowie die individuelle Kontrolle über seine Roboterverbände. Valentin saß in einem massiven, isolierten Stahltank, umgeben von Kontrollinstru-menten, und das einzige Licht stammte von den Reihen leuchtender Monitore. Der zehn Fuß große, mit Technik vollgepack-te Kubus wäre der Alptraum eines jeden Klaustrophoben gewesen , doch Valentin störte es nicht im geringsten.
Zahlreiche Drogen rasten durch seine Adern und kämpften um die Kontrolle über seinen Körper und Geist; aber Valentins Wille hielt sie allesamt im Zaum. Bevor er auf Virimonde gelandet war , hatte er schließlich der Versuchung nachgegeben und die Esper-Droge genommen, und sein Verstand hatte sich geöffnet wie die Blüte einer giftigen Blume. Er besaß nun direkte Kontrolle über seine autonomen Körperfunktionen, balancierte ein Hormon gegen das andere aus und schwebte ununterbrochen auf dem höchsten Punkt einer unendlichen Welle.
Und wenn das Universum und die Menschen darin nicht mehr ganz so real schienen – nun, daran war Valentin seit langem gewöhnt. Es war schließlich alles nur eine Frage der Dosie-rung. Er konnte schneller denken, weiter sehen und genauer im voraus planen als je zuvor, sogar während seine Emotionen Kapriolen schlugen und gewaltige Gefühlsstürme gegen die unnachgiebigen Felsen seiner Selbstbeherrschung anbrausten.
Valentin Wolf war in seinem Element, und er genoß es in vollen Zügen. Die Chemie seines Gehirns war so sehr verändert, daß es kein Zurück mehr gab, und er hätte nicht glücklicher sein können.
Menschen und Ereignisse waren vor seinem überscharfen geistigen Auge transparent geworden, bloße Dinge und Informationen, die er zu seinem größtmöglichen Vorteil manipulieren konnte. Valentin konnte zum Imperator werden, wenn er es wollte; doch er war nicht sicher, ob er sich der Mühe unterziehen sollte. Denn trotz all seiner chemischen Höhenflüge war er noch immer auf der Suche nach der ultimativen Droge, dem ultimativen Nervenkitzel und Wunder. Valentin wußte nicht genau, wie sie aussehen sollte oder wo er sie finden konnte, nur daß es sie gab, das stand für ihn außer Zweifel, und daß er sie noch nicht gefunden hatte. Da war noch immer etwas außerhalb seiner Reichweite, ein Schritt, den er noch gehen mußte; Valentin konnte es förmlich spüren. Und er wollte es. Er war bereit, jedes lebende Ding im Imperium dafür zu opfern.
Und bis es soweit war, beschäftigte er sich mit der Zerstörung Virimondes. Es war ein angenehmer, kurzweiliger Zeit-vertreib. Er beobachte seine Kriegsmaschinen bei der Zerstörung ganzer Städte und dem Abschlachten der Bevölkerung, und er lachte still in sich hinein. Sein großer purpurner Mund war eine klaffende Wunde in dem totenblassen Gesicht. Valentin erfreute sich über alle Maßen an dem endlosen Sterben und der Zerstörung , genoß es wie ein Festmahl aus zahlreichen köstlichen Gängen. Er stand im Begriff, ein Monster zu werden, und er wußte es. Er sonnte sich darin.
Die Maschinen gehorchten seinen Befehlen, wurden allein von seinem Willen gesteuert. Seine fortwährende Allianz mit den abtrünnigen KIs von Shub hatte ihm den Zugang zu Technologien eröffnet, die weiter entwickelt waren als alles, was das Imperium je hatte. Das letzte Geschenk war ein Lektronen-system gewesen, mit dessen Hilfe er sein Bewußtsein mit den metallenen Gedanken der Kriegsmaschinen verschmelzen und jede ihrer Erfahrung miterleben konnte. Valentin konnte zu einem Kriegswagen oder zu einem Androiden werden, in einem stählernen Kopf leben und sie steuern, wie er seinen eigenen Körper steuerte. Er konnte mit Hilfe ihrer Sensoren eine ganz neue Welt entdecken, die weit über das hinausging, was seine eigenen beschränkten menschlichen Sinne wahrnahmen.
