Der Wolf zuckte die Schultern. »Ich habe lediglich Befehlen gehorcht. Keine originelle Ausrede, das weiß ich selbst, andererseits sind die alten Witze immer noch die besten. Und ich kann äußerst loyal sein – im Gegenzug für die entsprechenden Belohnungen, versteht sich. Ich bin sicher, die Anführer der Untergrundbewegung wissen meinen Wert zu schätzen. Ich weiß vieles, versteht Ihr? Dinge, die für den Untergrund wichtig sind, falls er ohne unnötiges Blutvergießen und Leid die Kontrolle über das Imperium erlangen will. Was ist für Euch wichtiger, Todtsteltzer? Meine Bestrafung oder möglichst wenig Blutvergießen beim Errichten eines neuen Imperiums?
Nein, sie werden mir vergeben, ganz gleich, wie laut der Pöbel nach meinem Kopf schreit. Ich bin viel zu wertvoll, um verschwendet zu werden. Aber keine Angst, Todtsteltzer, Euch bleibt ja immer noch die Imperatorin zum Töten. Viel Spaß dabei. Man hat nicht jeden Tag Gelegenheit, eine Herrscherin zu ermorden, nicht wahr?«
»Zu exekutieren«, korrigierte Owen.
Valentin grinste. »Ihr liebt wohl solche Wortspielereien, wie, Todtsteltzer?«
Die Löwenstein drehte sich auf ihrem Thron verzweifelt zu ihren beiden letzten Leibwächtern um. »Razor! Sommer-Eiland! Verteidigt Uns!«
»Nein«, widersprach Kit gelassen. »Ich denke nicht, daß ich das tun werde. Ihr seid schuld daran, daß David auf Virimonde sterben mußte. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hierher zurückgekehrt. Ich wollte aus der Nähe sehen, wie Ihr sterbt.
Und Euch selbst töten, falls nötig. Mein David ist tot. Ich werde mir Euren Tod mit Freuden ansehen, Löwenstein.«
Razor riß das Schwert heraus und wirbelte es mit einem brutalen Schwung seitlich in Richtung von Kits Hals. Doch trotz all seiner Investigator-Schnelligkeit und seines Trainings schaffte er es nicht, den Sommer-Eiland zu überraschen. Kits eigenes Schwert war genau an der richtigen Stelle, um den Hieb abzublocken – als hätte er die ganze Zeit über gewußt, was Razor tun würde. Und vielleicht war das tatsächlich so.
Immerhin war er Kid Death, der lächelnde Killer. Die beiden Männer sprangen auseinander, zwei perfekte Kämpfer, die zu-sammengekommen waren, um endlich herauszufinden, wer von beiden der Bessere war. Ihre Schwerter krachten gegeneinander, und sie umkreisten sich in einer verwirrenden Serie von Streichen und Paraden. Razor war ein Investigator. Er war von Kindesbeinen an zu einer perfekten Tötungsmaschine in Diensten der Imperatorin ausgebildet worden. Kit Sommer-Eiland auf der anderen Seite war ein natürlicher Psychopath, ein Genie, was den Schwertkampf und das Töten anbetraf. Er hatte seine eigene Familie umgebracht, weil das Töten ihm Freude bereitete. Zwei Männer, die den Tod zu ihrer Herrin gemacht hatten, und die nichts von Gnade oder Erbarmen wußten. Und am Ende war es der Genius, der sich gegenüber dem Training durchsetzte. Kit lockte Razor in ein Corps à Corps, grinste ihn über die gekreuzten Schwerter hinweg fröhlich an und schob ihm mit der anderen Hand einen Dolch zwischen die Rippen.
Einen Augenblick lang wirkte Razor verblüfft, als könne er nicht glauben, was geschehen war, dann schwand die Kraft aus seinen Beinen, und er sank in die Knie. Kit kniete zusammen mit ihm nieder und schob den Dolch noch ein wenig tiefer.
Razor ließ das Schwert fallen. Er begegnete Kits Blick und brachte sogar ein verächtliches Schnauben zustande.
»Du hast mich nur geschlagen, weil ich alt und langsam geworden bin, Knabe.«
»Nein«, widersprach Kit. »Ich habe dich geschlagen, weil du immer noch Angst vor dem Sterben hast. Ich hatte niemals Angst davor. Und jetzt halt den Mund und stirb. Ich habe noch andere Dinge zu erledigen.«
Er schob den Dolch noch einen Zoll tiefer, und das Licht in Razors Augen erlosch. Er kippte hintenüber und lag still. Kit wartete einen Augenblick, bis der letzte Atemhauch aus seinem Feind gewichen war, dann grinste er flüchtig, nahm seinen Dolch wieder an sich und erhob sich. Er nickte Owen zu.
