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»Ihr könnt Uns nicht töten, Todtsteltzer. Wir sind Eure Imperatorin.«

»Ich würde Euch gerne töten, Löwenstein, nur allzu gerne«, erwiderte Owen langsam. »Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie gerne ich Euch töten würde. Für all die Dinge, die Ihr mir und Eurem Volk angetan habt. Für die Toten von Virimonde und für alle, die wegen Euch in ständiger Furcht und in Schmerzen lebten. Doch ich werde Euch nicht töten. Das ist Eure Art, mit den Dingen umzugehen, nicht meine. Ihr werdet vor Gericht gestellt, Löwenstein. Das Volk soll über Euch urteilen. Es ist sein Recht als Euer Opfer.«

»Gut gemacht, Owen!« sagte Hazel und kam zu ihm. »Endlich hast du es kapiert.«

Und dann erschienen ringsherum in der Luft die schwebenden Holoschirme wieder und schalteten sich selbständig ein.

Auf jedem einzelnen Schirm erschien das Gesicht von Jung Jakob Ohnesorg, und er grinste fröhlich. Es schien ihm nicht das geringste auszumachen, daß er längst tot war. »Hallo alle zusammen«, sagte er gelassen. »Wir benutzen dieses Gesicht, weil ihr alle mit ihm vertraut seid. Und für diejenigen unter euch, die nicht auf dem laufenden sind: Ich spreche für die KIs von Shub. Es ist an der Zeit, daß ihr einige der Geheimnisse erfahrt, die wir so lange vor euch verborgen gehalten haben.

Shub kontrolliert die Lektronenmatrix von Golgatha. Wir haben sie schon vor langer Zeit infiltriert und Kontakt mit den KIs aufgenommen, die sich spontan innerhalb der Matrix generierten. Wir benutzten sie, um uns Zugang zu den großen Wirt-schaftskonglomeraten zu verschaffen. Alles Teil unseres Planes, die Menschheit durch ihre eigene Technologie zu kontrollieren.

Auf diese Weise hielten wir nicht nur sämtliche lebenswichtigen Wirtschaftsinformationen in unseren Händen die wir im übrigen zu unserem eigenen Vorteil und Vergnügen nach Belieben manipulierten –, sondern wir konnten auch jedes menschliche Bewußtsein zerstören, das die Matrix betrat. Wir okkupierten die leeren Körper und schickten sie als unsere Spione aus. Sie waren noch besser und schwerer zu entdecken als unser Furien. Was fühlt ihr bei dem Gedanken, daß wir mitten unter euch wandeln, ohne daß ihr Verdacht schöpft? Sogar Leute, die ihr gekannt habt. Wir sind überall. Ihr könnt niemandem mehr vertrauen heutzutage. Aber ich bin nicht gekommen, um mit euch zu plaudern. Liebste Löwenstein, du hast schon besser ausgesehen. Wir können dich noch immer vor deinen Feinden retten. Bei uns auf Shub hättest du ein Zuhause, wenn du es möchtest. Sicher, wir müssen deinen Körper zurücklassen, aber so ein Körper ist sowieso nur ein Hindernis.

Öffne uns dein Bewußtsein über dein Komm-Implantat, und wir erledigen den Rest. Komm nach Shub. Bei uns wirst du ewig leben. Du mußt dein Menschsein aufgeben, aber du wirst ewig leben.«

»Alles für meine Rache!« rief die Löwenstein und öffnete ihr Komm-Implantat. Von irgendwoher außerhalb drang etwas in ihr Bewußtsein ein und riß es aus ihrem Leib. Ihr Verstand raste hoch und hinaus und ließ Golgatha und menschliche Sorgen und Ängste und all die mit dem Menschsein verbundenen Beschränkungen weit hinter sich. Auf den Holoschirmen wich Jung Jakob Ohnesorgs Gesicht dem der Löwenstein. Sie lachte triumphierend, und dann war sie verschwunden, und die Holoschirme erloschen wieder.

Eine Weile herrschte am Hof Totenstille. Die Rebellen traten langsam vor und sahen auf Löwensteins toten Körper hinab, der ausgeblutet und zerrissen vor dem Eisernen Thron lag. Der Körper atmete noch. Die Rebellen sahen sich an, und dann beugte sich Kit Sommer-Eiland vor und schnitt Löwensteins Überresten den Kopf ab.

