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Hätte die Löwenstein mehr als nur eine Handvoll ihrer neuen E-Klasse-Sternenkreuzer mit ihren neuen Antrieben und ihrer überlegenen Bewaffnung zur Verfügung gehabt, wären die Dinge vielleicht anders ausgegangen. Doch nachdem die Rebellen die Fabrikationsanlage der Wolfs für den neuen Hyperraumantrieb auf Technos III zerstört hatten, befanden sich lediglich fünf der neuen Schiffe in Dienst, und sie konnten un-möglich überall zugleich sein.

Auf einigen Schiffen der Flotte kam es sogar zu offener Meuterei. Untergeordnete Offiziere mit Sympathien für den Untergrund und Verbindungen zu den Rebellen starteten Übernah-meversuche auf den Brücken der Schiffe. Sie erhielten Rük-kendeckung von verstimmten Mannschaftsdienstgraden, deren Sold schon seit Monaten nicht mehr gezahlt worden war, weil die Schatzmeister nach dem Zusammenbruch der Steuerbehör-de knapp bei Kasse waren. Nicht wenige der Meutereien führten zum Erfolg, und die neuen Rebellenschiffe zogen sich augenblicklich aus den Kampfhandlungen zurück. Sie kämpften nicht gegen ihre eigenen Kameraden, aber sie unternahmen auch nichts gegen die Rebellion.

In der Zwischenzeit befanden sich Tobias Shreck und sein Kameramann Flynn im dichtesten Getümmel. Sie filmten alles und übertrugen live zu den Welten des Imperiums, wann immer sich eine Möglichkeit dazu bot. Sie wurden von ihren Imperialen Gorillas von einem blutigen Feuergefecht zum nächsten gezerrt und gaben ihr Bestes, so objektiv wie nur irgend möglich zu berichten. Die Sicherheitsoffiziere, die für die Zensur ihrer Beiträge verantwortlich waren, hatten meist viel zu sehr mit anderen Problemen zu kämpfen, als daß sie sich Tobias und Flynn widmen konnten .

Auf einem kraterübersäten Schlachtfeld auf dem Planeten Loki wurden die Imperialen Armeen von wildäugigen Rebellenstreitkräften überrannt, und Tobias und Flynn ergriffen die Gelegenheit zur Flucht. Sie kamen nicht weit zwischen den leichengefüllten Kratern, bevor sie von den vorrückenden Rebellen geschnappt wurden, die Tobias Shreck glücklicherweise wiedererkannten. Ein paar von ihnen baten die beiden Nachrichtenleute sogar um Autogramme. Tobias suchte wortreich um eine Passage nach Golgatha nach, wo der Hauptschauplatz der Rebellion war, und nach einer langwierigen Diskussion brachten die Rebellen die beiden auf den Weg. Sie wußten nur zu gut, wie wichtig positive Propaganda war, und es schien allen Beteiligten nur gerecht, daß die beiden Männer, die bereits so viel von der Geschichte gebracht hatten, auch vom letzten Akt berichten sollten, wenn es denn soweit sein würde.

Tobias lächelte und nickte und erklärte an den richtigen Stellen sein Einverständnis und betete insgeheim, daß niemand auf den Gedanken kam zu fragen, wer denn am Ende alle Rechnungen bezahlen würde. Sein Gebet wurde erhört, und so be-gaben sich Tobias und Flynn auf den ersten Abschnitt von einem halben Dutzend ungemütlicher Passagen, die beide schließlich nach Golgatha und zum Hof der Löwenstein und zu der Hölle führen würden, welche die Eiserne Hexe daraus gemacht hatte.

Denn es würde Golgatha sein, wo die wirklichen Auseinandersetzungen und die entscheidenden Schlachten stattfinden würden. Wer die Heimatwelt beherrschte, der herrschte über das Imperium. Jeder wußte das. Und so zog sich die Löwenstein in ihren Palast aus glänzendem Stahl zurück, der sich inmitten eines massiven Stahlbunkers von eineinhalb Meilen Durchmesser tief unter der Oberfläche des Planeten befand, und wartete darauf, daß ihre Feinde kommen würden, um sie zu holen.

Sie verbrannten die Poeten, hängten die Troubadoure und spießten die Satiriker auf. Überall herrschten Blut, Tränen und Entsetzen. Ein ganz normaler Tag in der Hölle.

Der Hof war zu einem dunklen, gefährlichen Ort geworden, der den Charakter der Herrscherin widerspiegelte. Die Imperatorin Löwenstein XIV, die angebetete und bewunderte, saß auf ihrem Eisernen Thron, als wolle sie sich jeden Augenblick auf einen unglückseligen Feind stürzen, um ihn zu zerreißen und zu zerfetzen. Sie trug eine glänzend weiße Kampfrüstung, und zusammen mit ihrem bleichen Gesicht und dem langen blonden Haar sah sie aus wie ein rachedurstiger Familiengeist. Normalerweise trug sie das lange Haar zu Gelegenheiten, wo sie bei Hofe erschien, kunstvoll auf dem Kopf aufgetürmt; doch jetzt hing es schlaff in ungepflegten Strähnen herab, durch die ihre eisig blauen Augen unverwandt auf ihre Untertanen starrten.