Er konnte durch Wände brechen, hoch in der Luft über Gebäuden kreisen und auf stählernen Füßen durch Scharen angreifender menschlicher Gegner waten und sie mit stählernen Fäusten niederstrecken. Niemand sonst wäre dazu imstande gewesen; doch Valentins Verstand hatte sich durch Drogen, ESP und die Technologie Shubs so sehr verändert, daß er nicht mehr menschlich war. Valentin hatte sorgfältig darauf geachtet, diese Tatsache vor der Löwenstein zu verbergen. Die Eiserne Hexe war der Meinung, jeder könne die Kriegsmaschinen kontrollieren wie Valentin, sobald er das neue System erst einmal beherrschte. Valentin hatte sie in dem Glauben gelassen, weil es ihm gelegen kam.
Ihr Befehl, Virimonde zu erobern, hatte ihm eine Gelegenheit verschafft herauszufinden, wozu er und seine Technologie imstande waren.
Das Schlachten und Zerstören und das Leiden der Menschen war so herzerfrischend kurzweilig. Valentin fürchtete sich vor der Langeweile, wie vor nichts anderem auf der Welt, und er hatte die meisten gewöhnlichen Sünden und Laster längst bis obenhin satt.
Noch während sein Verstand in den Maschinen weilte, einzeln und in Massen, plante er die nächsten Schritte. Die gleichen Wissenschaftler, die früher den Hohen Lord Dram belie-fert hatten, versorgten inzwischen Valentin mit der Esper-Droge. Valentin hatte eine Kombination aus Drohung und Bestechung eingesetzt, und jetzt war er in ihrem Besitz. Und da der Hohe Lord Dram die unendlich abhängig machende Droge nicht mehr zu benötigen schien, wußte Valentin, daß er nicht der echte Dram sein konnte. Aber wer auch immer er sein mochte, eine Furie war er nicht; Shub hatte ihm das bestätigt, und die KIs hatten keinen Grund, Valentin zu belügen. Also blieben nur zwei Möglichkeiten: Dram war ein Klon, oder ein Fremdwesen hatte seinen Platz eingenommen. Beides eröffnete faszinierende Perspektiven. Für den Augenblick behielt Valentin sein Wissen für sich. Wissen war Macht. Vielleicht würde er zu einem späteren Zeitpunkt sein Wissen gebrauchen, um den falschen Dram zu kontrollieren… oder um ihn zu zerstören. Alles hing davon ab, wie Valentin sich zu jenem Zeitpunkt fühlen würde. Er liebte es, seinen Impulsen zu folgen.
Der Gedanke ließ sein Grinsen noch breiter werden, und er wandte den Blick zu dem Ergebnis seines letzten Impulses. Auf einem Regal stand ein durchsichtiges Glas, das vor Drähten und Anschlüssen nur so starrte , und darin schwamm das , was von dem namhaften Wissenschaftler Professor Wax noch übriggeblieben war, jenem Mann, der nach dem Willen der Löwenstein Valentin bei seinem Einsatz begleiten und assistieren und den Gebrauch der Kriegsmaschinen beobachten sollte.
Valentin hatte sich nicht einen Augenblick lang täuschen lassen. Er erkannte einen Spion auf den ersten Blick. Also hatte er geeignete Schritte unternommen, um sicherzugehen, daß der Professor zwar immer noch alles beobachten, ihn aber nicht mehr stören konnte. Um genau zu sein: Valentin hatte dem Mann den Kopf abgeschlagen, und der Kopf war es, der sich jetzt in dem Glas befand.
Das Gehirn war direkt mit der Kommunikationsanlage von Valentins Kommandofahrzeug verbunden, so daß es alles sehen konnte, was geschah. Anfänglich hatte der Professor laut protestiert und geschrien; doch Valentin hatte einfach den Lautsprecher abgeschaltet, und irgendwann hatte der Kopf aufgegeben. Jetzt beschäftigte er sich die meiste Zeit damit, die Monitore zu beobachten und zu schmollen. Zweifellos würde die Löwenstein ihm wegen dieser Geschichte eine Strafpredigt halten, doch Valentin war ganz sicher, daß er imstande war, ihrem Imperialen Ärger zu entgehen. Es war ihm bisher immer gelungen. Und bis dahin machte sich der Kopf auf dem Regal als Raumdekoration gar nicht schlecht.