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Er zog das Schwert und den Disruptor, atmete tief durch und trat auf den Bahnsteig hinaus. Er kam nur ein paar Schritte weit und blieb dann wie angewurzelt stehen. Er hörte, wie Giles und Hazel hinter ihm aus dem Zug ausstiegen; aber er hatte nur Augen für den einzelnen Mann, der die drei Rebellen am anderen Ende des Bahnsteigs erwartete. Und im gleichen Augenblick, in dem Owen ihn sah, wußte er, daß er eigentlich von Anfang damit hätte rechnen müssen, ihn hier zu treffen. Daß es nur recht und billig war, wenn dieser Mann vor allen anderen dort war und versuchen würde, sie aufzuhalten. Er stand in einiger Entfernung auf dem hell erleuchteten Bahnsteig, hielt das Schwert in der Hand und wartete geduldig darauf, daß die drei Rebellen zu ihm kamen. Die energetische Hälfte seines Körpers knisterte und knackte laut in der Stille.

Der Halbe Mann.

Hazel trat zu Owen und fluchte leise. »Ich wußte gleich, daß alles viel zu glatt gelaufen ist«, sagte sie. »Warum muß es ausgerechnet er sein? Der einzige Mensch im ganzen verdammten Imperium, den man nicht töten kann.«

»Weil meine Loyalität außer Frage steht«, antwortete der Halbe Mann. »Weil die Sensoren in den Waggons uns verraten haben, wer auf dem Weg hierher war, und weil die Löwenstein wußte, daß ein außergewöhnlich tapferer Mann nötig sein wür-de, um Euch aufzuhalten. Und weil ich hier sein wollte. Die Löwenstein war ziemlich wütend, als die Gasdüsen nicht funktionierten, aber ich nicht. Es wäre ein so… erbärmlicher Weg gewesen, Euch zu besiegen. So ist es viel besser. Findet Ihr es nicht passend, daß der treueste Untertan im gesamten Imperium den berüchtigtsten Hochverrätern gegenübertritt? Ich schät-ze, es ist zu spät, um Euch Eure Verrücktheit ausreden zu wollen?«

»Viel zu spät«, antwortete Giles.

»Und es ist auch nicht Verrücktheit«, sagte Owen, »sondern Notwendigkeit. Das Imperium ist krank, korrupt und böse geworden. Es muß niedergerissen werden, damit etwas Besseres seinen Platz einnehmen kann.«

»Das habe ich alles schon so oft gehört«, erwiderte der Halbe Mann. Sein halbes Gesicht blieb ausdruckslos; doch seine Stimme klang entschlossen. »Aber es bedeutet gar nichts im Vergleich mit dem Bösen, das draußen vor dem Imperium lauert. Die Fremdwesen, die mein Schiff zerstörten und meine Besatzung ermordet und mir das hier angetan haben, lauern noch immer dort draußen und warten darauf, daß wir schwach und uneins werden, damit sie kommen und uns vernichten können. Und die belanglosen Mißstände, über die Ihr Euch die Köpfe zerbrecht, sind nichts im Vergleich zu dem, was diese Fremdwesen der Menschheit antun werden. Ich habe an Bord ihres Schiffes Schrecken gesehen und erlebt, die weit über Eure schlimmsten Alpträume hinausgehen. Im Vergleich zu ihnen sind wir nichts. Allein der vereinten Kraft des Imperiums kann es gelingen, sie aufzuhalten. Und mit Eurer Rebellion setzt Ihr das Überleben unserer gesamten Spezies aufs Spiel.«

»Spar dir diesen Mist!« knurrte Hazel. »Das mußte ich mir mein ganzes Leben lang anhören. Wo stecken denn deine Fremdwesen? Keine Spur von ihnen zu sehen, all die Jahre nicht. Falls sie kommen wollten, hätten sie das schon vor langer Zeit getan. Heutzutage benutzen Typen wie ihr das doch nur noch als Ausrede, um an der Macht zu bleiben. Damit Leute wie ihr mit Leuten wie mir machen könnt, wozu ihr Lust habt. Laß die Fremdwesen nur kommen. Sie können nicht schlimmer sein als das Leben, zu dem Typen wie du mich und meinesgleichen verdammen wollen. Ihr seid die wirklichen Fremdwesen. Ihr habt nichts, aber auch gar nichts mit den Menschen gemeinsam, deren Leben ihr in den Händen haltet.«

»Hazel hat ganz recht«, bestätigte Owen. »Ihr schwafelt schon so lange von einer Bedrohung durch bösartige Fremdwesen, daß ihr damit inzwischen alles rechtfertigen könnt, was ihr wollt. Und wenn Ihr wirklich wollt, daß das Imperium überlebt, Halber Mann, dann tretet zur Seite. Laßt uns die Löwenstein stürzen und die Dinge wieder ins rechte Lot bringen.«

