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Später dann war es nur noch eine Frage des geeigneten Zeitpunkts, bis ich die Kontrollworte benutzte, die unsere Hirntechs in Jakobs Unterbewußtsein eingepflanzt hatten. Und hier ist er nun, der große, berüchtigte Rebell Jakob Ohnesorg, und er steht vor Euer Majestät wie ein harmloses neugeborenes Kätzchen.«

»Was ist mit der Kopfgeldjägerin?« erkundigte sich Razor.

»Ich habe Berichte gesehen, denen zufolge sie Esperfähigkeiten besitzen soll…?«

»Macht Euch ihretwegen keine Sorgen«, sagte Sturm leichthin. »Sie ist bis zum Hals voll mit Beruhigungsmitteln und in so viele Ketten und Fesseln gewickelt, daß es ein Wunder ist, wenn sie überhaupt noch stehen kann.« Er ging zu Ruby hinüber und trat ihr von hinten in die Kniekehlen. Sie sackte zu Boden, und ihre Ketten rasselten laut. Sturm lachte fröhlich und trat wieder vor den Thron.

»Ich dachte, Ohnesorg sei Euer Freund?« erkundigte sich Kapitän Schwejksam.

Sturm zuckte die Schultern. »Das war er auch, früher. Und dann hat er mich im Stich gelassen, weil er nur ein Mensch war, nichts weiter. Legenden sollten nicht alt und müde und langsam werden, und sie sollten nicht häufiger verlieren als gewinnen. Ich war es leid, zu den Verlierern zu gehören. Ich wollte auf der Seite der Sieger stehen. Ich wollte Luxus und Reichtum und ein schönes Leben, das die vielen Jahre der Mühen wettmachte. Niemand hat es mir je gedankt, daß ich so oft mein Leben riskiert habe, keiner von diesen Bastarden . Keiner hat jemals gesagt: Danke, du hast genug getan, jetzt kann jemand anderes weitermachen. Nein, sie wollten immer und immer mehr. Sogar Jakob. Noch einmal in die Schlacht, und noch einmal und noch einmal. Auf irgendeinem gottvergessenen Felsen, von dem ich bis dahin noch nie ein Wort gehört hatte, führten wir verblödete Bauern gegen ausgebildete Imperiale Truppen, und alles für nichts und wieder nichts. All das viele Blut und die Angst und die toten Freunde – ich war es satt bis oben hin. Als Jakob fiel und in Gefangenschaft geriet, hat mir das die Augen geöffnet. Ich erkannte, wie vergeblich die ganze Rebellion war. Selbst wenn wir gewonnen und die Imperatorin gestürzt hätten, wäre sie durch irgend jemanden ersetzt worden, der genauso ist wie sie. Das liegt in der Natur der Sache und der Art und Weise, wie die Dinge sich immer wieder entwik-keln. Also tauschte ich Armut und Hoffnungslosigkeit gegen Reichtum und Sicherheit ein. Und gegen eine Chance, die Rebellen für all die Jahre meines Lebens bezahlen zu lassen, die sie mir achtlos gestohlen haben.«

»Er war trotzdem stets Euer Freund«, sagte Schwejksam.

Sturm funkelte den Kapitän wütend an. »War er das? Ich weiß nicht einmal mehr, wer er ist! Er müßte so alt sein wie ich, aber seht ihn Euch an! Er ist jung, und ich bin es nicht. Er ist ein Mann, der wieder einmal das Schicksal in den Händen hält, und ich nicht. Mein ganzes Leben war unfair, und er war schon immer das Unfairste daran.«

»Ich werde dich töten«, sagte Ruby Reise mit schwerer Zunge. Alle drehten sich nach der Kopfgeldjägerin um, die am Boden kniete und wegen ihrer Ketten nicht mehr auf die Beine kam. Sie hatte Mühe, den Kopf oben zu halten; doch sie warf Sturm haßerfüllte Blicke zu. »Er hat dir vertraut und dich geliebt wie einen Bruder. Er hat an deiner Seite gekämpft. Ich werde dich ganz langsam töten, du verräterischer Bastard. Ich werde dir das Herz herausreißen und es vor deinen Augen zer-quetschen, bevor du tot bist. Ketten können mich nicht halten, und Drogen lassen irgendwann in ihrer Wirkung nach. Ich werde dich sterben sehen, noch bevor ich sterbe.«

»Halt den Mund«, sagte Sturm. Er stolzierte zu ihr hinüber und boxte sie auf den Mund. Ruby kippte hintenüber. »Ich konnte dich noch nie ausstehen, du Miststück.« Er versetzte ihr ein paar Tritte.

»Ich denke, das reicht jetzt«, sagte Owen Todtsteltzer.

