Kit Sommer-Eiland, auch bekannt unter dem Namen Kid Death, der lächelnde Killer, trug seinen Angriff mit mehr Bedacht vor. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie einen Kampf verloren, und er beabsichtigte auf gar keinen Fall, ausgerechnet heute damit anzufangen. Aber Frost war Investigator. Kit und Frost umkreisten einander mißtrauisch, und hin und wieder zuckte eine ihrer Klingen vor, um die Reflexe und Geschwindigkeit des anderen zu testen. Sie waren beide Meister ihrer Kunst, und keiner von beiden sah einen Grund, warum er in Hektik verfallen sollte. Sie grinsten sich an und umkreisten sich weiter.
David kämpfte voller blinder Wut. Dieser eine Kapitän der Imperialen Flotte war zu ihm gekommen, und für den Augenblick repräsentierte er die gesamten Streitkräfte des Imperiums, die blinden, schrecklichen Mächte, die sein Leben und seine Welt zerstört hatten. Er hieb und stach mit zunehmender Wildheit, zehrte rücksichtslos von den Kräften, die der Zorn ihm verlieh, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Schwejksam einen besonders wilden, ungezielten Schwinger zur Seite schlagen und David durchbohren würde. Schließlich heulte der junge Todtsteltzer vor Schreck und Schmerzen auf und sank in die Knie; aber er hielt das Schwert irgendwie noch immer in der Hand. Schwejksams Klinge hatte Davids Eingeweide durchbohrt und war auf der Rückseite wieder ausgetreten. Er spürte, wie das Blut aus ihm herausströmte, und er hörte, wie es zu Boden spritzte. Schwejksam riß sein Schwert wieder heraus, und David schrie erneut auf. Blut sprudelte aus seinem Mund und erstickte seine Laute. Er wollte sich wieder auf die Beine kämpfen, doch es ging nicht. Allein der Zorn hielt ihn bei Bewußtsein; aber all seine Kraft hatte ihn verlassen. Der Kapitän holte mit der Klinge zum tödlichen Schlag aus.
Kit sah, wie sein Freund getroffen wurde, und er verschwendete keine Zeit mit einem Wutschrei. Er erwischte Frosts Schwert mit einer knappen Parade und trat ihr hart gegen die Kniescheibe. Während sie um ihr Gleichgewicht kämpfte, riß er sich den Umhang herunter und schleuderte ihn über ihren Kopf. Er hätte sie nur allzu gerne in diesem Augenblick getötet, solange sie hilflos war, aber dazu war keine Zeit. Er rannte zu Schwejksam hinüber und schrie den Kapitän an, um ihn von David abzulenken. Schwejksam drehte sich rasch zu ihm um, und Kid Death duckte sich unter der ausgestreckten Klinge hindurch und rammte dem Kapitän die Schulter in den Magen.
Der Kapitän stolperte rückwärts und rang nach Luft, und Kit rannte zu David und riß ihn auf die Beine. Ein einziger Blick zeigte ihm, wie schwer David verwundet war; doch daran durfte Kit jetzt nicht denken. In der Festung würde man David helfen. Sie mußten ihm einfach helfen. Kit zerrte David mit sich, und dann hörte er hinter sich Schritte. Er drehte sich um. Der Kapitän war unglaublicherweise wieder auf den Beinen und griff erneut an. Kit griff nach dem Disruptor an seiner Seite und bemerkte, daß David schwer gegen die Waffe drückte. Der Kapitän war fast heran. Dann ertönte das Geräusch eines Dis-ruptorschusses, und Schwejksam sank in die Knie. Er war in den Rücken getroffen worden. Kit blickte in die Richtung, aus der der Schuß gekommen war, und sah den Sicherheitsoffizier.
Der Mann hielt die Waffe noch in der Hand, und in seinen Augen stand das nackte Entsetzen über seinen eigenen Fehler. Kit winkte ihm rasch seinen Dank zu, zog David noch fester an sich und führte ihn unter die Bäume davon.
Frost hatte sich gerade rechtzeitig aus dem Umhang befreit, um Schwejksam fallen zu sehen. Sie ignorierte die fliehenden Rebellen und den zitternden, stammelnden Stelmach und eilte zu Schwejksam. Sie kniete neben ihm nieder und untersuchte die Wunde. Der Energie-Strahl hatte den größten Teil seines linken Rippenkäfigs weggerissen. Er hatte die Arme um den Leib geschlungen, als könnte er durch reine Kraft seinen Körper zusammenhalten . Frost zog ihm sanft die Hände auseinander, um das ganze Ausmaß der Verwundung zu sehen .
