Bevor sie zu den Rebellen stieß, war sie Piratin gewesen, Söldnerin, Klonpascherin – und das waren nur die Dinge, die sie zugegeben hatte. Sie war gut mit dem Schwert, doch sie zog Pistolen vor, und zwar so viele wie möglich. Und seitdem sie und Owen das gewaltige Lager voller Projektilwaffen im Arse-nal der Todtsteltzer-Fluchtburg entdeckt hatten, hatte Hazel es sich angewöhnt, sich so viele Pistolen und Gewehre samt Munition umzuhängen oder in die Taschen zu stopfen, wie sie nur tragen konnte.
Owen glaubte, daß sie das schiere Gewicht als beruhigend empfand. Owen hingegen beunruhigte es eher – vor allem Hazels Neigung, recht leichtfertig mit den Sicherungshebeln umzugehen.
Er seufzte leise und trommelte mit den Fingern auf die Lehnen seines Sessels, während er darauf wartete, daß die das Schiff steuernden Lektronen der Hadenmänner mit ihren Sicherheitsüberprüfungen fertig wurden. Rein technisch gesehen, vertraute er sein Leben dem störungsfreien Funktionieren der KIs an, welche die Hadenmänner eingebaut hatten – was absolut überhaupt nichts mit seinem Drang nach Sicherheit und Unversehrtheit zu tun hatte. Andererseits hatten Owen natürlich auch keine große Wahl. Irgend jemand mußte das Schiff steuern, und das war ganz bestimmt nicht Owen Todtsteltzer.
Die zahlreichen verschiedenen Systeme eines Raumschiffs im Griff zu haben war harte Arbeit, die viel Geschick erforder-te, und wenn Owen sich nach Arbeit gesehnt hätte, wäre er nicht als Aristokrat zur Welt gekommen.
Die ursprüngliche Sonnenschreiter war von der Familien-KI Ozymandius gesteuert worden, doch Ozymandius hatte sich als Verräter in den Diensten des Imperiums entpuppt. Er hatte geheime Kontrollworte benutzt, um Owen gegen seine Freunde kämpfen zu lassen, und Owen war keine andere Wahl geblieben, als Ozymandius zu zerstören obwohl die KI schon viel länger als alle anderen sein Freund gewesen war.
Owen hatte auch seine Konkubine töten müssen, als sie auf Befehl des Imperiums versucht hatte, ihn zu ermorden. Man konnte einfach niemandem mehr trauen in diesen Tagen.
Wahrscheinlich nicht einmal der Frau, die man liebte… Owen riß seinen Blick von Hazel los und konzentrierte sich in einer bewußten Anstrengung auf etwas anderes. Wenigstens hatten die Hadenmänner diesmal die Toiletten richtig konstruiert. Ihre früheren diesbezüglichen Experimente waren ein wenig… kläglich gewesen. Offensichtlich hatten Hadenmänner keinen Bedarf für derartige Unwichtigkeiten – was Owen ein gutes Stück mehr über die Natur seiner unsicheren Verbündeten verriet, als er eigentlich wissen wollte.
Hazel schlenderte herbei, einen Drink in der Hand. Die Flüssigkeit war von einem blassen Blau, und sie sah aus, als wollte sie aus dem Glas klettern. Mit einem wenig damenhaften Grunzen ließ sich Hazel in den Sessel Owen gegenüber fallen und machte es sich bequem. Sie liebte Luxus, kleinen wie großen, und hauptsächlich deswegen, weil sie in ihrem Leben bisher so wenig davon gekannt hatte. Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Drink, verzog das Gesicht – und schluckte trotzdem.
Hazel ließ niemals ein volles Glas stehen. Es war eine Frage des Prinzips. Owen hatte ein Grinsen unterdrücken müssen, als Hazel es ihm erklärt hatte. Er hatte nicht gedacht, daß Hazel überhaupt wußte, was ein Prinzip war. Selbstverständlich hatte Owen genügend Verstand besessen, ihr das nicht laut zu sagen.
»Und wie schmeckt das Zeug diesmal?« erkundigte er sich wohlgesonnen.
»Glaub mir, du willst es gar nicht wissen«, entgegnete Hazel.
»Die Tatsache, daß ich es überhaupt trinke, ist ein Zeichen, wie unendlich ich mich langweile. Wie lange denn noch, bis wir endlich landen können?«
»Nicht mehr lange, Hazel. Freut Ihr Euch darauf, wieder in Eurem angestammten Revier zu sein?«
»Nicht wirklich, Todtsteltzer. Nebelhafen ist gefährlich, heimtückisch und verflucht kalt, und das nur an den besseren Tagen. Ich kenne tollwütige Ratten mit blutenden Hämorrhoi-den, die freundlicher sind als ein durchschnittlicher Nebelweltler. Ich kann einfach nicht glauben, daß ich mich vom Untergrund dazu habe überreden lassen, in dieses Höllenloch zu-rückzukehren.«
Owen zuckte die Schultern. »Wer sonst, wenn nicht wir, Hazel? Irgend jemand muß schließlich den Untergrund beim Rat von Nebelwelt repräsentieren, und Ihr und ich kennen die Lage vor Ort besser als jeder andere, den sie hätten schicken können.
