»Das war meine schönste Unterwäsche«, beschwerte er sich bitter. »Ich wußte gleich, daß es keine gute Idee war, sie hier unten zu tragen.«
»Verdammt richtig«, sagte Tobias. »Um ein Haar wären wir beide deswegen umgebracht worden.«
Flynn rümpfte die Nase. »Marineinfanteristen haben eben keinen Sinn für Mode.« Die Kamera thronte auf seiner Schulter und schien zustimmend zu nicken.
Tobias drehte sich zu Stevie Drei um. »Wo sind wir hier?«
»Das sind die Reste einer Rebellenzelle, die ziemlich weit unten in der Kommandokette stand. Wahrscheinlich haben die Truppen sie nur deswegen noch nicht gefunden. Wir benutzen die Räume als Treffpunkt für Kameraden, die von der Invasion versprengt wurden. Wir warten auf neue Befehle; aber ich weiß nicht einmal, ob es in dieser Stadt überhaupt noch Überreste der Untergrundorganisation gibt. Wir sind schlimm getroffen worden. Die Kommunikation ist vor die Hunde gegangen, und wir haben kaum Esper bei uns. Ihr hattet Glück, daß meine Schwester und ich nach Versprengten gesucht haben. Wir hatten bereits entschieden, daß es unser letzter Versuch sein sollte.
Die Stadt ist gefallen; sie weiß es nur noch nicht.«
»Habt Ihr vielleicht Zeit für ein Interview?« fragte Tobias.
»Schließlich haben wir für den Augenblick nichts zu tun, und es besteht immer die Chance, daß irgend jemand gerade zusieht.«
Er gab Flynn einen Wink, und der Kameramann ruckte als Zeichen, daß seine Kamera noch immer funktionierte. Er setzte sie in eine bequeme Position auf der Schulter, und das rote Au-ge erwachte zum Leben. Es richtete sich auf Stevie Drei.
»Es gibt nicht viel zu erzählen«, sagte der Esper-Klon mit leiser Stimme. »Die Invasion hat uns alle überrascht. Die Kommandokette der Rebellen wurde beinahe augenblicklich zerstört. Wir haben nicht die geringste Vorstellung davon, was in den anderen Städten vor sich geht. Einige von uns wollten sich ergeben, als sie erkannten , wie schlimm es stand; aber die Imperialen Streitkräfte sind nicht daran interessiert, Gefangene zu machen. Meine Schwester und ich taten, was in unseren Kräften stand. Wir schalteten ein paar kleinere Kriegsmaschinen mit unserem Feuer aus und jagten Truppen, die von den Hauptstreitkräften getrennt worden waren, aber es waren einfach zu viele. Wir sind alle völlig erschöpft. So viele von uns sind tot. Unsere Munition geht zur Neige, und vielleicht bleibt uns keine andere Wahl mehr, als möglichst tapfer zu sterben und so viele von den verfluchten Bastarden mit uns zu nehmen, wie wir nur können.«
»Sie sind da!« rief Stevie Eins und starrte aus einem Schlitz im Fenster nach draußen. Alle schoben die Waffen durch die Öffnungen in den verbarrikadierten Fenstern und eröffneten das Feuer auf die vorrückenden Truppen. Der Lärm so zahlreicher Projektilwaffen in dem beengten Raum war ohrenbetäubend. Tobias und Flynn hielten sich die Ohren zu. Rauch und der Gestank nach Kordit erfüllten die Luft. Und dann schlug ein Energiestrahl einfach durch die verriegelte Holztür und den Körper eines dahinter Wache haltenden Rebellen, bevor er auf der anderen Seite wieder austrat .
»Ein Kriegswagen!« schrie Stevie Eins . »Er hat eine Disruptorkanone!«
Und dann schlugen aus allen Richtungen Disruptorstrahlen in das Schlupfloch ein . Sie krachten durch die Wände und erwischten die meisten Rebellen, bevor sie sich auf den Boden und in Deckung werfen konnten. Die Strahlen erfüllten den Raum mit blendend hellem Licht, und sie zuckten kreuz und quer und bildeten ein leuchtendes unheimliches Spinnennetz.
