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Stimmt es nicht, Gregor?«

»Fahrt fort«, grollte der Shreck . »Nur weil eine Sache notwendig ist, bedeutet das noch lange nicht, daß ich mich vor Rebellenabschaum beuge. Ihr habt nicht gewonnen, Ohnesorg, und wir haben nicht verloren. Eine Pattsituation. Ihr könntet zu Eurem ursprünglichen Plan zurückkehren und weiter versuchen, uns zu stürzen, aber ich schwöre Euch, wir kämpfen bis zum letzten Überlebenden in jedem einzeln Clan, und wir werden dafür Sorge tragen, daß die meisten Eurer Leute ebenfalls dabei draufgehen. Sicher, Ihr könnt gewinnen, aber es würde Tausenden Eurer Leute das Leben kosten. Was sagt Ihr jetzt, Ohnesorg? Ist Euer Bedürfnis nach Rache den Tod so vieler Eurer Anhänger wert? Vor allem dann, wenn Ihr sie und den Tag mit einem einzigen Wort retten könnt?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Ohnesorg. »Vielleicht . Solange Typen wie Ihr am Leben sind und ihrer gerechten Strafe entgehen, solange war die gesamte Rebellion umsonst. Und all die vielen, die auf dem Weg hierher gestorben sind, wären dann für nichts gestorben. Das System muß fallen, und Ihr seid ein Teil des Systems.«

»Falls wir untergehen, fällt nicht nur das System«, sagte Gregor. Um seine Lippen spielte ein böses Grinsen. »Bisher kennt Ihr nur die halbe Wahrheit. Jetzt kommt der Rest: Solltet Ihr das Angebot ablehnen, setzen wir unsere gesamte finanzielle Macht ein, um die wirtschaftliche Basis des Imperiums zu zerstören. Wir sind dazu in der Lage. Wir setzen unsere Lektronen ein, um das Bankensystem so gründlich zusammenbrechen zu lassen, daß es Jahrhunderte braucht, um sich wieder zu erholen. Und seit dem Angriff Eures Freundes Owen Todtsteltzer auf die Steuerbehörde sind die Geldmärkte bereits ange-schlagen. Es kostet nicht mehr viel, ihnen den Rest zu geben.

Alles Geld würde wertlos. Jeder Kredit würde sich in Luft auflösen. Handel wäre unmöglich. Die Planeten wären voneinander abgeschnitten. Millionen würden verhungern, und weitere Millionen würden wegen der verbliebenen Krümel gegeneinander kämpfen. Was wäre dann aus Eurer glorreichen Rebellion geworden, Ohnesorg? Zerstört uns, und wir zerstören die Menschen, für deren Rettung Ihr so lange gekämpft habt.«

»Könnten sie das wirklich?« wandte sich Ruby an Ohnesorg.

»Könnten die Familien wirklich so etwas zustande bringen?«

»O ja«, sagte Jakob. »Und es entspricht genau ihrer Art und Weise zu denken

»Die Ordnung der Dinge ändert sich«, sagte SB Chojiro, »aber wir bestehen fort. Und wir haben einer neuen Regierung sehr viel anzubieten.«

»Noch ist die Rebellion nicht vorbei«, erwiderte Sturm nachdenklich. »Die Imperatorin ist noch längst nicht geschlagen.«

»Die Imperatorin ist wahnsinnig«, sagte der Shreck. »Wir erkennen die Zeichen der Zeit, ganz besonders, wenn sie mit Blut geschrieben werden. Treffen wir nun ein Abkommen oder nicht? Solange wir hier stehen und reden, sterben auf beiden Seiten unnötig Menschen. Nicht, daß ich einen Dreck darauf geben würde, aber Euch ist das doch ganz bestimmt nicht egal.

Entscheidet Euch, Ohnesorg. Wir wissen, daß der Untergrund sich an Eure Entscheidung gebunden fühlen wird.«

»Hör nicht auf ihn, Jakob«, drängte Ruby Reise. »Wir sind nicht bis hierher gekommen, um so dicht vor dem Ziel aufzugeben. Wir können die Familien stürzen, genau wie du es immer gewollt hast.«

»Du hast selbst gehört, welchen Preis wir dafür zu zahlen hätten«, entgegnete Ohnesorg. »Ich habe immer für das Wohl der Menschen gekämpft, nie für meine eigenen Wünsche. Welchen Sinn hat es, ein Imperium zu stürzen, wenn wir nur noch Asche haben, um darin zu leben? Die Bedürfnisse der Menschen kommen an erster Stelle. Wenn ich ihre Zukunft um meiner eigenen Rache willen aufs Spiel setze, dann wird alles, wofür ich jemals gekämpft habe, zu einer Lüge. Wer weiß – wenn wir die Familien aus der Politik ausschließen, können wir sie vielleicht sogar… zivilisieren.«

»Und was ist mit den Chojiros?« begehrte Ruby erhitzt auf.