Schwarze Stummel, die Überreste der Rippen, waren deutlich in der noch rauchenden Wunde zu sehen, halb kauterisiert von der Hitze des Strahls. Hinter ihr stammelte Stelmach, daß er einen Fehler begangen habe und daß es ihm leid täte, so unendlich leid; aber weder Frost noch Schwejksam hörten ihm zu.
Schwejksams Gesicht war kreideweiß, und er atmete in raschen, flachen Zügen. Jeder andere wäre längst tot gewesen.
Allein der Schock hätte dazu ausgereicht. Frost packte seine Hand und drückte sie rauh.
»Kapitän, hört mir zu! Ihr werdet nicht sterben! In Euch ist eine geheimnisvolle Macht. In uns beiden. Benutzt sie, Johan!
Verdammt, Ihr könnt Euch selbst heilen!«
Sie konzentrierte sich auf die Macht tief in ihrem Innern, zwang sie an die Oberfläche und in Kapitän Johan Schwejksam. Er ächzte einmal laut auf, dann umklammerte seine Hand die von Frost, und er versteifte sich mit weiten, überraschten Augen.
Sie sahen beide auf die klaffende Wunde in seiner Seite und beobachteten sprachlos, wie Fleisch und Haut und Knochen sich vor ihren Augen nahtlos miteinander verbanden, bis noch nicht einmal mehr die kleinste Spur der tödlichen Wunde zu erkennen war.
Schwejksam nahm probehalber einen tiefen Atemzug, innerlich auf den Schmerz gefaßt, der niemals kam; dann grinste er Frost an. Sie erwiderte sein Grinsen, und zusammen standen sie auf. Stelmach stand bei ihnen und war sprachlos vor Staunen.
»Ich… ich wußte nicht, daß Ihr dazu in der Lage seid«, meinte er nach einer ganzen Weile.
»Ich auch nicht«, entgegnete Schwejksam. »Man lernt doch tatsächlich jeden Tag etwas Neues hinzu.«
»Es tut mir leid, Kapitän. Es tut mir wirklich unendlich leid…«
Schwejksam hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Eure Entschuldigung ist angenommen, Kühnhold. Aber von heute an wagt es ja nicht, mir helfen zu wollen, wenn wir wieder einmal in einen Kampf verwickelt werden sollten.« Er drehte sich zu Frost um. Ihr Lächeln war verschwunden, und sie war wieder ganz der kühle, durch nichts aus der Fassung zu bringende Investigator.
»Willkommen daheim, Kapitän«, sagte sie. »Ich wußte immer, daß Ihr viel zu niederträchtig seid, um einfach so zu sterben.«
»Ich bin froh, daß es noch einmal gutgegangen ist, Investigator. In welche Richtung sind die Rebellen geflohen?«
»Tiefer in den Wald hinein, Kapitän. Die Spur müßte leicht zu verfolgen sein. Der Todtsteltzer verliert eine Menge Blut.
Seid Ihr wieder fit genug, um den beiden zu folgen?«
»Ich denke schon. Aber wir müssen uns nicht beeilen. Es gibt nur einen Ort, zu dem sie fliehen können, und das ist die Festung des Todtsteltzers. Und wenn er erst einmal dort ist, haben wir ihn.«
Kit Sommer-Eiland legte den schwer verwundeten David aufs Bett und blickte sich in dem luxuriös ausgestatteten Schlafzimmer um. Es gab nur die eine Tür sowie ein einziges Fenster, was es leichter machte, den Raum gegen Angreifer zu verteidigen. Im Augenblick befand sich die Festung unter der Kontrolle von Männern, die David gegenüber loyal waren. Allerdings war der verräterische Steward mit den meisten seiner Leute entkommen und hatte in der Zwischenzeit aller Wahrscheinlichkeit nach bereits Kontakt mit den Streitkräften des Imperiums aufgenommen. Es konnte nicht lange dauern, bis er zurückkehrte und an der Vordertür klopfte. David lag auf seinem Bett und atmete röchelnd. Einer der Diener hatte seinen Leib mit dicken Bandagen versorgt, aber es gab keinen Arzt in der Nähe. Der Verband war längst mit Blut vollgesaugt, und die kostbaren Bettlaken waren fleckig davon. Kit saß auf der Bettkante und überlegte, was er als nächstes tun sollte.