Die Festung Shandrakor von Giles Todtsteltzer, das ursprüngliche Zuhause und der Zufluchtsort des Todtsteltzer-Clans, fiel aus dem Hyperraum und ging in einen Orbit über dem Planeten Golgatha. Shandrakor war ein gewaltiges steinernes Schloß mit eigenem Hyperraumantrieb und eigenen Schilden und vielen anderen Überraschungen, und es hing lautlos über der Heimatwelt wie ein Gespenst aus der Vergangenheit, aus den besseren Tagen des Imperiums, bevor der Traum zu einem Alptraum geworden war und gute Männer sterben mußten, weil die bösen an die Macht gekommen waren. Das uralte Steingemäuer glänzte weiß in der Sonne Golgathas, bleich wie ein Geist: Das Faktotum war gekommen, um die Usurpatoren hinauszuwer-fen. Nach 943 Jahren war die Festung des Todtsteltzers endlich wieder nach Hause zurückgekehrt.
Giles Todtsteltzer stand gelassen in der Großen Halle seiner Festung. Er stand mit dem Rücken zu einem prasselnden Feuer und beobachtete den Planeten tief unter sich, der sich langsam auf dem gewaltigen Sichtschirm am Ende der Großen Halle drehte . Giles war in seinen üblichen abgetragenen Lederanzug und die schlampigen Felle gekleidet. An den Armen baumelte goldener Schmuck, und mit dem Zopf der Söldner sah er eher aus wie ein Barbarenkrieger aus der fernen Vergangenheit der Menschen, als wie der erste Oberste Krieger des Imperiums, der Held und die Legende, die er seit beinahe einem Jahrtausend im gesamten Imperium war. Das lange zweihändige Schwert hing in einer ledernen Scheide quer über seinem Rük-ken, und der lederumwickelte Griff ragte über die Schulter, als warte er nur darauf, endlich wieder gepackt zu werden. Der ursprüngliche Todtsteltzer, der Namensgeber und Gründer seines Clans, war aus dem Exil zu einer Heimatwelt zurückgekehrt, die ihn nicht mehr kannte.
Sein ferner Abkömmling, Owen Todtsteltzer, stand ein wenig abseits von ihm, zusammen mit seiner Waffengefährtin Hazel d’Ark. Zwischen den beiden hatte sich eine Nähe entwickelt, die zuvor noch nicht dagewesen war – als hätten sie während der Invasion der Nebelwelt etwas Wichtiges über sich selbst und den jeweils anderen erfahren. Sie standen hoch aufgerichtet und voller Selbstvertrauen da, und eine Aura von Stärke, Macht und Größe umgab die beiden. Sie trugen beide keine Rüstung; doch während Owen sich mit Schwert und Disruptor begnügte, hatte Hazel sich mit so vielen Waffen beladen, wie sie nur tragen konnte. Hazel war ein Waffennarr. Sie hatte einen weiten Weg hinter sich seit ihrer ersten Begegnung mit Owen auf Virimonde, auf einem Feld, das nicht mehr existierte, und es fiel Giles schwer, in Owen den zurückgezogenen Gelehrten und in Hazel die unfreiwillige Piratin von einst zu sehen. Sie hatten ihre Bestimmung gefunden, und das war nicht zu übersehen.
Auf der anderen Seite des gewaltigen Kaminfeuers stand Jakob Ohnesorg, der legendäre professionelle Rebell. Von dem gebrochenen alten Mann, den Owen erst vor so kurzer Zeit in seinem Versteck in Nebelhafen vorgefunden hatte, war nichts mehr zu sehen. Er war einer kraftvollen, muskulösen Gestalt in den besten Jahren gewichen. Jakob hatte sich selbst neu erschaffen, allein durch sein Selbstvertrauen, seine Kraft, seinen Mut und die mysteriösen Kräfte des Labyrinths des Wahnsinns, und er war wieder einmal der Held aus den Legenden geworden. Er stand einfach nur da, gelassen und entspannt, und doch sah er aus, als könne er es ganz alleine mit dem verdammten Imperium aufnehmen. Und wenn es auf dem Weg dahin zu Blut und Gewalt und dem Niedermetzeln von Feinden kommen sollte, dann war ihm das gar nicht mal unrecht.
Dicht an seiner Seite stand Ruby Reise, und sie sah aus, als gehöre sie dorthin und als wäre das schon immer dort gewesen.
Sie trug schwarze Lederkleider unter einem weißen Fellumhang, und sie war auf einschüchternde Weise attraktiv, genau wie jene Art von Blumen, deren Blütenpollen unruhige Träume bescheren. Sie stand einfach nur da, aber sie sah gefährlich aus wie die Hölle, und es schien ihr sogar zu gefallen. Im Gegensatz zu den anderen, die gemeinsamen mit ihr durch das Labyrinth des Wahnsinns gegangen waren, hatte sich Ruby Reise nicht sehr verändert. Sie war nur in allem… raffinierter geworden.