Die meisten Rebellen wurden innerhalb der ersten zwei Sekunden durchlöchert oder zerrissen, und ihre versengten und zerfetzten Glieder fielen zu Boden, wo sie noch eine Zeitlang zuckten. Einem Mann wurde der Kopf sauber weggeschossen, und sein Rumpf schwankte noch ein halbes Dutzend Schritte weit durch den Raum, bevor ein zweiter Schuß ihm die Beine abtrennte und er endgültig fiel.
Tobias hätte sich am liebsten in den Steinboden eingegraben.
Er hatte den Arm über den Kopf gelegt. Gleichzeitig hatte er Flynn gepackt und zu Boden gerissen, nachdem Stevie Eins ihre erste Warnung hinausgeschrien hatte. Tobias war kein Kämpfer. Noch immer zuckten Energiestrahlen durch den Raum, durchlöcherten die Wände und erfüllten die Luft mit dem Gestank von ionisierter Luft. Ein paar Rebellen schrien noch – entweder vor Schmerz oder Angst oder Schock –, aber es dauerte nicht lange. Schließlich endete der Beschuß, und alles war still, mit Ausnahme der leise knackenden Geräusche von den geschwächten Mauern. Das Licht des frühen Morgens strömte durch Hunderte von Löchern in den Wänden und wurde vom Pulverdampf und Staub zu einem diffusen Schein geschwächt. Langsam hob Tobias den Kopf und blickte sich um.
Überall lagen Tote: zerfetzt und zerrissen wie Puppen, die von wütenden Kindern weggeworfen worden waren, weil sie nicht mehr mit ihnen spielen wollten. Flynn lag neben Tobias und hielt beschützend seine kostbare Kamera in den Armen. Er nickte Tobias zu, als Zeichen, daß ihm nichts fehlte; aber er machte keinerlei Anstalten aufzustehen. Stevie Eins und Stevie Drei lagen beieinander, doch nur eine der beiden bewegte sich.
Langsam richtete Stevie Drei sich auf. Ihr halbes Gesicht mitsamt den Haaren waren verbrannt, als ein Energiestrahl sie gestreift hatte, doch ansonsten schien sie unverletzt. Stevie Eins war weniger glimpflich davongekommen. Sie war gleich mehrere Male getroffen worden. Den linken Arm hatte man ihr abgeschossen, und die rauchende Wunde war oberhalb des Ellbogens nur wenig kauterisiert. Stevie Drei wiegte ihre Schwester in den Armen.
Stevie Eins stöhnte leise und öffnete schließlich die Augen.
»Verdammt«, flüsterte sie mit schwerer Zunge. »Ich schätze, unsere Chancen haben sich noch weiter verschlechtert.«
»Sei still«, sagte Stevie Drei. »Ruh dich aus. Spar deine Kräfte.«
»Wofür? Es ist vorbei, Liebste. Das Imperium hat gewonnen.«
»Es ist erst dann vorbei, wenn wir es sagen«, widersprach Stevie Drei wild. »Wage es ja nicht, zu sterben und mich allein zu lassen. Wir haben zusammen gelebt , und wir werden zusammen sterben, und wir werden auf den Beinen sterben. Steh auf , verdammt noch mal! Komm schon, Liebste. Wir wollen der Imperatorin ein letztes Mal ins Gesicht spucken.«
Stevie Eins grinste . »Richtig.«
Stevie Drei half ihrer Schwester beim Aufstehen und stützte sie, bis sie halbwegs sicher stand. Sie blickten sich nach anderen Überlebenden um und entdeckten Tobias und Flynn, die sie entsetzt anstarrten. Stevie Drei grinste.
»Ich hätte es wissen müssen. Gute Männer und Frauen sterben, aber Reporter nie. Bleibt in Deckung, Jungs. Das ist nicht Euer Kampf.«
»Was habt Ihr vor?« erkundigte sich Tobias.
Stevie Drei sah zur Tür, und Tobias wußte, daß sie die Massen feindlicher Truppen davor abschätzte. Als sie nach einer Weile antwortete, klang ihre Stimme ruhig und beinahe sachlich.
»Einst gab es von uns vier. Klone, Schwestern, Liebende; wir standen uns näher, als Ihr es Euch jemals vorstellen könnt.
Zwei von uns starben im Kampf gegen das Imperium, das uns geschaffen hat, und jetzt sind wir ebenfalls an der Reihe. Wir wußten stets, daß wir eines Tages so enden würden. Brennend.