»Wie kommen wir voran?«
»Den Umständen entsprechend« , erwiderte der Sommer-Eiland mit ruhiger Stimme. »Unsere Sicherheitskodes schützen uns wahrscheinlich nicht mehr länger vor Angriffen; aber in dieser Höhe und bei dieser Geschwindigkeit sind die meisten Maschinen am Boden kaum in der Lage , uns anzupeilen. Das wirkliche Problem sind die Energiekristalle des Fliegers. Nach den Instrumenten zu urteilen haben wir nicht mehr genug Energie, um den gesamten Weg bis zur Festung zurückzulegen und gleichzeitig die Schilde aufrechtzuerhalten.«
»Dann schalt die Schilde eben ab!« sagte David. »Unsere einzige Hoffnung besteht darin, die Festung zu erreichen.«
»Genau mein Gedanke«, erwiderte der Sommer-Eiland. »Wie geht es den Mädchen?«
»Den Umständen entsprechend. Ich kann immer noch nicht glauben, daß die ganze Situation so schnell außer Kontrolle geraten ist. Du hast gesehen, was unten auf der Oberfläche geschieht. Sämtliche Städte stehen in Flammen. Überall Kriegsmaschinen und Truppen. Das ist keine Strafexpedition, das ist eine Invasion!«
»Sieh’s doch von der positiven Seite«, sagte Kit. »Wenigstens sengen sie den Planeten nicht aus dem Orbit heraus .«
»Ich wage nicht einmal daran zu denken. Ich habe etwas wie das hier noch nie erlebt, Kit. Sie schlachten meine Leute ab.
Und alles wegen mir!«
»Nein, da irrst du dich. Es ist nicht wegen dir, sondern weil die Bauern so dumm waren, mit Demokratie zu experimentieren. Sie haben förmlich danach geschrien.«
»Ich habe es zugelassen! Ich hätte nein sagen können . Ich hätte mit meinen Sicherheitsleuten hart durchgreifen können.
Ich hätte ein paar Rädelsführer exekutieren und ein paar Farmen niederbrennen können, und alle anderen wären in Sicherheit gewesen. Ich habe versagt, Kit. Es war meine Pflicht, diese Leute zu schützen und Unheil von ihnen abzuwenden. Es war meine Pflicht als Todtsteltzer.«
»David, können wir uns vielleicht auf die wesentlichen Dinge konzentrieren? Zum Beispiel auf die Frage, was wir machen werden , wenn wir die Festung erreichen und der Steward alles unter Kontrolle hat?«
»Improvisieren. Es gibt Geheimgänge und versteckte Fallen , die nur meine Leute und ich kennen. Owen hat mir alle gezeigt.
Wenn der Steward die Festung in seine Gewalt gebracht hat , dann werde ich sie ihm wieder wegnehmen . Und anschließend werde ich ihm den verräterischen Kopf abschneiden und einen Fußschemel daraus machen.«
»Netter Gedanke. Vorausgesetzt, wir können die Festung in unsere Gewalt bringen. Und was dann? Wir werden uns nicht lange gegen die Kriegsmaschinen halten können, und wir haben nichts, womit wir Virimonde verlassen könnten. Außer natürlich, du hast irgendwo ein weiteres kleines Geheimnis versteckt?«
»Leider nicht«, entgegnete David. »Aber ich würde nicht fliehen, selbst wenn ich könnte. Meine Leute sterben. Ich werde sie nicht im Stich lassen.«
»Aber was kannst du daran ändern, David?«
»Ich werde mir schon etwas ausdenken! Ich bin immerhin ein Todtsteltzer!«
»Das ist genau das«, sagte der Sommer-Eiland, »was uns in erster Linie in Schwierigkeiten gebracht hat.«
David dachte über die Worte seines Freundes nach; dann blickte er ihm in die Augen. »Sie sind hinter mir her. Noch ist es nicht zu spät für dich. Du kannst dich von mir trennen.