»Das Imperium hat David getötet. Nicht ich. Er war der einzige Freund, den ich je gehabt habe. Ich schätze, ich bin wieder bei der Rebellion.«
»Was läßt Euch denken, wir würden einen Irren wie Euch bei uns dulden?« fragte Johana.
Kit hob eine Augenbraue. »Hört euch das an! Nein, man wird mich wieder aufnehmen . Leute wie ich werden immer gebraucht. Irgend jemand muß die Schmutzarbeit erledigen, die niemand anderes machen will. Mir ist es egal. Ich bin ein Killer. Ich bin da, wo das Töten stattfindet.«
Löwenstein hob eine Hand und spielte mit den Fingern im Haar. Lange blonde Strähnen lösten sich und fielen herab.
»Will denn niemand seine Imperatorin in ihrer Stunde der Not verteidigen?« rief sie. »Ist Uns denn kein einziges loyales Sub-jekt verblieben?«
»Zur Hölle«, sagte Dram. »Ich schätze, da rede ich auch noch ein Wörtchen mit.« Er trat vor und postierte sich zwischen dem Thron und den Rebellen. »Ich habe immer zu Euch gehört, Löwenstein. Bis daß der Tod uns scheidet. Ihr habt mich erschaffen. Ihr habt mir alles gegeben. Und wenn mein Leben auch ein wenig kürzer war, als es hätte sein sollen – langweilig war es ganz bestimmt nicht.« Er grinste Owen an. »Ich habe mich auf Virimonde köstlich amüsiert, Todtsteltzer. Es war amüsant, zu sehen, wie deine Bauern vor mir davonrannten. Ich habe sie niedergestreckt und zertreten. Ich habe ihr Blut in der gepflügten Erde versickern und ihre Städte im frühen Morgen-grauen brennen gesehen. Ich habe deine Welt gefressen und wieder ausgespuckt, Todtsteltzer, und ich habe jede einzelne Minute davon genossen. Ich bin Dram, der Witwenmacher, der Unbesiegte. Und nachdem ich erst dich und deine Freunde ge-tötet habe, werde ich eigenhändig die Truppen führen, die eure Rebellion dahin zurücktreiben, wo sie hingehört: in den Gully.
Ihr hattet nie eine echte Chance. Ihr seid Abschaum, die Nied-rigsten unter den Niedrigen, nichts als Dreck unter den Absätzen. Tritt vor, Todtsteltzer, und ich schlage dir deinen dummen Schädel von den Schultern und stecke ihn auf einen Pfahl.«
»Verdammt!« entfuhr es Hazel. »Dieser Kerl schwingt sogar noch längere Reden als du, Owen.«
»Keine Sorge, Hazel«, sagte Owen. »Damit ist es bald vorbei.«
»Nein!« bellte Giles Todtsteltzer und hielt Owen mit ausge-strecktem Arm zurück, als dieser sich in Bewegung setzen wollte. »Er gehört mir.«
Der ursprüngliche Todtsteltzer trat vor, und Dram nahm eine Verteidigungsposition ein. Die Spitze seines Schwerts war auf Giles gerichtet. Giles schüttelte den Kopf. »Du bist ein Amateur. Wer auch immer du bist, Dram bist du nicht. Dram war mein eigener Sohn, und ich habe ihn ausgebildet. Er war ein besserer Schwertkämpfer, als du es je sein wirst. Ich selbst ha-be ihn auf Haden getötet. Es war notwendig. Als ich hierher kam und dich beim Thron stehen sah, da wußte ich gleich, daß ich es erneut tun müßte. Es hat mich fast umgebracht, meinen eigenen Sohn töten zu müssen; aber ich glaube kaum, daß es mir Schwierigkeiten bereitet, einen Klon zu vernichten.«
Dram sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. »Du bist mein Vater? Das wußte ich nicht. Die Löwenstein hat es mir nie gesagt. Du meinst also, ich bin ebenfalls ein Todtsteltzer?«
»Nein«, widersprach Giles. »Du bist ein Klon, weiter nichts.«
»Warte«, sagte Dram. »Wir müssen darüber reden.«
»Nein, müssen wir nicht«, erwiderte Giles. »Du bist nicht mein Sohn. Du bist nicht einmal ein Mensch. Wie kannst du es wagen, das Gesicht meines Sohnes zu tragen?«
Er hob den Disraptor und schoß Dram mitten ins Gesicht.
Der Energiestrahl riß den Kopf des Klons vom Rumpf, und der Leichnam sank zuckend zu Boden. Die Löwenstein sah voller Entsetzen auf Giles, und der ursprüngliche Todtsteltzer grinste sie an. »Was hast du erwartet? Noch ein Duell? Eine Angelegenheit der Ehre, die mit dem Schwert ausgetragen wird? Das habe ich hinter mir. Und das hier hatte nichts mit Ehre zu tun.