Valentin erfreute sich an dem Anblick des langen weißen Haars und des Schnurrbarts, die in der konservierenden Flüssigkeit des Glases schwebten, und an der Art und Weise, wie die Augen hervorquollen, wenn der Professor wütend wurde.
Darüber hinaus war Wax derjenige gewesen, der den größten Teil der Maschinen konstruiert hatte, die jetzt Valentins Befehlen gehorchten; also bestand immer noch die wenn auch kleine Chance, daß Wax’ Kenntnisse sich als nützlich erweisen konnten.
»Wie fühlt Ihr Euch, Professor?« fragte Valentin freundlich.
»Kann ich irgend etwas für Euch tun? Vielleicht wollt Ihr einige der blutigeren Kampfszenen noch einmal sehen?«
»Ich erfreue mich nicht an derartigen Dingen«, kam die steife Antwort des Kopfes durch den Lautsprecher. »Ich bin nicht wie Ihr. Ich interessiere mich für nichts anderes als für die Leistungen meiner Kreationen.«
»Ich hätte Euch im Leben nicht für zimperlich gehalten, Professor«, sagte Valentin. »Jedenfalls nicht nach den Tausenden von Tieren, die Ihr im Laufe Eurer Tests verstümmelt, zerfetzt und in den Tierhimmel geschickt habt, um die Fehler und Schwachstellen Eurer wunderbaren Maschinen auszumerzen.
Betrachtet doch die Rebellen hier einfach als besonders große Laborratten.«
»Die Rebellen sind mir egal«, erwiderte Wax. »Ihr Schicksal läßt mich vollkommen kalt. Mir interessiert einzig und allein, wie sich meine Maschinen schlagen.«
»Es sind nicht Eure Maschinen, Professor. Nicht mehr. Erst die technischen Erweiterungen, die ich in Eure Maschinen eingesetzt habe, versetzten sie in die Lage, im Feld zu bestehen.
Deswegen hat die Imperatorin mir ja auch den Befehl übertragen. Ich bin der Befehlshabende, und Ihr seid ein Kopf im Glas. Wollt Ihr vielleicht die Maschinen mit Hilfe meiner Kommlinks beobachten?«
»Ihr wißt ganz genau, daß ich das nicht kann! Ich glaube, niemand kann das außer Euch. Was ich im Grunde genommen sehr merkwürdig finde. Ihr nicht auch, Wolf? Weder Ihr noch die von Euch finanzierten Labors haben jemals etwas Vergleichbares produziert, und das bedeutet, daß Ihr Hilfe gehabt haben müßt. Hilfe von außerhalb. Ich frage mich von wem, Wolf. Ist es möglich, daß Ihr die Identität Eurer Komplizen deswegen geheimhaltet, weil Ihr wißt, daß die Löwenstein nicht erfreut wäre? Mit wem habt Ihr Eure schmutzigen Geschäfte gemacht, Wolf?«
»Ihr betretet gefährliches Gebiet, Professor«, sagte Valentin leise. »Ich gebe Euch den guten Rat, die Sache auf sich beruhen zu lassen, solange Ihr noch dazu in der Lage seid.«
»Oder was? Wollt Ihr mir vielleicht den Kopf abschlagen und in ein Marmeladenglas stecken?«
»Es gibt schlimmere Dinge, die Euch zustoßen könnten, Professor«, entgegnete Valentin. »Glaubt mir, viel schlimmere Dinge.«
Der Kopf im Glas murmelte ein paar unverständliche Worte und verstummte dann. Er schmollte wieder. Valentin grinste und konzentrierte sich wieder auf seine mentale Verbindung mit den Kriegsmaschinen. Im einen Augenblick war er ein Kampfandroid, der über ein frisch gepflügtes Feld stapfte. Das Gewicht des stählernen Kolosses ließ die Füße tief in die weiche Erde einsinken. Valentin griff mit seinem Bewußtsein nach draußen und war plötzlich ein ganzes Dutzend metallener Männer, dann eine Hundertschaft, die im Gleichschritt über das weite Feld marschierte. Ihre Füße hoben und senkten sich in vollendetem Gleichschritt, hundert Roboter mit menschlichen Formen und einem einzigen Ziel vor Augen, und sie bewegten sich wie ein Mann.
Sie marschierten über den Horizont hinaus und in eine Stadt.