Laßt den Kopf nicht hängen, Hazel. Diesmal wird es bestimmt nicht so schlimm werden wie bei unserem letzten Besuch – glaube ich. Wir alle sind ein gutes Stück stärker und gerissener als beim letzten Mal.«
Hazel runzelte die Stirn. »Jepp. Deswegen wollte ich sowieso mal mit dir reden. Als dieses Hologramm von einem Blutläufer mich in seinem Labor auseinandernehmen wollte, hast du ihn über Lichtjahre hinweg gepackt und in Stücke gerissen. Einfach durch die Kraft deiner Gedanken. Ich wußte nicht, daß du diese Art von Macht besitzt, Todtsteltzer. Ich jedenfalls hab’ sie nicht.«
»Ich wußte ebenfalls nichts davon, Hazel, bis ich sie benötigte . Unser Aufenthalt im Labyrinth des Wahnsinns hat uns weit mehr verändert, als wir zuerst dachten. Wir sind anders geworden.«
»Der Klang deiner Worte gefällt mir nicht, Todtsteltzer. Wo hören die Veränderungen auf? Sind wir noch Menschen? Oder enden wir am Schluß wie die Hadenmänner, so verschieden von dem, was wir einmal waren, daß wir genausogut Fremdwesen sein könnten?«
Owen zuckte erneut die Schultern. »Ich weiß nicht mehr als Ihr. Ich denke, wir sind so menschlich, wie wir sein wollen.
Unser Menschsein liegt schließlich nicht in dem begründet, was wir tun, sondern wie wir es tun. Außerdem bin ich noch gar nicht sicher, ob unsere Fähigkeiten von Dauer sind. Sie scheinen zu kommen und zu gehen. Wir hatten eine Verbindung untereinander, eine Art mentaler Kopplung zwischen all denjenigen, die das Labyrinth des Wahnsinns durchschritten haben, doch diese Verbindung ist gerissen, als wir uns getrennt haben und unserer eigenen Wege gegangen sind.
Und jetzt kann ich nicht einmal mehr Euch spüren, Hazel.
Spürt Ihr mich noch in Eurem Verstand?«
»Nein«, antwortete Hazel. »Schon seit einiger Zeit nicht mehr.«
»Das könnte mein Fehler sein«, sagte Ozymandius in Owens Ohr. »Vielleicht stört meine Anwesenheit die Schwingungen zwischen euch.«
»Halt den Mund, Ozymandius«, murmelte Owen lautlos. »Du bist tot. Ich habe dich zerstört.«
»Das hättest du wohl gerne. Nein, ich bin noch immer bei dir, um dich zu beraten und um dich durch die kleinen Widrigkei-ten des Lebens zu leiten, Owen.«
»Die einzige kleine Widrigkeit, die mir gegenwärtig zu schaffen macht, ist diese maulende KI in meinem Ohr«, entgegnete Owen. »Würde ich einen guten Kyberdruiden kennen, hätte ich dich längst exorziert. Wer oder was auch immer du bist, ich brauche deine Hilfe nicht. Ich kann ganz hervorragend allein auf mich aufpassen.«
»Also bitte, du undankbarer kleiner Rotz! Wären nicht meine Berechnungen gewesen, wärst du niemals lebendig von Virimonde entkommen, als deine eigenen Sicherheitsleute wegen des auf dich ausgesetzten Kopfgelds hinter dir her waren!
Weißt du, was dein Problem ist? Du bist undankbar. Sieh doch zu, wie du allein zurechtkommst! Ich ziehe mich zum Schmollen zurück.«
Hazel beobachtete Owen unauffällig. Der Todtsteltzer war wieder einmal unvermittelt still geworden. Seine Augen blickten in eine unbestimmte Ferne. Das machte er in letzter Zeit häufiger, und er schaffte es jedesmal, sie damit zu ärgern – und das, obwohl sie vom Beginn ihrer zögerlichen Partnerschaft an gewußt hatte, daß er ein zerstreuter, nachdenklicher Bursche war. Hazel hatte stets an die Tugend des schnellen Handelns geglaubt, vorzugsweise mit einem Schwert oder einer Pistole in der Hand. Mach zuerst sicherheitshalber alle nieder, und denk er s t später über die Konsequenzen nach – wenn überhaupt. Sie fragte sich, was Owen von ihr denken würde, sollte er herausfinden, daß sie wieder Blut nahm.