»Ihr wüßtet doch gar nicht, was Ihr mit einem Imperium anfangen solltet«, entgegnete der Halbe Mann. »Eure Leute würden plündern und rauben und in Jahrhunderten gewachsene Traditionen zerstören, nur um ihre eigenen primitiven Gelüste und Bedürfnisse zu befriedigen. Ich kann nachvollziehen, was eine Frau wie diese d’Ark hier antreibt, aber was zur Hölle machen zwei Todtsteltzer hier? Ihr habt einen Eid auf Euren Namen, auf Euer Blut und auf Eure Ehre geschworen, daß Ihr der Imperatorin treu ergeben seid und ihr dienen werdet, solange Ihr lebt.«

»Nein, haben wir nicht«, widersprach Giles. »Unser Eid galt dem Eisernen Thron und nicht der Wahnsinnigen, die jetzt darauf sitzt.«

»Die Unterscheidung ist ohne jede praktische Bedeutung«, sagte der Halbe Mann. Er trat ihnen ohne Eile entgegen, und das Geräusch seines einen menschlichen Fußes auf dem Bahnsteig klang seltsam laut in der unheimlichen Stille. Owen hatte das Gefühl, als lausche das gesamte Imperium mit angehalte-nem Atem und wartete auf das, was als nächstes geschehen mußte. »Es gibt nichts mehr, das wir miteinander zu besprechen hätten, Vogelfreie«, sagte der Halbe Mann. »Wir sprechen nicht einmal mehr die gleiche Sprache.«

»Ich glaube nicht, daß wir jemals die gleiche Sprache gesprochen haben«, erwiderte Owen ein wenig traurig. »Werft Euer Schwert weg. Ihr habt nicht die geringste Chance gegen uns drei.«

»Ihr könnt mich nicht töten«, erwiderte der Halbe Mann.

»Niemand kann das.«

»Ihr kennt uns nicht«, sagte Giles. »Wir sind nicht wie die anderen.«

»Das haben wir schon gehört«, entgegnete der Halbe Mann.

Er blieb ein paar Meter vor den Rebellen stehen, und sein halber Mund verzog sich zu etwas, das möglicherweise ein Grinsen darstellen sollte. »Wißt Ihr, was das hier ist?« fragte er.

In seiner menschlichen Hand hielt er ein kleines Metallkästchen mit einem einzelnen roten Knopf darauf. Owen, Hazel und Giles hatten kaum genug Zeit, den Apparat als Gedankenbombe zu identifizieren; dann drückte der Halbe Mann auch schon auf den Knopf.

Die Technik in der Schachtel stimulierte das tote Gehirngewebe eines Espers, und ein psionisches Signal entstand, das über die drei Rebellen kam und wie ein Wirbelsturm in ihre Köpfe eindrang. Owen, Hazel und Giles schwankten heftig. Sie rissen die Hände hoch, preßten sie an die Schläfen und kämpften gegen das entsetzliche Heulen an, das ihnen den Verstand zu rauben drohte. Owen taumelte einen Schritt zurück. Die Augen schienen ihm aus dem Kopf fallen zu wollen. Seine Gedanken bewegten sich langsam und ungeordnet und gehorchten ihm nicht mehr. Helle Lichter flackerten rings um ihn auf, und in seinen Ohren schrien die Stimmen von Wahnsinnigen. Irgend etwas marschierte in seinem Kopf auf und ab, und es war nicht er selbst. Schmerz und Schwäche nagten an seinem Körper, und obwohl all das mit ihm geschah, vernahm er noch immer die Stimme des Halben Mannes.

»Interessant«, sagte der Halbe Mann. »Wir waren nicht sicher, welche Auswirkungen die Gedankenbombe auf Euch haben würde. Wir wußten ziemlich genau, daß Ihr keine richtigen Esper seid, aber was auch immer Ihr seid, die Chancen standen nicht schlecht, daß die Bombe Euch ziemlich zu schaffen machen würde. Selbstverständlich bin ich immun dagegen.

Hört auf, Euch zu wehren, es ist sinnlos. Diese Bombe hier wurde speziell für Euch extrem in ihrer Wirkung und Reichweite verstärkt. Wärt Ihr normale Sterbliche, würden Eure Gehirne inzwischen aus den Ohren tropfen. Aber keine Angst.

Haltet einfach einen Augenblick lang still, und ich werde Euch von Euren Leiden erlösen

Owen hatte den Disruptor fallengelassen. Seine Hände fühlten sich an, als gehörten sie jemand anderem. Er wußte nur, daß er das Schwert noch hielt, weil er es in der Faust mit den weißen Knöcheln sehen konnte, als er an sich hinunter blickte.

Giles war neben ihm in die Knie gegangen. Er hatte die Augen weit aufgerissen und starrte ins Leere, und er zuckte und zitterte am ganzen Leib, während seine Nerven ein wahres Feuerwerk in seinem Körper abbrannten.