Owen lachte laut, obwohl in seiner Stimme keine Spur von Humor lag. Die Schlacht raste von einem Ende des Raums zum anderen, und die Wände wurden von Blut bespritzt, bis die ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war. Die sechs mächtigsten Männer von ganz Nebelhafen wichen von der brennenden Tafel zurück und drängten sich ängstlich in einer Ecke des Raums zusammen. Ungläubig mußten sie mit ansehen, wie ein einzelner Mann ihre gesamte Privatarmee nieder-metzelte. Und dann, von einem Augenblick auf den anderen, war es vorbei. Owen Todtsteltzer stand zwischen den Toten und Sterbenden, ein schreckliches Grinsen im Gesicht. Langsam schaute er sich um, während Blut dick und träge von seiner Klinge tropfte. Seine Kleidung war davon durchtränkt, und nicht ein Tropfen gehörte ihm. Er atmete nicht einmal schneller. Dann richtete er sein Grinsen auf die sechs führenden Männer von Nebelhafen, und sie wanden sich unter seinem Blick. Owen ging aus dem Zorn, doch die erwartete Erschöpfung blieb aus. Er fühlte sich noch immer, als könnte er gegen die gesamte Stadt antreten, wenn es sein mußte. Chance kroch unter dem brennenden Tisch hervor, wo er in Deckung gegangen war. Owen streckte die Hand aus, um dem Manager von Abraxus auf die Beine zu helfen. Chance zuckte ängstlich zu-rück. Er rappelte sich auf und blickte Owen aus ungläubigen Augen an.
»Sie hatten nicht den Hauch einer Chance! Ihr habt die Wachen abgeschlachtet wie Vieh! Wer in Gottes Namen seid Ihr?«
»Ich bin der Todtsteltzer«, entgegnete Owen. »Vergeßt das nie.«
Owen drehte sich wieder zu den sechs Männern um, die sich in einer Ecke des Raums drängten. Kaum einer brachte es fertig, seinen Blick zu erwidern. Ohne Eile ging Owen auf sie zu und stieg dabei gelassen über reglose Körper. Seine Stiefel verursachten schmatzende Geräusche auf dem blutdurchtränkten Teppich . Stacey, der Rechtsanwalt, starrte ihm mit einem Ausdruck von Trotz in den Augen an.
»Ihr seid ein Monstrum. Ihr könnt uns trotzdem nicht schlagen. Wir haben Geld. Wir können neue Männer anheuern. Wir können eine ganze Armee von Söldnern anheuern, falls es nötig ist, um Euch zu Fall zu bringen.«
»Heuert nur Eure Armee an«, sagte Owen. »Laßt sie nur alle kommen. Sie retten Euch nicht.«
»Ihr könnt uns nicht umbringen!« rief Neeson. »Wenn wir sterben, landet alles Geld beim Testamentsvollstrecker. Es könnte Jahre dauern. Niemand käme heran.«
»Niemand wird mich aufhalten«, entgegnete Owen. »Weder Ihr noch das Gesetz oder das gesamte verdammte Imperium.
Euer Tag ist zu Ende, und ich bringe Euch die Nacht.«
»Ihr seid vollkommen wahnsinnig!« kreischte Daley. »Genau wie Euer verdammter Vater!«
»Mein Vater war mehr wert als hundert von Eurer Sorte!« erwiderte Owen und steckte das Schwert ein. Er war viel zu wütend. Er wollte es mit bloßen Händen tun. Erneut raste Zornverstärkte Kraft durch seine Adern und da war noch etwas anderes. Er packte die lange schwere Tafel, ignorierte die Flammen, hob sie vom Boden hoch und riß sie auseinander. Achtlos warf er die beiden Teile von sich und rückte auf die sechs heimlichen Herren von Nebelhafen vor . Schreiend flüchteten sie zur Tür. Chance folgte ihnen auf dem Fuß. Sie rannten durch das Vorzimmer und kreischten um Hilfe, während Owen sie vor sich her trieb.
Er war jetzt mehr als nur ein Mensch; er wütete wie eine unaufhaltsame Naturgewalt. Seine Wut raste durch Korridore und Räume und zerstörte alles, was ihr in den Weg kam. Wände rissen und stürzten ein; Ziegelsteine bröckelten, und Mörtel verwandelte sich zu Staub. Große Löcher erschienen im Boden und in der Decke. Holz fing ohne ersichtlichen Grund an, in einem grellen, unnatürlichen Feuer zu brennen. Menschen flohen schreiend aus dem Gebäude, während überall Decken ein-brachen und herabfallendes Mauerwerk sie zu begraben drohte.
Die teppichbedeckten Gänge wogten wie die Wellen eines Ozeans, bevor sich Spalten wie bei einem Erdbeben auftaten.
Und hinter allen kam Owen Todtsteltzer, schweigend und unerbittlich, und er brachte die großartige Gildenhalle zum Einsturz, so wie er eines Tages auch das Imperium stürzen würde, das durch sie repräsentiert wurde.
