Ein Holoschirm summte, und die Löwenstein brachte Schwejksam mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen. Sie aktivierte den Schirm, und das Gesicht von General Shaw Beckett erschien. Er sah müde und niedergeschlagen aus.
Im Hintergrund war die Brücke seines Schiffs zu sehen, und dort schien das Chaos ausgebrochen zu sein. Leute rannten hin und her und riefen und fluchten, und unaufhörlich schrillten Alarmsirenen. Beckett sah die Löwenstein mit festem Blick an, und als er sprach, tat er es mit lauter Stimme, um das Chaos zu übertönen.
»Euer Majestät! Ich habe mein Bestes gegeben, um Euer Imperium und Euch mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Ich bedaure Euch mitteilen zu müssen, daß ich versagt habe. Der Krieg im All ist vorbei. Meine Flotte ist versprengt und vernichtet; meine Bodentruppen wurden auf allen Welten überrannt, mit denen ich noch in Verbindung stehe, und ich habe nichts mehr, womit ich noch kämpfen könnte.
Ich sehe keine Möglichkeit und keine Strategie, die mir erlauben würde, diese Rückschläge wettzumachen. Aus diesem Grund – und um so viele meiner Leute zu retten wie möglich, sowohl im Raum als auch am Boden – habe ich Kontakt mit den Anführern der Rebellen aufgenommen und ihnen meine Kapitulation angeboten.
Mein Ratschlag an Euer Majestät lautet, das gleiche zu tun, um die bestmöglichen Bedingungen auszuhandeln, solange dies noch möglich ist. Ich werde das Kommando über die Flotte an die Autoritäten übergeben, die nach Euer Majestät kommen. Es tut mir leid, Löwenstein, aber ich muß an meine Männer denken. Es hat genug Tod und Leid gegeben. Wer weiß, vielleicht ist es so am besten . Ich wünsche Euch viel Glück, Euer Majestät. Falls wir beide überleben, werden wir uns vielleicht eines Tages in besseren Zeiten wiedersehen.«
Er schaltete ab, und der Holoschirm war bereits leer, während die Löwenstein noch Luft holte, um ihren General zu be-schimpfen. Lange Zeit starrte sie mit leeren Augen um sich und trommelte mit den Fäusten auf den Armlehnen ihres Throns.
Die Jungfrauen zu ihren Füßen wurden unruhig, als sie die Stimmung ihrer Herrin aufnahmen. Schließlich blieb ihr Blick an Schwejksam und Frost hängen, und sie nickte langsam.
»Wir sind von Dummköpfen und Verrätern umgeben! Aber Wir haben immer noch Euch. Ihr seid Unsere Geheimwaffe!
Wir legen Euch den Befehl über all unsere Streitkräfte in die Hände, Kapitän und Investigator. Verteidigt das Imperium!
Tötet den Abschaum, der in Unseren Straßen randaliert . Und wagt es ja nicht, Uns zu enttäuschen!« Erneut kochte die Wut in ihr über, und ihre Stimme erhob sich zu einem frustrierten Keifen. »Gibt es denn sonst niemanden mehr, der Uns vor dem Pöbel beschützt?«
»Selbstverständlich. Ich bin auch noch da«, sagte Alexander Sturm.
Alle Köpfe fuhren herum und starrten verblüfft auf den alten Rebellen, der ohne Eile durch die Schrecken der Hölle zum Thron schlenderte . Jakob Ohnesorg stapfte hinter ihm her, und er zog eine sich wehrende und in Ketten gelegte Ruby Reise an einer Leine um den Hals hinter sich her . Wenn Ruby sich sträubte, zog Ohnesorg so lange an der Leine, bis sie keine Luft mehr bekam und ihr keine andere Wahl blieb, als ihm zu folgen. In respektvoller Entfernung vor den Jungfrauen blieb Sturm stehen, bedeutete Ohnesorg das gleiche zu tun und verneigte sich tief und höfisch vor der Löwenstein und den anderen Anwesenden.
