Der Kampf dauerte an und wogte hierhin und dorthin, und Tobias Shreck und sein Kameramann Flynn waren dabei und filmten alles. Die Übertragung ging live ins gesamte Imperium hinaus. Sie schwebten gefährlich dicht über den kämpf enden Massen auf einem requirierten Antigravschlitten, eben hoch genug, um außer Reichweite der Schwerter zu bleiben, aber so nah, daß sie sämtliche blutigen Details einfangen konnten. Flynn schickte seine Kamera über die Köpfe der drängenden Menge und suchte unentwegt nach den besten Bildern, während Tobias über dem Rand des Schlittens hing und einen atemlosen Kommentar von sich gab. Seine Stimme war heiser vom vielen Rauch und schierer Überanstrengung. Die beiden Nachrichtenleute hatten inzwischen jedes Aufputschmittel aus Tobias’ um-fangreicher Sammlung geschluckt, um nach so langer ununterbrochener Berichterstattung noch konzentriert genug zu sein, und sie hatten schon vor langer Zeit jegliche Distanz und Unpar-teilichkeit aufgegeben in ihrem fast hysterischen Streben nach den besten Bildern dieses wahrhaft historischen Ereignisses.
Beide wußten, daß sie in ihrem ganzen Leben nie wieder von derart bedeutsamen Ereignissen berichten würden. Sie erspähten die vertrauten Gesichter von Finlay, Evangeline und Julian, riefen den drei Rebellen fröhlich zu und winkten ihnen, in die Kamera zu lächeln. Finlay antwortete mit einem kurzen, aber sehr bildhaften Fluch, der anzeigte, daß sie im Augenblick sehr beschäftigt seien, und Tobias nahm sich im Geiste vor, diese Szene aus zukünftigen Sendungen herauszuschneiden. Flynns Kamera jagte unermüdlich hin und her und fing soviel vom Aderlaß der Kämpfer auf, wie nur irgend möglich. Er wußte, was die Zuschauer mochten, und er mußte sich schon etwas einfallen lassen, um sie bei der Stange zu halten, selbst wenn es hier um historische Ereignisse von allergrößter Bedeutung ging.
Jung Jakob Ohnesorg hackte und stach sich seinen Weg durch eine Armee von Verteidigern. Er stand knöcheltief in Blut. Sein muskulöser Arm hob und senkte sich unermüdlich wie eine Maschine, und kein einziger Feind kam auch nur in seine Nähe. Das breite Grinsen auf seinem Gesicht verschwand nicht einen Augenblick, und er zuckte noch nicht einmal mit den Wimpern, ganz gleich, was auch in seiner Umgebung geschah. Die meiste Zeit über zielte er auf die Körper der Feinde.
Kurze, brutale Streiche, die seine Klinge über Rippen und in Bäuche führten und in einem Schwall von Eingeweiden und Blut wieder hervortreten ließen. Es waren traumatische Wunden, die den Angriff der Feinde auf der Stelle beendeten, ohne sie jedoch sofort zu töten. Sie schwankten und stolperten und kamen ihren Kameraden in die Quere, und ihre Schmerzens-schreie und ihr Entsetzen hatte großartige psychologische Auswirkungen auf die feindlichen Truppen, während die Seite der Rebellen zu immer neuen Leistungen angespornt wurde.
Wahrscheinlich fand niemand außer Finlay, Evangeline und Julian die Zeit, darüber nachzudenken, daß derart gemeine Methoden wirklich nicht das waren, was man von einem berühmten, geachteten Helden wie Jakob Ohnesorg erwartete. Jung Jakob Ohnesorg kämpfte und kämpfte und brüllte seine An-hänger zum Sieg. Seine Feinde fielen reihenweise, und wer ihm nicht rechtzeitig aus dem Weg ging, den zertrampelte er unter den Füßen. Und die ganze Zeit über lächelte er.
Seine Kleider waren mit Blut vollgesogen, doch nichts davon gehörte ihm. Nahe dem Ende der Straße, als das Kommandozentrum nur noch wenige Meter vor ihnen lag, hielt er für einen kurzen Augenblick inne, um Flynns schwebender Kamera zuzulächeln und zu winken.
