Einige von Löwensteins Truppen setzten die neuen Stasisprojektoren ein. Innerhalb des von diesen Apparaten erzeugten eng begrenzten Felds kam die Zeit zum Stillstand, und wer in das Feld geriet, war völlig hilflos, gefangen in einem Augenblick der Zeit wie ein Insekt in Bernstein.
Der Vormarsch der Rebellen kam unvermittelt zum Stillstand. Ganze Gegenden wurden unpassierbar. Doch es war eine neue Technologie , und die Anzahl der Projektoren war begrenzt. Außerdem waren sie unzuverlässig und instabil.
Manchmal reichte das einfache Einschalten des Apparats aus , um die Maschine explodieren zu lassen und jeden in einem Umkreis von dreißig Metern zu töten. Verständlich , daß die Truppen die Apparate nur zögernd einsetzten. Manchmal mußten die Offiziere neben ihnen stehen und ihnen Pistolen an die Köpfe setzen. Doch wo die Maschinen funktionierten, waren die Effekte dramatisch. Im Innern des projizierten Feldes konnte die Zeit zu einem Kriechen verlangsamt oder unendlich be-schleunigt werden. Wer in Stasis gefangen war, wurde entweder zu einer lebenden Statue, die nichts mehr zu den Kämpfen beitragen konnte, oder, häufiger, er alterte entsetzlich schnell.
Haut wurde faltig; Körper beugten sich vor Alter, Herzen versagten, und Gehirne verrotteten in aufbrechenden Schädeln.
Selbst mit geringer Energie erzeugten die Apparate Fessel-felder, die ganze Straßen ausfüllten, den Vormarsch der Rebellen verlangsamten und sie zu hilflosen Zielen für traditionellere Waffen machten.
Doch dieser Erfolg hielt nicht lange an. Sobald die Gefahr deutlich wurde, infiltrierten die Kyberratten die Zielsteuersy-steme der Apparate und schalteten sie ab. Kampfesper schalteten die Bedienmannschaften der Apparate aus sicherer Entfernung aus, indem sie entweder ihre Gehirne zerstörten oder sie in Brand setzten . Wo die Truppen durch ESP-Blocker geschützt waren, setzten die Esper Gedankenbomben ein: gemeine kleine Maschinen, die um das tote Hirngewebe von Espern herum aufgebaut waren. Bei der Detonation einer Gedankenbombe wurde jeder Nicht-Esper in ihrem Wirkungskreis zu einem rasenden Wahnsinnigen. Die Soldaten wandten sich gegeneinander und zerrissen sich mit bloßen Händen, und sie kreischten und schrien und heulten und besudelten sich mit dem Blut ihrer Kameraden. Die Streitkräfte der Rebellen drängten vor. Sie überrannten die Stasisprojektoren mitsamt ihren toten oder wahnsinnigen Bedienmannschaften und zogen weiter.
Später würde immer noch Zeit sein, um über die schrecklichen Dinge nachzudenken, die sie getan hatten.
Die Imperatorin gab Befehl, die Grendels loszulassen, die gnadenlosen Killermaschinen, die man in den Gewölben der Schläfer entdeckt hatte. Blutrünstige Monster aus Silizium mit spitzen Stacheln am gesamten Körper rannten durch die Straßen. Sie bewegten sich so schnell, daß das menschliche Auge ihnen nicht folgen konnte, und sie töteten alles, was sich bewegte. Waffen waren nutzlos gegen sie. Sie waren zu schnell und zu stark für ihre menschlichen Gegner, und sie eilten unaufhaltsam durch die überfüllten Straßen und hinterließen nichts als Blut und zerfetzte, ausgeweidete Leichen. Unglücklicherweise besaß die Imperatorin nur eine sehr eingeschränkte Kontrolle über diese Kreaturen. Sobald sie erst einmal aus der Gewalt ihrer kybernetischen Jochs entlassen waren, töteten sie jedes lebende Wesen, dem sie begegneten, ganz gleich, auf welcher Seite es stand. Ohne jegliche Kontrolle oder Führung wüteten die purpurnen, einer Hölle der Fremdwesen entsprun-genen Teufel in den Straßen Golgathas, und Berge von Leichen stapelten sich hinter ihnen. Hätte die Löwenstein mehr von ihnen gehabt, hätte sie das Blatt vielleicht wenden können.
Aber es gab nur wenige, und so blieb der Schaden relativ gering, den sie in einer Stadt voller Kämpfender verursachen konnten.