Einige wenige tapfere Wachen stellten sich ihm entgegen; doch sie wurden beiseitegefegt wie Blätter im Wind. Türen wurden aus ihren Angeln gerissen oder explodierten in ihren Rahmen. Fenster zerbarsten, und Glassplitter segelten wie Schrapnell umher. Stapel von Akten und Papieren flatterten wie erschreckte Vögel durch die Luft. Rohrleitungen platzten, und überall entstanden Wasserfontänen. Freigelegte elektrische Leitungen knisterten und sprühten Funken. Das gesamte Bauwerk schien im Todeskampf aufzuheulen, während es langsam in sich zusammenfiel. Owen Todtsteltzer stapfte durch das Chaos und den Lärm, und er genoß sein Werk. Eine tapfere Seele feuerte mit einem Disruptor auf ihn, doch der Energiestrahl prallte harmlos ab. Nichts und niemand konnte Owen aufhalten.
Schließlich erreichte er die letzten Tür, die schwere Tür, durch die er das Gebäude wenige Minuten zuvor betreten hatte.
Sie flog bei seiner Annäherung krachend aus den Angeln und auf die Straße hinaus, der Menschenmenge vor die Füße, die sich neugierig vor der Halle versammelt hatte. Die Leute redeten durcheinander und beobachteten ungläubig , wie das massive Gebäude einstürzte. Als Owen auf der Straße erschien, verstummten sie und wichen zurück. Die Owen umgebende Macht war in der Luft spürbar wie der Herzschlag eines Riesen. Er ließ seinen Geist ins Gebäude zurücktreiben, um sicherzugehen, daß niemand in seinem Innern gefangen war; dann brachte er es endgültig zum Einsturz. Das Krachen herabfallender Mauerstücke donnerte durch die Straßen, und Rauch und Staub quoll aus leeren Fensteröffnungen und Eingängen. Nur Sekunden später war von dem Bauwerk, das einst eine der größten Gildenhallen von ganz Nebelhafen gewesen war, nur noch ein Haufen Trümmer übrig.
Stille breitete sich aus. Die Gebäude ringsum hatten nicht einen Kratzer abbekommen. Und der Mann, der für all das verantwortlich war, blickte auf sein Werk und fand es gut. Langsam ließ er seine Kräfte versiegen und schloß sie in seinem Innern weg. Er war wieder ein gewöhnlicher Mensch.
Und genau in diesem Augenblick zeigte sich die Stadtwache.
Alle zehn.
Sie blieben in sicherer Entfernung stehen und beobachteten vorsichtig den weiteren Verlauf der Ereignisse. Owen lächelte ihnen freundlich zu.
»Eine Privatangelegenheit«, rief er. »Feindliche Übernahme, sozusagen. Nichts, um das Ihr Euch Sorgen machen müßtet, meine Herren.«
Die Stadtwachen blickten zu Owen, dann zu den Überresten des Gildehauses, und schließlich schauten sie sich gegenseitig an, bevor sie entschieden, die Gegend zu räumen und woanders die Stadt zu bewachen. Die sechs ehemaligen heimlichen Herren von Nebelhafen riefen den Stadtwachen klagend hinterher, doch sie wurden ignoriert. Die Stadtwache mischte sich nicht in private Streitigkeiten ein. Schließlich war das hier Nebelhafen. Die sechs wandten sich zögernd um und schauten zu Owen, der sich vor ihnen aufgebaut hatte und ein unfreundliches Grinsen zeigte.
»Ihr armen Bastarde würdet auf Golgatha nicht einmal fünf Minuten überleben«, sagte er ruhig. »Man würde Euch bei lebendigem Leib auffressen und anschließend nach einem Dessert rufen. Und jetzt werdet Ihr machen , was man Euch sagt, dann werdet Ihr das Ganze vielleicht überleben. Auf die Knie!«
Sie gehorchten widerspruchslos. Sämtlicher Wille zum Widerstand hatte sie verlassen.
»Ihr habt einen neuen Meister, Herrschaften. Von nun an wird Euch wieder ein Todtsteltzer sagen, wo es langgeht . Ihr werdet in Eure zweifelsohne tiefen Taschen greifen und das Informationsnetz genauso wieder errichten, wie es mein Vater ursprünglich geplant hat. Ihr werdet eine Organisation wieder-beleben, die Informationen sammelt und verarbeitet, um den Menschen von Nebelhafen zu dienen und sie zu schützen, insbesondere vor Angreifern und Einflüssen von außerhalb. Darüber hinaus werdet Ihr die Errichtung neuer Verteidigungsanlagen für diesen Planeten finanzieren. Der psionische Schild wurde durch die Esperseuche arg geschwächt , also benötigen wir ein gutes System neuester Technologie, um ihn zu verstärken. Ihr werdet Euch darum kümmern.