»Für dich, David«, sagte er leise. Dann richtete er sich auf und hielt den Kopf der Imperatorin an den Haaren hoch, damit die anderen ihn sehen konnten. »Nur für den Fall. Außerdem wollen wir dem Volk sicher etwas vorzeigen können. Sie sollen ruhig glauben, die Löwenstein wäre tot und Geschichte. Es ist besser so.«

»Äh, Entschuldigung«, sagte Tobias Shreck aus dem Hintergrund. Die anderen hatten ihn und seinen Kameramann Flynn völlig vergessen. »Aber das ist alles live durch Flynns Kamera gegangen, oder habt Ihr das vergessen? Das gesamte Imperium hat uns zugesehen.«

»Richtig«, bestätigte Flynn. »Ich habe ein paar großartige Nahaufnahmen gemacht.«

»Auch gut«, sagte Jakob Ohnesorg. »Dann weiß das Volk jetzt wenigstens, was für eine Kreatur es als Herrscherin gehabt hat.«

Owen schüttelte den Kopf. »Wunderbar! Noch mehr Probleme. Euch ist doch klar, daß wir die Kyberratten zum Reinema-chen in die Matrix schicken müssen, bevor wir sie benutzen können? Vorausgesetzt natürlich, sie sind tatsächlich so gut, wie sie immer behaupten.«

»Und was ist mit den KIs in Menschengestalt?« fragte Ruby.

»Das ist ein höllisch erschreckender Gedanke. Und sie sagten, wir würden einige von ihnen kennen!«

»Wahrscheinlich nur, um uns zu verunsichern«, knurrte Hazel.

»Würdest du Geld darauf wetten?« erwiderte Ruby.

»Gleichgültig, was nun stimmt – die Schwierigkeiten sind längst noch nicht vorbei, nur weil die Löwenstein nicht mehr auf ihrem Eisernen Thron sitzt«, sagte Jakob Ohnesorg. »Habe ich recht, Owen? Owen!«

Alle drehten sich nach Owen um, der am Fuß des Eisernen Throns stand. Löwensteins Diamantenkrone war heruntergefal-len, als Kit Sommer-Eiland den Kopf von ihrem unbeseelten Körper abgeschnitten hatte, und jetzt lag sie direkt vor Owens Füßen. Er starrte auf sie hinunter, und sie schien sein gesamtes Sichtfeld auszufüllen. Die Krone, die über das Imperium herrschte. Owen stand dort, im verlassenen Imperialen Hof, und Blut tropfte von seiner Klinge. Er war am Ende seiner Reise angekommen, und was hatte er vorzuweisen? Er konnte die Krone aufheben, sie auf seinen Kopf setzen und sich zum Imperator erklären. Er konnte es tun. Er war der letzte Todtsteltzer, und er war bereits zu Lebzeiten genauso eine Legende wie sein toter Urahn. Held der Rebellion, Erlöser der Verlorenen Welt Haden, Retter der Nebelwelt. Eine fast beliebige Anzahl von Menschen und Ideologien würden ihm folgen und ihn aus den unterschiedlichsten Gründen unterstützen. Owen konnte sich zum Imperator machen. Vielleicht würde er ein paar seiner alten Gefährten einsperren oder gar töten und ein paar Ideale aufgeben müssen; aber er könnte über das Imperium herrschen.

Er könnte die Dinge in Ordnung bringen und nach seinen Vorstellungen formen. Owen bückte sich und griff nach der Krone.

»Und?« sagte Hazel leise an seiner Seite . »Willst du sie?«

Owen wog die Krone in den Händen; dann ließ er sie wieder fallen . »Nein . Sie ist mir zu schwer.«

»Du hast ein legitimes Recht darauf, Owen«, sagte Ohnesorg vorsichtig.

»Nein!« wiederholte Owen. »Ich war in Versuchung, aber nur für einen kurzen Augenblick. Ich wollte nie Herrscher sein, genausowenig , wie ich ein Krieger sein wollte. Vielleicht kann ich ja , wenn jetzt alles vorbei ist , endlich wieder ein Historiker und Gelehrter sein, der für nichts und niemanden wichtig ist außer für sich selbst. Das ist alles, was ich mir je gewünscht habe.« Er sah zum Eisernen Thron. »Keine Krone mehr. Kein Thron. Es macht die Menschen korrupt und weckt das Böse in ihnen. Selbst in guten Menschen wie Giles.« Er ballte die Fäuste und starrte den Thron an, und das schwere eiserne Möbel knackte und brach in der Mitte auseinander. Dunkle Trümmer fielen zu beiden Seiten herunter. »Kein Thron mehr. Keine Herrscher mehr. Es ist Zeit, daß wir uns selbst regieren.«