Als Kopfgeldjägerin hatte sie ihre Opfer meistens tot zurück-gebracht statt lebendig, weil das weniger Papierkram bedeutete . Sie suchte den Kampf und die Schlacht und die gefährlichsten Verbrecher und höchsten Kopfgelder, nur um zu beweisen, daß sie genauso gemein war, wie es jeder von ihr behauptete .
Und indem sie zu den Rebellen übergelaufen war, hatte sie sich nur einen noch größeren Feind gesucht. Ihr ging es immer noch um nichts anderes als um Beute und Chaos, und was die Rebellion betraf, so sah sie im Durcheinander Golgathas lediglich eine Gelegenheit, ihre finanzielle Situation ein wenig aufzubes-sern. Sie besaß in der Tat nicht die geringste Absicht, sich mit so unwichtigen Dingen wie Politik abzugeben. Mit diesen Dingen sollte Jakob Ohnesorg sich befassen. Im Gegensatz zu Ru-by verstand er wenigstens etwas davon.
Alexander Sturm, der müde, alte Mann, hatte die meiste Zeit seines Lebens für die Große Rebellion gekämpft. Als junger Mann hatte er in unzähligen Schlachten an der Seite Jakob Ohnesorgs gekämpft. Früher war er ein brillanter Schwertkämpfer und verwegener Abenteurer gewesen, ein Held, der beinahe so berühmt gewesen war wie Jakob Ohnesorg selbst, doch heute drückten Bitterkeit und das Gewicht des Alters auf seine Schultern. Er konzentrierte seine verbliebene Energie darauf, dem Untergrund bei der Entwicklung seiner politischen und strategischen Ziele zu helfen, und falls er Eifersucht auf seinen alten Freund Jakob Ohnesorg verspürte, der im Gegensatz zu ihm auf geheimnisvolle Weise wieder jung und vital geworden war, dann behielt er es zumindest für sich – die meiste Zeit über jedenfalls.
Und schließlich waren da noch Jung Jakob Ohnesorg und Johana Wahn. Sie standen abseits von den anderen beisammen, weil niemand unnötig viel mit ihnen zu tun haben wollte, und selbst jetzt noch gaben sie sich alle erdenkliche Mühe, sich gegenseitig zu ignorieren.
Jung Jakob Ohnesorg war wie aus dem Nichts auf der Bildfläche erschienen und hatte behauptet, der echte Jakob Ohnesorg zu sein. Zu seiner Entschuldigung mußte gesagt werden, daß er ganz genau wie ein Held aus dem Bilderbuch aussah. Er war groß und kraftvoll und in eine silberne Kampfrüstung mit goldenen Ziselierungen gehüllt, und er strahlte positive Kraft und Weisheit aus. Er war Zoll für Zoll ein Held, und die Menschen folgten ihm beinahe instinktiv , sogar in die aussichtslo-sesten Situationen. Er war unschlagbar mit dem Schwert und erstürmte Barrikaden und führte mutig tollkühne Rettungsak-tionen durch, ohne auch nur für eine Sekunde das strahlende Grinsen zu verlieren. Schon jetzt wurde er als Retter der Nebelwelt während der Invasion durch die Imperatorin Löwenstein gefeiert, als hätte er allein und eigenhändig die Imperialen Streitkräfte nach Hause geschickt . Owen und Hazel hätten eine andere Version der Geschichte erzählen können, doch sie zogen es vor zu schweigen. Die Rebellion brauchte ihre Helden, um die Massen aufzurühren.
Noch immer war nicht klar, welcher der beiden Ohnesorgs denn nun der echte war. Beide waren sie mächtige Kämpfer und kühne Strategen. Und so benutzte der Untergrund, weise wie immer, beide gleichermaßen.
Johana Wahn war ein anderer Fall. Das Imperium hatte irgendwo tief in ihr etwas zerbrochen, und es war nicht wieder richtig zusammengewachsen. Aber dann war Johana von dem rätselhaften Überesper berührt worden, der Mater Mundi, und seither besaß sie gewaltige Kräfte. Ihre Gegenwart brachte die Luft ringsum zum Knistern wie ein Gewitter, das jeden Augenblick loszubrechen drohte. Johana lebte nur für ihre Rache, und sie verließ sich darauf, daß die Rebellion ihrem Leben Sinn und Ziel gab. Einst hatte sie einen anderen Namen getragen; doch das war in einem anderen Leben gewesen, und es war schon sehr lange her. Die meiste Zeit über erinnerte sie sich kaum noch an den unbedeutenden Esper, der Diana Vertue geheißen hatte.