Seine Stimme hallte scharf und befehlend durch den gesamten Hof, und Sturm wich unwillkürlich ein paar Schritte zu-rück.

Alle drehten sich um und sahen, wie Owen seine Begleiter durch das Inferno hindurch zum Eisernen Thron führte. Zwei Todtsteltzer, beide Legenden und Männer, die das Schicksal der Menschheit in den Händen hielten. Hazel d’Ark, die einstige Piratin und Heldin der Rebellen. Johana Wahn, die heilige Verrückte des Esper-Untergrunds. Und hinter ihnen, wie Aas-geier mit großer Erfahrung auf Schlachtfeldern, die beiden Nachrichtenmänner Tobias und Flynn, die gekommen waren, um das Ende der Geschichte zu erleben, wie auch immer sie ausgehen mochte.

Investigator Razor und Kit Sommer-Eiland traten hastig vor den Eisernen Thron und zwischen die Löwenstein und die Neuankömmlinge. Sturm eilte zurück zum Hohen Lord Dram und Valentin Wolf. Schwejksam und Frost zückten ihre Schwerter. Stelmach zog seinen Disruptor. Die Jungfrauen der Eisernen Hexe regten sich unruhig und fauchten die Eindring-linge an, während Owen seine Kameraden ungerührt zum Thron führte. Neben Ruby Reise machten sie halt. Ruby blickte ihre Freunde an und spuckte einen Mund voller Blut aus.

»Hat ganz schön lange gedauert, bis ihr hier wart.«

»Tut uns leid«, antwortete Owen. »Wir wurden ein wenig aufgehalten. Brauchst du Hilfe?«

»Du träumst wohl, Aristo.« Ruby erhob sich, spannte die Arme, und die Ketten zerrissen und fielen von ihr ab. Sie grinste den wie betäubt dastehenden Sturm an. »Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, Ketten und Drogen könnten jemanden wie mich halten, oder?«

Owen blickte sich am Hof um und ließ die schwelenden Krater, die brennenden Engel und die großen Löcher im Boden, aus denen die Schreie der Verdammten nach oben drangen, auf sich einwirken. Er betrachtete die Reihen mit den Gepfählten und die gefolterten Sünder, die an ihren Ketten von der Decke baumelten und das blutrote Licht, in das alles getaucht war, und als sein Blick schließlich wieder zurück zur Löwenstein wanderte und er sprach, da war seine Stimme so eiskalt wie seine Augen. »Hübscher Ort, den Ihr Euch da ausgesucht habt, Löwenstein. Er paßt zu Euch. Ihr hattet schon immer einen Hang zum Extremen, aber diesmal habt Ihr Euch selbst über-troffen, schätze ich. Ihr habt den Schritt von der geistig Verwirrten zur Psychopathin hinter Euch. Ihr seid krank im Kopf, Löwenstein. Eine tollwütige Hündin, ein rasendes wildes Tier; es ist unsere Pflicht, Euch aus dem Verkehr zu ziehen

Die Löwenstein lehnte sich offensichtlich ungerührt auf ihrem Thron zurück. »Willkommen an Unserem Hof, Verbrecher . Wir haben Ihn und Seine Begleiter bereits erwartet, und Wir haben sogar ein paar Gäste eingeladen, besondere Freunde, die Er sicher gerne wiedersieht. Zum Beispiel…«

Sie schnippte mit den Fingern, und eine tarnende Holoillusion erlosch. Schräg hinter dem Eisernen Thron kam ein großes hölzernes Kreuz zum Vorschein, und an das Kreuz genagelt war Schwester Oberin Beatrice Cristiana, die Heilige von Technos III.

Ihre Nonnenrobe war zerrissen und blutverschmiert, und ihre Haube war verschwunden und durch eine Dornenkrone ersetzt worden. Getrocknetes Blut klebte an ihren durchbohrten Hand-gelenken und Knöcheln, und noch mehr Blut war über ihr Gesicht gelaufen, als man die Dornenkrone mit Gewalt auf ihren Kopf gedrückt hatte. Sie lebte noch und war bei vollem Be-wußtsein, so daß sie die schrecklichen Schmerzen der Wunden spürte, die man ihr zugefügt hatte. Ihr Gesicht war verzerrt und ließ nichts mehr von seiner normalen Ernsthaftigkeit erkennen, nur noch reines animalisches Leiden.

»Sie schien so begierig darauf zu sein, als Märtyrerin zu sterben, daß Wir dachten, Wir sollten ihr den Gefallen tun«, höhn-te die Löwenstein. »Wenn sie es mit ihrer Religion wirklich ernst meint, müßte sie es eigentlich als Kompliment auffassen, oder nicht? Der Märtyrertod ist doch angeblich die höchste Ehre, die man ihnen in diesem Leben erweisen kann, stimmt’s?«