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Hazel hatte die Bar geöffnet und arbeitete sich durch die Ka-raffen. Sie nahm einen ordentlichen Schluck von allem, bis sie auf etwas stieß, das ihr wirklich schmeckte. Sie packte die Karaffe, kehrte zu Owen und Giles zurück und setzte sich den beiden gegenüber. Owen bedachte sie mit einem harten Blick.

Hazel gab vor, es nicht bemerkt zu haben, und bot ihm einen Schluck an. Owen lehnte höflich ab. Giles öffnete ein Auge, erblickte Hazel und die Karaffe, rümpfte die Nase und schloß das Auge wieder. Hazel bedachte ihn mit einer ordinären Geste, und Owen war froh, daß Giles es nicht sah. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Giles hatte Owen bei mehr als einer Gelegenheit zu verstehen gegeben, daß er nichts von Hazel hielt. In seinen Augen war sie als Partnerin für den letzten aus der Linie der Todtsteltzer völlig ungeeignet. Einmal hatte er es sogar in Hazels Gegenwart gesagt, und Owen hatte sie festhalten müssen, um sie daran zu hindern, sich auf seinen Vorfahren zu stürzen. Giles hatte nur die Nase gerümpft und erklärt, daß ihre Redaktion nur ein weiterer Beweis für die Richtigkeit seiner Meinung wäre. Hazel hatte Owen abgeschüttelt, etwas sehr Unhöfliches über Inzucht innerhalb der Aristokratie gesagt und war davonstolziert. Owen war hin und her gerissen gewesen, ob er sich mit seinem Vorfahren streiten, oder ob er hinter Hazel her eilen sollte, um sie zu beruhigen; doch am Ende hatte er beschlossen, daß Diskretion der bessere Teil der Ehre war, und hatte beide sich selbst überlassen. Bei manchen Streitereien weiß man von Anfang an, daß man keine Aussichten hat, sie zu gewinnen.

»Weißt du, das Ganze war irgendwie viel zu leicht«, sagte Hazel, nachdem sie die Karaffe abgesetzt und sich den Mund mit dem Handrücken abgewischt hatte. »Ich meine, wenn man bedenkt, daß dies hier der einzige Zugang zum Hof der Löwenstein ist. Ich hätte erwartet, daß es in der Station nur so von Sicherheitsmaßnahmen wimmelt. Statt dessen keinerlei bewaffnete Wachen; du gibst ein paar Zahlen ein, und schon geht’s los. Das sieht mir gar nicht nach der paranoiden Eisernen Hexe aus, die wir alle kennen und verabscheuen.«

»Die Löwenstein hat schon immer die Meinung vertreten, daß Einfachheit das beste ist«, sagte Owen. »Man braucht nicht viel, um diese Züge sicher zu machen. Wenn sie erst einmal unterwegs sind, gibt es keinen Fluchtweg mehr. Die Waggons sind verschlossen , und die Gasdüsen können vom Palast aus beim ersten beunruhigenden Anzeichen aktiviert werden. Ich hoffe nur , daß die Kodes, die Ozymandius und mein Vater uns zur Verfügung gestellt haben, entweder die Sensoren der Waggons blockieren, oder verhindern, daß wir vom Palast aus mit Gas überschüttet werden können. Man hat mir erzählt, es wäre ein langsamer und ziemlich schrecklicher Tod.«

Hazel starrte auf die nächstgelegene Gasdüse. »Augenblick mal!« sagte sie. »Willst du mir vielleicht erzählen, daß du nicht genau weißt, ob diese Kodes funktionieren?«

»Ich fürchte ja. Ozymandius weiß keine Einzelheiten. Wie es scheint, hat mein Vater vor längerer Zeit die Kodes in die Speicher der KI geladen; aber er ist nie dazu gekommen, ihre Funktion zu erklären. Das ist typisch für meinen Vater. Er erklärte nie irgend etwas, außer, wenn es absolut notwendig war. Ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen.«

»Du verlangst allen Ernstes von mir, daß ich einer KI vertraue, die eigentlich längst tot sein müßte und die nur du allein hören kannst? Und die noch dazu von einem Mann programmiert wurde, der sein Leben lang Intrigen geschmiedet und sich an Verrat ergötzt hat? Also schön. Haltet den Zug an. Ich will aussteigen. Ich werde den restlichen Weg zu Fuß gehen.«

»Die Züge sind so programmiert, daß sie nirgendwo anhalten, außer an ihrem Zielort«, erwiderte Owen gelassen. »Ich könnte natürlich die Tür aufbrechen und dich hinauswerfen; aber dann hättest du einen Marsch von wenigstens zehn Meilen vor dir. Allein. In der Dunkelheit. Außerdem müßtest du dich mit unbekannten Sicherheitseinrichtungen herumschlagen, die ganz definitiv nicht durch meine Kodes deaktiviert worden sind.«