Rebellen stürmten hervor und stellten sich den Angreifern mit Farmgeräten und gelegentlich mit einer Projektilwaffe. Klingen und Kugeln prallten wirkungslos von den stählernen Kolossen ab. Die Roboter packten die Rebellen und rissen ihnen die Gliedmaßen aus, eins nach dem anderen, brachen ihnen die Hälse mit stählernen Handkantenschlägen und rissen ihnen mit gezackten Metallhaken die Eingeweide heraus. Es war unvermeidlich, daß auch die Roboter ein paar Schäden davontrugen; doch solange auch nur noch ein Funken Energie in ihren System war, drängten sie weiter vor, marschierten, humpelten oder krochen auf den Rümpfen und hielten nicht einen Augenblick inne. Männer, Frauen und Kinder starben schreiend unter den stählernen Händen, und Valentin war mittendrin.
Er hatte sich gewundert, warum die KIs von Shub dar auf bestanden hatten, ihm dieses ganz spezielle Geschenk mitzugeben; doch jetzt glaubte er den Grund dafür zu kennen. Es war ihre Art, Valentin zu zeigen, was für ein Gefühl es war, lebendes Metall zu sein, umgeben von der Sicherheit von Stahl und Technik, frei von den Beschränkungen des Fleisches. Valentins purpurnes Lächeln reichte inzwischen von einem Ohr zum andern, und eine neue Befriedigung schimmerte in seinen lidschatten-umgebenen, fieberglänzenden Augen. Er verteilte sein Bewußtsein jetzt über die gesamte Armee aus Metall, wuchs unaufhörlich weiter und erblühte gleichzeitig in jedem einzelnen System.
Sein künstlich stimuliertes, drogenerweitertes Bewußtsein lebte im Innern jeder einzelnen Kriegsmaschine Virimondes, und er genoß jede einzelne Sekunde dieser Erfahrung.
Der Mann, der jetzt der Hohe Lord Dram war, führte seine Truppen unter lautem Geschrei durch die brennenden Straßen einer kleinen Stadt. Auf beiden Seiten standen brennende Ge-bäude, und dicker schwarzer Rauch stieg in den frühen Morgenhimmel. Die Hitze der Brände schmerzte auf dem ungeschützten Gesicht und den Händen, und glühende Asche schwebte in der Luft. Drams Männer schwärmten aus und stürmten durch Seitenstraßen und Gassen auf der Suche nach Widerstandsnestern. Plötzlich gab es Verluste in den Reihen der Angreifer. Heckenschützen hatten das Feuer eröffnet. Sie saßen im oberen Stockwerk eines noch unzerstörten Hauses ein Stück weiter vorn. Dram brüllte Befehle, und ein Dutzend Disruptoren feuerten gleichzeitig. Die Energiefinger zerfetzten das Obergeschoß des Gebäudes, und ein Trümmerregen und rote Wolken von pulverisierten Ziegelsteinen ergossen sich auf die Straße. Dram ordnete an, vorsichtshalber noch ein paar Split-tergranaten ins untere Stockwerk zu werfen; dann marschierten sie weiter. Dram führte seine Truppen an, den Disruptor in der einen, das Schwert in der anderen Hand. Blut troff von seiner Klinge. Überall ringsum ertönten Schreie und das Donnern von Explosionen, und Dram grinste so breit, daß seine Wangen schmerzten. Das war es, wofür er geboren war, wofür er geschaffen und auserwählt worden war, und er liebte jede einzelne Minute seines Handelns.
Eigentlich hätte er gar nicht hier unten auf dem Planeten sein sollen. Er hätte im Orbit und in Sicherheit bleiben und die Operation von dort aus leiten sollen und General Beckett erlauben, sich um die praktische Seite der ganzen Angelegenheit zu kümmern. Dram hatte anfänglich auch genau das getan; doch seine guten Absichten waren rasch dahingeschmolzen, als die Kämpfe eingesetzt hatten. Er hatte alles von den Monitoren auf der Brücke der Elegance aus beobachtet, versorgt von einem ununterbrochenen Strom neuer Informationen, und sein Blut war beim Anblick der Schlacht in Wallung geraten. Zuerst hatte er seine Männer noch mit größtmöglicher Effizienz zu steuern versucht, hatte nur die umbringen lassen, die getötet werden mußten und die Zerstörung der Städte und Dörfer auf das absolut notwendige Minimum beschränkt. Doch all das war mit einem Schlag vorbei gewesen, als die Rebellen plötzlich wie aus dem Nichts Waffen zum Vorschein gebracht und erbitterten Widerstand geleistet hatten. Dram hatte zugesehen, wie seine Männer starben und die Rebellen ihm die Stirn zu bieten wagten, und nackte Wut hatte ihn ergriffen, daß diese Bauern ihn herausforderten. Er hatte sie geschont, und das war der Dank dafür. Dram sah seine Männer sterben und wußte, daß er unten bei ihnen sein mußte, mitten im Schlachtgetümmel, wo er sie zum Sieg führen und persönlich diese frechen Bauern niederstrecken würde.