»Euer Majestät, verehrte Gäste: Darf ich Euch meine beiden Gefangenen präsentieren: die höchst verdammenswerten Rebellen und Verräter Jakob Ohnesorg und Ruby Reise? Verfahrt mit ihnen, wie auch immer Ihr wünscht. Sie gehören Euch.«
Lange Zeit herrschte absolute Stille, und dann lachte die Löwenstein hysterisch und klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen. »Seht Ihr, meine Freunde? Es ist erst dann vorbei, wenn ich es sage, und keinen Augenblick früher!«
Owen Todtsteltzer, sein Urahn Giles und Hazel d’Ark hatten die Vorhalle erreicht, die den einzigen Zugang zum Hof der Löwenstein bildete. Es war eine riesige, hohe Kaverne aus glänzendem Stahl und Messing, mit hohen, kunstvoll verzier-ten Stützpfeilern aus Gold und Silber, und sie erstreckte sich weitläufig in alle Richtungen.
Jedes Geräusch hallte endlos in der Leere wider. Normalerweise war die Vorhalle angefüllt mit Lobbyisten und hohen Staatsdienern, die ungeduldig darauf warteten , daß sich die großen Stahltüren endlich öffneten und sie eine Gelegenheit erhielten , von der Imperatorin gehört zu werden. Doch jetzt lag die Vorhalle leer und verlassen. Owen, Hazel und Giles standen vor den großen geschlossenen Flügeltüren und starrten sie nachdenklich an.
»Wahrscheinlich sind sie verschlossen« , sagte Owen .
»Wahrscheinlich«, stimmte ihm Hazel zu . »Wahrscheinlich hast du recht. Ich nehme an , du besitzt nicht rein zufällig die Kodes dafür, oder?«
»Ich fürchte nein«, gestand Owen. »Ich nehme an, du hast nicht rein zufällig eine Ladung Sprengstoff mitgebracht, oder?«
»Ich fürchte nein«, gestand Hazel. »Ich schätze, wir müssen uns mit Hilfe brutaler Gewalt und purer Ignoranz Zutritt verschaffen.«
»Dann fangt mal damit an«, brummte Giles. »Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, und ich habe heute noch eine Menge vor.«
Owen und Hazel wechselten einen Blick; doch bevor einer von ihnen etwas darauf erwidern konnte, gab es einen hellen Lichtblitz, und Tobias Shreck, sein Kameramann Flynn und Johana Wahn erschienen wie aus dem Nichts. Johana hatte sich mit einem psionischen Schutzschild umgeben, aber als niemand sie angriff, senkte sie ihn wieder. Tobias und Flynn überzeugten sich davon, daß die Kamera noch immer bei ihnen war; dann sahen sie sich offenen Mundes um. Tobias erkannte, wer vor ihm stand und wo sie gelandet waren, und er gestikulierte Flynn drängend, mit dem Filmen zu beginnen.
»Was zur Hölle habt ihr hier zu suchen?« fragte Hazel wenig einladend.
»Die Mater Mundi wollte, daß wir hier sind«, sagte Johana Wahn. »Falls Euch das nicht gefällt, beschwert Euch bei ihr.
Offensichtlich möchte sie, daß der Sturz der Imperatorin live im gesamten Imperium übertragen wird. Aber warum sie mich hier haben will… ich weiß es nicht. Zweifellos werde ich es in Kürze herausfinden. Also, bitte bringt mich auf den neuesten Stand. Was liegt zwischen uns und dem Hof?«
»Nun, im Grunde genommen nur diese Türen hier«, sagte Owen. »Ich persönlich hätte gedacht, daß wir auf stärkere Sicherheitsmaßnahmen treffen würden.«
Er unterbrach sich, und alle fuhren beim Geräusch sich nähernder Schritte herum – einer ganzen Menge sich nähernder Schritte. Wer Waffen hatte, zog sie. Johana Wahn beschwor ihr ESP herauf, und reine psionische Energie erfüllte die Luft mit ihrem Knistern. Flynn schickte seine Kamera zur Decke empor, überzeugte sich davon, daß sie in die richtige Richtung schaute und beeilte sich anschließend, zusammen mit Tobias hinter den anderen in Deckung zu gehen. Er war kaum dort angekommen, als eine kleine Armee von Löwensteins persönlicher Leibgarde in die Vorhalle des Imperialen Hofs gestürmt kam . Sie waren mit Schwertern und persönlichen Schutzschilden ausgerüstet.
Owen packte sein Schwert fester . Es waren wenigstens zwei-hundert Angreifer. Hazel funkelte den Todtsteltzer an.
»Was mußtest du auch dein großes Maul aufreißen!«
»Ergebt Euch!« rief der kommandierende Offizier. »Ihr seid ganz gewaltig in der Unterzahl, und Ihr habt nicht die geringste Chance.«
Owen grinste Giles an. »Er scheint uns nicht zu kennen, was?«