Nimm die Frauen mit und geh in Deckung. Du warst immer schon Löwensteins Liebling. Sie nimmt dich vielleicht wieder auf, wenn du dich öffentlich von mir distanzierst.«
»Keine Chance« , widersprach der Sommer-Eiland. »Wir bleiben zusammen. Vergiß deine Selbstlosigkeit und denk weiter nach. Du bist der Kopf in dieser Partnerschaft. Finde einen Ausweg.«
»Laß mich ans Steuer«, sagte David. »Ich kenne die Gegend besser als du.«
Sie tauschten die Plätze, und Kit ging nach hinten, um die Frauen zu trösten und zu sehen, wie es ihnen ging. Er war nicht sonderlich gut in derartigen Dingen; aber er nahm an, daß er es wenigstens versuchen mußte.
Die Angriffsschiffe kamen aus dem Nichts. Disruptorfeuer riß die Seite des ungeschützten Fliegers auf. Explosionen schüttelten das kleine Gefährt, und in der Kabine brach Feuer aus. David kämpfte um die Kontrolle, doch der Flieger stürzte unaufhaltsam der Erde entgegen. Kit packte einen Feuerlöscher und verteilte Schaum über die nächstgelegenen Flammen.
Rauch erfüllte die Kabine. Jenny drückte Alice fest an sich. Die Maschine des Fliegers stotterte und erstarb, und dann fielen sie hinunter wie ein Stein.
David schaltete die Notaggregate ein. Er stieß eine endlose Serie monotoner Flüche aus. Der Flieger machte einen Satz nach vorn; doch er sank noch immer. Die Angriffsschiffe schlugen erneut zu, und das gesamte Heck des Fliegers explodierte. Die Luft entwich aus der Kabine, nahm den Rauch mit sich, und die Flammen loderten hoch auf. Kit mußte vor der Hitze zurückweichen . David schrie eine Warnung, daß sich alle gut festhalten sollten, und suchte hektisch auf den Schirmen nach einer einigermaßen flachen Stelle, wo er landen konnte.
Er fand ein Feld ganz in der Nähe eines größeren Waldstücks.
Das mußte reichen.
Er riß den Flieger herum und kämpfte auf dem gesamten Weg nach unten mit den Kontrollen. Der Boden sprang ihm förmlich entgegen.
Das Schiff prallte hart auf. Es hüpfte und tanzte über das Feld und pflügte einen mächtigen Graben durch das Gras, bevor es nur wenige Metern vor den ersten Bäumen zum Stillstand kam.
Die Kabine war erneut voller Rauch. Flammen fraßen sich fest.
David saß zusammengesunken im Pilotensitz, und nur die Sicherheitsgurte hielten ihn an seinem Platz . Von einem Schnitt auf seiner Stirn rann Blut über sein Gesicht, und er war sich verschwommen bewußt, daß er auf dem Weg nach unten mit dem Kopf gegen irgend etwas Hartes, Unnachgiebiges geprallt war . Rauch fing sich in seiner Kehle, und er kam mit einemmal zu sich, weil er husten mußte und fast erstickt wäre. Plötzlich war Kit bei ihm. Er befreite David aus den Sicherheitsgurten, und David wollte ihm helfen; doch seine Hände waren taub und gefühllos . Kit löste die letzten Gurte, und David erhob sich mühsam aus seinem Sitz. Er fühlte sich elend; aber sein Kopf wurde allmählich wieder klar. Er hustete erneut und starrte in den Rauch.
»Alice! Wo sind Alice und Jenny?«
»Es tut mir leid«, erwiderte Kit. »David, es tut mir so leid.«
David starrte seinen Freund sprachlos an. Dann schob er ihn zur Seite und kämpfte sich durch den Rauch und die größer werdenden Flammen zu der Stelle, wo Alice lag, direkt neben einem Riß in der Kabinenwand. Ein Disruptorschuß hatte die Hülle durchschlagen, und gezackte scharfe Ränder zeigten nach innen. Blut tropfte zäh von den scharfen Kanten. Alice war auf der gesamten rechten Seite aufgerissen worden. Deutlich waren ihre gebrochenen Rippen durch das rote Fleisch hindurch zu sehen, und ihre Eingeweide hingen aus der klaffenden Wunde. Ihre Augen waren glücklicherweise geschlossen . David zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden und zu der Stelle zu sehen, wo Jenny eingeklemmt unter dem verbo-genen Metall lag. Sie war benommen; aber sie versuchte hektisch, sich zu befreien. David hob Alice auf und rief nach Kit.