Auf dem Kopf trug sie die große Dornenkrone, die aus einem einzigen riesigen Diamanten geschliffen worden war – das Symbol der Macht und Herrschaft über das Imperium.

An der Basis ihres Throns kauerten ihre Jungfrauen wachsam wie Hunde, und nichts anderes waren sie auch. Nackt und ohne Schamgefühl wie Tiere, mit ausgelöschtem Bewußtsein nach einem chirurgischen Eingriff, der sie zu loyalen Kreaturen bis hin zum Tod gemacht hatte, kauerten sie vor dem Thron und beobachteten die Anwesenden mit ihren kybernetischen Sin-nen, allzeit bereit, jeden Angriff gegen ihre geliebte Herrscherin zu vereiteln. Sie würden töten oder sterben bei dem Versuch, ihre Herrin zu schützen, und ihre Wildheit war Legende.

Ihre Zähne waren spitz, und ihre Finger endeten in implantier-ten stählernen Klauen. In ihre nackten Körper waren weitere, häßlichere Überraschungen eingebaut – die besten, die für Geld käuflich waren. Einst waren sie Menschen gewesen wie jeder andere auch; doch das war, bevor die Löwenstein sie auserwählt und aus ihrem alten Leben gerissen hatte, um ein Teil des ihren zu werden. Sie mochten Gewöhnliche oder Aristokratin-nen gewesen sein; unter Löwensteins Willen wurden sie alle gleichgemacht. Niemand widersprach. Niemand wagte zu widersprechen. Außerdem galt es als hohe Ehre, der Eisernen Hexe als eine ihrer Jungfrauen zu dienen.

In der Luft vor dem Thron schwebten Dutzende von Schirmen, die ununterbrochen Bilder aus dem gesamten Imperium zeigten. Die Szenen wechselten häufig. Ständig kamen neue Meldungen über den wachsenden Erfolg der Rebellen herein.

Moderatoren mit schwitzenden Gesichtern lasen beinahe ver-zeihungheischend die Neuigkeiten vor. Karten zeigten den Vormarsch der Rebellen und die Verluste der Imperialen. Zitternde Kameras zeigten Bilder von Blut und Gewalt und vom Toben der Schlacht. Sie sahen alle gleich aus. Zunehmend verwirrte Kommentatoren redeten endlos über die Bedeutung der Ereignisse . Auf einigen Welten hatten die Rebellen die Kommunikationseinrichtungen unter ihre Kontrolle gebracht, und triumphierende rauchgeschwärzte Gesichter riefen die Geknechteten dazu auf, sich zu erheben und die Eiserne Hexe von ihrem Thron zu stoßen. Neue Schirme erwachten zum Leben und andere wurden dunkel, weil der Untergrund und die mit ihm verbündeten Kyberratten sich an den Kommunikationskanälen zu schaffen machten. Das gesamte Imperium schrie mit sich überschlagender Stimme, und jeder wollte sich verzweifelt Gehör verschaffen. Die Imperatorin beobachtete all das reglos, und ihr starrer Blick war so kalt wie der Tod persönlich. Für diejenigen, die glaubten, sie zu kennen, war dieser Blick und ihre gelassene Ruhe besorgniserregender als die ge-brüllten Befehle und Temperamentsausbrüche kurze Zeit zuvor. Es bedeutete, daß die Eiserne Hexe nachdachte. Daß sie Pläne schmiedete. Daß sie sich schon jetzt an ihrer Rache und den schrecklichen Formen ergötzte, die sie zweifellos annehmen würde.

Vor dem Eisernen Thron standen schweigend und in hoffentlich ausreichend sicherer Entfernung zwei der wenigen Menschen, die mit Ausnahme der Imperialen Wachen und Löwensteins Opfern noch Zutritt zum Imperialen Hof hatten: General Shaw Beckett und der Oberste Krieger des Imperiums, der Ho-he Lord Dram. Höflinge waren nicht anwesend. Keine Lords und Ladys, keine Vertreter der Großen Familien, keine Abge-ordneten des Parlaments, niemand von der Einen Wahren Kirche von Christus dem Krieger, keine der üblichen Berühmthei-ten und Gestalten und Vorteilssuchenden. Löwenstein vertraute ihnen nicht mehr. Keinem von ihnen. Und so standen Beckett und Dram nebeneinander und ignorierten sich gegenseitig, so gut es ging. Sie waren beide Männer des Krieges und Kämpfer; doch außer ihrer Loyalität gegenüber der Löwenstein hatten sie nichts gemeinsam.