Hazel blickte ihn mit gerunzelter Stirn an und suchte dann Trost in ihrer Karaffe. »Ich hasse es, daß du immer recht haben mußt. Du bist dann so selbstzufrieden und unausstehlich.«

Owen unterdrückte sein Grinsen und richtete den Blick auf Giles. Der erste Todtsteltzer hatte die Augen geschlossen. »Alles in Ordnung, Giles?«

Giles schlug die Augen auf und nickte Owen zu. Hazel ignorierte er. »Könnte nicht besser sein, mein Junge. Ich habe sehr lange auf diesen Augenblick gewartet. Ich habe Ewigkeiten davon geträumt, eines Tages nach Hause zurückzukehren und die alten Ungerechtigkeiten zu vergelten, die man mir angetan hat. Sie warfen mich hinaus, Owen. Sie erklärten mich zum Verbrecher, nach allem, was ich für sie getan hatte. Ich schenkte ihnen mein Leben und meine Ehre, kämpfte ihre Kriege und tötete ihre Feinde, und ich befleckte unseren Namen mit dem Dunkelzonen-Projektor, und nicht einmal das reichte ihnen.

Aber jetzt, 943 Jahre später, bin ich zurück, und ich präsentiere ihnen die Rechnung für alles, was sie mir angetan haben.«

Er unterbrach sich so abrupt, daß Owen und Hazel glaubten, er wolle nichts mehr zu diesem Thema sagen, und tatsächlich schweifte sein Blick in weite Fernen, in eine lange zurückliegende Zeit des Verrats und Betrugs. Owen rutschte unbehaglich in seinem Sitz hin und her. Der ursprüngliche Todtsteltzer war schon so lange ein Held und eine Legende, daß es Owen immer wieder schwerfiel, ihn sich als Menschen aus Heisch und Blut vorzustellen, der verletzlich war und einen alten Groll in sich trug. Owen konnte nicht anders; aber er war der Auffassung, daß ein Mann wie der große und berühmte Erste Todtsteltzer eigentlich über derartigen Dingen hätte stehen müssen.

Die vor ihnen liegenden Aufgaben ließen außerdem keinen Platz mehr für so einfache Dinge wie Rache, das wußte selbst Owen. Aber um fair zu bleiben: Giles hatte nie ein Hehl daraus gemacht, daß er sich aus ganz privaten Gründen der Rebellion angeschlossen hatte und nicht wegen der Untergrundbewegung oder irgendeinem ihrer hehren Ziele. Die Rebellion war für Giles von Anfang an nur Mittel zum Zweck gewesen . Diese Tatsache für sich allein genommen reichte bereits, damit Owen sich Gedanken machte, doch da war auch noch eine zweite merkwürdige Beobachtung: Für einen Mann, der den größten Teil des letzten Jahrtausends in Stasis verbracht hatte, war Giles häufig genug bemerkenswert gut informiert, was die heutige Zeit betraf. Owen seufzte innerlich. Wenn man schon Giles Todtsteltzer, dem legendären Helden und Krieger, nicht vertrauen konnte – wem konnte man denn überhaupt vertrauen?

Immer vorausgesetzt natürlich, der Mann vor ihm war wirklich Giles Todtsteltzer.

Die Fahrt verlief ohne besondere Ereignisse. Hazel warf immer wieder mißtrauische Blicke auf die Gasdüsen an der Decke und senkte den Brandypegel in ihrer Karaffe sichtbar. Schließlich wurde Owen deswegen so nervös, daß er ihr die Karaffe wegnahm und sie zurück in die Bar stellte. Es war ein Zeichen dafür, wie weit ihre Freundschaft inzwischen fortgeschritten war, daß sie sich ihm nicht widersetzte; trotzdem sprach sie die restliche Zeit über kein Wort mehr mit ihm.

Schließlich wurde der Zug immer langsamer hielt schließlich an. Die Tür glitt auf, und das Brummen der Motoren erstarb.

Mit einemmal herrschte völlige Stille. Owen erhob sich aus seinem Sitz. Er spürte, wie sein Herz heftig in der Brust klopfte. Sie waren am Hof angekommen. Keine weiteren Pläne, keine Streitereien mehr und keine leisen Panikanfälle in den frühen Morgenstunden, wenn alle anderen fest schliefen.

Und kein Weg zurück.

Hier am Hof würde sich innerhalb der nächsten Stunden sein Schicksal entscheiden und mit ihm das des gesamten Imperiums. Auf die eine oder andere Weise.