»Wißt Ihr, eigentlich müßte es doch einen einfacheren Weg geben, um ein Imperium zu stürzen…«
Und dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, und das Töten ging weiter. Oben auf dem Schlitten schlugen sich Tobias und Flynn auf die Schultern. Ein Held und Schwertkünstler, und noch dazu charmant. Jung Jakob Ohnesorg war ein Geschenk Gottes. Die Zuschauer daheim würden sich an ihm nicht satt genug sehen können. Die Sender würden diese eine Szene in ihren Nachrichtenüberblicken noch jahrelang aus-strahlen, ganz gleich, wer die Rebellion am Ende gewann. Tobias gestand sich ein, daß er den jungen Jakob Ohnesorg dem alten bei weitem vorzog, den er auf Technos III kennengelernt hatte. Der junge Jakob Ohnesorg verstand die Notwendigkeit von guter Publicity. Tobias war froh, daß überhaupt jemand hier Verständnis für seine und Flynns Arbeit aufbrachte. Die meisten Rebellen waren viel zu beschäftigt, um mit Tobias zu reden, und die wenigen, die ihm ein Interview gewährten, waren in der Regel zu derb in ihren Antworten. Und man durfte schließlich nicht allzusehr übertreiben.
Tobias steuerte den Schlitten so nah an Jung Jakob Ohnesorg heran, wie er nur konnte. Falls im Zweifel, folge einfach dem Geschehen. Und so kam es, daß Tobias und Flynn in der idea-len Position waren, um die Granate zu sehen, die aus den Reihen der Verteidiger geschleudert wurde, und die fast in Zeitlupe auf den jungen Jakob Ohnesorg zusegelte. Die Granate flog genau vor der Linse der Kamera vorbei, hing auf dem höchsten Punkt ihrer Flugbahn Sekundenbruchteile reglos in der Luft und fiel dann Jakob Ohnesorg direkt vor die Füße. Viele Rebellen hatten sie kommen gesehen und schrien laute Warnungen; doch in der dicht gedrängten Menge von Kämpfern hatte Jakob keine Möglichkeit auszuweichen. Die Granate ging direkt vor ihm hoch, und er wurde von der vollen Wucht der Explosion getroffen . Die Druckwelle schleuderte ihn zur Seite und durch Freund und Feind gleichermaßen hindurch, und er krachte in die hohe Steinmauer, die diesen Teil der Straße begrenzte. Die Mauer schwankte und kippte nach vorn, und ihre Trümmer begruben alles unter sich, was ihrem Fall im Weg stand. Dutzende anderer Kämpfer, Rebellen und Imperiale ohne Ausnahme , waren von den Splittern der Granate getroffen worden und lagen schreiend am Boden.
Evangeline, Finlay und Julian hatten hinter dem hastig errichteten psionischen Schild des Espers Deckung gefunden. Als er jetzt wieder verschwand, rief Finlay den Rebellen zu, die Lücke zu stopfen und die Imperialen abzuwehren, damit er die Trümmer der umgestürzten Mauer wegräumen konnte . Männer und Frauen stürzten sich nach vorn, und alles rief Finlay zu, um Gottes willen den jungen Jakob Ohnesorg zu retten. Finlay war ziemlich sicher, daß Ohnesorg tot sein mußte. Aber vielleicht gab es ja doch noch den Hauch einer Chance…
Er beugte sich über die Trümmer und begann, Ziegelsteine wegzuräumen. Bald waren Evangeline und Julian an seiner Seite und halfen ihm. Weitere Rebellen drängten heran und wollten ebenfalls helfen, aber sie standen nur im Weg. Julian errichtete einen psionischen Schirm, um die überzähligen Helfer abzuhalten, bis sie verstanden hatten, worum es ging. Finlay und Evangeline gruben weiter. Es dauerte nicht lange, bis sie die ersten Gliedmaßen fanden. Die Wucht der Explosion hatte ihre Opfer buchstäblich zerrissen. Finlay und Evangeline gruben weiter und durch die blutigen Überreste hindurch. Flynns Kamera schwebte über ihren Köpfen und filmte alles. Einige der abgerissenen Gliedmaßen zuckten noch. Finlay und Evangeline gruben sich durch die sterblichen Überreste ihrer Kameraden, und ihre Arme waren bis zu den Ellbogen voller Blut.
Schließlich kamen sie zu dem, was von Jung Jakob Ohnesorg übriggeblieben war. Sekundenlang standen sie da wie erstarrt, betäubt von dem sich bietenden Anblick, der sich ihnen bot.
Dann drehte Finlay sich um und starrte Tobias und Flynn an.
»Schaltet die Liveübertragung ab! Auf der Stelle abschalten, sage ich!«
Tobias lehnte sich über den Rand des Schlittens und wollte mit Finlay diskutieren. Er blickte an Finlay vorbei und sah, was Finlay gesehen hatte – und er zuckte zusammen und gab Flynn einen scharfen Wink, der keinen Widerspruch duldete. Der Kameramann nickte und beendete die Liveübertragung; doch er hielt die Kamera weiter auf die Szene gerichtet und filmte.
Finlay und Evangeline beugten sich über das Loch, und Tobias lenkte den Antigravschlitten über die beiden und den freigeleg-ten Körper von Jung Jakob Ohnesorg.