Der Untergrund entsandte Kampfesper gegen die Grendels; aber viele von ihnen starben beim bloßen Kontakt mit den Be-wußtseinen der Fremd wesen. Sie waren zu fremdartig, zu anders und zu schrecklich, als daß ihr Verstand erträglich war.
Und so rief der Untergrund die Elfen zu Hilfe, die Mitglieder der Esper-Liberations-Front. Die Elfen bildeten den militante-sten Flügel der Rebellen, und sie schickten Poltergeister und Zündler. Bald schon rasten glühende PSI-Stürme durch die Straßen, zerrissen die Grendels und setzten die blutigen Frag-mente in Brand. Eines nach dem anderen fielen die Grendels, während die wilden Kreaturen vergeblich nach einem Feind suchten, den sie weder sehen noch erreichen konnten. Und als ihre Leichname von lodernden Feuern verzehrt wurden, feierten beide kämpfenden Seiten die Elfen als Helden. Niemals zuvor war es Fremdwesen erlaubt worden, durch die Straßen der Heimatwelt zu ziehen und Menschen zu töten, und auf beiden Seiten sahen viele es als ein weiteres Zeichen von Löwensteins wachsendem Wahnsinn an. Soldaten und Zivilisten, die hilflos hatten mit ansehen müssen, wie die Grendels ihre Kameraden und Angehörigen schlachteten, verfluchten die Imperatorin und schlossen sich den Aufständischen an.
Doch es lief nicht alles so glatt für die Rebellen. Der legendäre Halbe Mann führte seine eigenen Truppen durch die Pracht-straße Golgathas. Er kämpfte an vorderster Front und schlug die Rebellion nieder, wo er sie fand, und er setzte alle Mittel ein, die dazu nötig waren. Seine Erfolge und seine kühle militärische Art beflügelten seine Soldaten, und fast reichte allein seine Persönlichkeit aus, um das Stadtzentrum zu halten und zu verteidigen, ganz gleich, wie groß die Übermacht auch sein mochte.
Für seine Truppen war er genausosehr Held wie Legende , Beschützer der Menschheit, und sie hielten ihre Stellung und kämpften lieber bis zum Tod, als ihn zu enttäuschen. Und so überließen ihm die Rebellen das Zentrum der Stadt und umgin-gen es. Denn schließlich war er nur ein einzelner Mann, und er konnte nicht überall zugleich sein.
Die Kyberratten drangen in Golgathas Hauptkommunikati-onssysteme ein und schalteten jeden militärischen Kommunikationskanal aus, den sie erreichen konnten. Die einzelnen Einheiten wurden voneinander isoliert und kämpften auf sich allein gestellt. Strategie wurde zu einer Unmöglichkeit, und Verstärkungen rannten hilflos im Kreis. Imperiale Esper waren keine Gegner für die organisierten Telepathen des Untergrunds, und schnell zerfielen die militärischen Organisationen und der Sicherheitsapparat. Befehle erreichten ihre Bestimmungsorte nicht mehr. Hilferufe blieben unbeantwortet. Das Chaos regierte. Doch die Aufständischen verschwendeten ihre Energien in Plünderungen und trivialer Rache, trotz aller Anstrengungen des Untergrunds, sie zu führen. Die Rebellen selbst blieben in der Unterzahl und waren in ihrer Bewaffnung dem Gegner weit unterlegen, und je länger die Kämpfe dauerten, desto schlechter standen die Chancen für sie. Sie mußten zuschlagen, solange sie noch den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite hatten, und die Kontrolle über Golgatha übernehmen . Die Rebellion konnte noch immer zerfallen und niedergeschlagen werden, trotz all ihrer bisherigen Erfolge. Das Militär wußte dies, und es wartete ab. Es hielt Schlüsselpositionen besetzt und verweigerte den Rebellen den Durchgang. Und so wurde unendlich viel Blut vergossen, und auf beiden Seiten starben Männer und Frauen. Das Schlachtenglück wandte sich in diese und in jene Richtung, und nach und nach wuchs bei den Führern des Untergrunds die Verzweiflung . Allmählich sah es ganz danach aus, als hingen ihre Hoffnungen von einer kleinen Gruppe von Helden und Legenden ab, die bisher noch nicht einmal in Erscheinung getreten waren, und als stünde oder fiele die ganze Rebellion mit Owen Todtsteltzer und seinen Freunden.