»All die Schwüre, die du abgelegt hast, sie zu töten und auf ihre Gräber zu pinkeln? Bedeuten sie denn gar nichts mehr?«

»Ich habe mehr Grund, die Chojiros zu hassen, als du dir jemals vorstellen kannst«, erwiderte Ohnesorg kalt. »Ich wünsche mir so sehnlich ihren Tod, daß ich mein Leben für eine Chance opfern würde, sie allesamt mit Stumpf und Stiel auszulöschen. Aber ich werde und kann keine unschuldigen Leben für meine alten Wunden opfern. Außerdem… vielleicht ergibt sich ja noch die Gelegenheit zu einer kleinen privaten Vendetta, sobald die Rebellion erst vorüber ist.«

»Sicher«, sagte SB Chojiro. Sie lächelte noch immer. »Der Clan Chojiro war immer ein Befürworter der ehrenvollen Tradition der Vendetta.«

»Also stimmt Ihr unserem Angebot zu?« erkundigte sich der Shreck.

»Ja, verdammter Kerl!« fauchte Ohnesorg . »Ja, wir stimmen zu. Ruft Eure Leute zurück, und ich lasse den Angriff abblasen.

Bleibt in den Türmen, bis die Rebellion vorbei ist, und wir verhandeln später über die Einzelheiten. Und bevor Ihr fragt: Nein, ich werde Euch nicht die Hand schütteln. Ich brauche meinen letzten Rest von Selbstachtung.«

»Ich glaube das einfach nicht!« fluchte Ruby und trat einen Schritt zurück, so daß sie alle mit ihrer Waffe in Schach halten konnte. »Ich habe gar nichts zugestimmt! Du verrätst die Rebellion, Jakob! Du verrätst jedes verdammte Versprechen, das du jemals abgegeben hast. All die Dinge, die du zu mir gesagt hast, all die Dinge, die ich dir glauben sollte, und jetzt, wo der Tag der Abrechnung endlich da ist, triffst du Abmachungen mit dem Feind!«

»Das nennt sich Politik, Liebling«, sagte Ohnesorg.

»Manchmal ist der Preis zu hoch, den man für seine Ideale zahlen muß . Und wenn ich mit dieser Abmachung leben kann, dann kannst du das auch

»Du bist als Aristo zur Welt gekommen!« schimpfte Ruby

»Und in deinem Herzen bist du immer noch ein verdammter Aristo, trotz allem! Von mir aus triff deine Vereinbarung mit den Familien, Jakob. Aber ich werde dir nie wieder auch nur ein einziges Wort glauben.«

Und am Ende war es genauso einfach, wie es sich angelassen hatte. Die Nachricht wurde verbreitet, die Armada der Schlitten brach den Angriff auf die Türme ab, und auf beiden Seiten schwiegen die Waffen. Viele Rebellen schrien noch immer laut nach Rache, sowohl für ihre gefallenen Kameraden, als auch für die Unzähligen, die im Laufe der Jahrhunderte unter den Füßen der Familien zertrampelt worden waren; doch am Ende ließen sie sich von Zuckerbrot und Peitsche überzeugen. Außerdem war es, wie Ohnesorg schon festgestellt hatte: Niemand hatte die spätere Möglichkeit einer privaten Vendetta ausge-schlossen…

Etwas Gutes hatte die getroffene Vereinbarung dann doch noch: Valentin Wolf vertraute nicht darauf, daß er in Sicherheit war, nach allem, was er getan hatte, und so floh er aus dem Turm Wolf und suchte am Hof der Löwenstein Zuflucht. Indem er den Turm verließ, brach er die Abmachungen und machte sich selbst zu einem legitimen Ziel für jeden, der Lust hatte, ihn zu jagen. Allmählich strömten auch die Zivilisten in ihre Stadt zurück. Sie spürten, daß das Schlimmste ausgestan-den war. Sie jubelten den Rebellen zu und forderten den Sturz der Eisernen Hexe. Sie rissen ihre Statuen um und spuckten darauf; sie steckten öffentliche Gebäude in Brand und stürmten durch die Straßen. Die Aussicht auf Freiheit machte sie trunken vor Freude. Der Untergrund mußte die Menschenmassen von den Kampfschauplätzen weg dirigieren, um die wachsende Begeisterung und die zunehmenden Plünderungen unter Kontrolle zu halten, und das tat seiner allgemeinen Popularität einen gewissen Abbruch. Aber damit konnte und mußte man leben. Jetzt gab es wichtigere Dinge, über die es nachzudenken galt. Die Führer der Bewegung wußten, daß der Krieg nicht vorüber war, solange die Löwenstein noch warm und sicher in ihrem Stahlbunker tief unter der Oberfläche saß, weit weg von den Kämpfen.