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Zum Schluß noch eins: Das Geld meines Vaters war von Anfang an dazu bestimmt, den Bewohnern dieser Stadt ein ge-rechteres und leichteres Leben zu ermöglichen. Ich erwarte eine Reihe weitreichender, praktischer Vorschläge dazu. Von Euch allen, schriftlich und innerhalb einer Woche. Sollte sich einer der Herren verspäten, werde ich ihn an die Wand nageln, um die anderen zu motivieren. Ich meine das durchaus wörtlich.«

»Aber… aber es gibt Aktionäre!« protestierte Neeson. »Leute, denen wir verantwortlich sind. Sie werden niemals zulassen, daß wir all das…«

»Schickt sie zu mir«, unterbrach ihn der Todtsteltzer. »Ich werde sie überzeugen. Hat sonst noch jemand etwas zu sagen?

Nein? Gut. Ihr lernt rasch, wie ich sehe. Und jetzt werdet Ihr meinen Befehlen gehorchen, und zwar bis ins kleinste Detail, oder ich kremple Euch von innen nach außen . Ist das klar?«

Sie nickten eifrig. Owen kehrte ihnen den Rücken zu und stapfte die Straße hinunter davon. Er spürte noch immer die Macht, die das Labyrinth des Wahnsinns ihm verliehen hatte.

Sie hüllte ihn ein wie ein schützender Umhang. Das Labyrinth des Wahnsinns hatte ihn auf eine Weise verändert, die er noch immer nicht verstand; doch die Macht war real, und sie gehorchte ihm, und er genoß sie. Er fühlte sich, als könne er alles erreichen, wenn er es nur wollte. Es war ein wunderbares Ge-fühl, die Dinge auf eine so direkte und einfache Weise ins rechte Lot zu bringen.

»Ist dir eigentlich bewußt«, meldete sich Ozymandius in seinem Ohr, »daß du in die falsche Richtung marschierst, falls du wieder zum Stadtzentrum zurück möchtest?«

»Halt die Klappe, Ozymandius. Ich habe gerade meinen dra-matischen Abgang.«

Owen beschloß, in die gemieteten Räume zurückzukehren und zu sehen, wie weit Hazel mit Silver gekommen war. Er konnte kaum abwarten, das Gesicht des Sicherheitschefs zu sehen, wenn er ihm erzählte, was er mit dem Gildehaus gemacht hatte. Vielleicht beeindruckte er sogar Hazel damit – zumindest ein ganz klein wenig. Owen sorgte sich um sie.

Trotz seiner neuen Macht spürte er die mentale Verbindung nicht mehr, die zwischen Hazel und ihm bestanden hatte. Außerdem wollte er mit ihr über seine neue Kraft sprechen und wie sie sich anfühlte. Vielleicht besaß Hazel sie auch. Es gab so viel zu bereden.

Owen Todtsteltzer stapfte durch die Straßen Nebelhafens, und selbst der Nebel ging ihm aus dem Weg.

Hazel d’Ark und John Silver, alte Gauner und noch ältere Freunde, saßen in gemütlichen Sesseln zu beiden Seiten eines offenen Kaminfeuers und tranken heiße Schokolade aus schäbigen Porzellanbechern. Beide starrten schweigend auf die kleine Phiole mit schwarzem Blut auf dem kleinen Beistell-tisch. Sie sah nicht gefährlich aus, diese Phiole – aber das tun gefährliche Dinge eigentlich nie. Beide wußten, was das Blut bewirken konnte , was es ihnen gab und was es ihnen nahm, und es war ein Zeichen von Willenskraft und Stärke, daß sie noch immer zögerten. Blut war ein Rauschgift, das von den Wampyren stammte. Es war das synthetische Plasma der aufgerüsteten Männer. Schon ein paar Tropfen reichten aus, damit ein normaler Mensch sich stark und schnell und voller Selbstvertrauen fühlte. Jedenfalls solange man es nahm. Blut erzeugte ein wunderbares Gefühl von Lebendigkeit es war, als sei die normale Welt nichts weiter als ein böser, grauer, deprimieren-der Alptraum, aus dem man endlich erwacht war. Der Effekt hielt natürlich niemals lange an, und nach und nach benötigte man immer höhere Dosen, um die gleiche Wirkung zu erzielen.

Und langsam, Tropfen um Tropfen, verbrannte das Blut einen von innen heraus . Es war geschaffen worden, um Wampyre von den Toten zurückzubringen und ihnen übermenschliche Kraft und Schnelligkeit zu verleihen. Es war nie dazu gedacht gewesen, in einem normalen menschlichen Kreislauf zu koexi-stieren.

Trotzdem wollten Menschen es haben. Sie brauchten es, und sie waren bereit, dafür zu kämpfen und zu töten… und es gab immer jemanden, der es synthetisierte und vermarktete – für den richtigen Preis, versteht sich. Ganz besonders auf einem Planeten wie der Nebelwelt.

»Es ist wirklich ganz einfach«, sagte Silver. »Als Leiter der Sicherheitsbehörde des Raumhafens besitze ich Zugang zu allem, was auf unseren Straßen beschlagnahmt wird. Und da ich außerdem die Aufzeichnungen der Lektronen kontrolliere, wird niemand etwas bemerken, wenn ich mir hin und wieder ein paar Tropfen für mich selbst und ein paar besondere Freunde nehme. Du kannst ein Höllenloch wie Nebelhafen nicht ohne eine Stütze leiten, auf die du dich hin und wieder lehnst. Und nicht alle von uns haben das Zeug zum unbestechlichen Helden wie Investigator Topas. Allerdings bin ich nicht süchtig danach. Ich kann es kontrollieren. Bei dir bin ich mir nicht so sicher, Hazel. Du warst schon immer gierig auf dieses Zeug.

Dein letzter Entzug hätte dich um ein Haar das Leben gekostet.

Willst du das wirklich alles noch einmal durchmachen?«

Hazel starrte in ihren Becher und schwieg . »Du weißt nicht, welcher Druck auf mir lastet, John«, sagte sie schließlich. »Zuviel ist in zu kurzer Zeit geschehen. In der einen Minute war ich noch ein kleiner Fisch, und in der nächsten schon bin ich ein Rebell und alle sind hinter mir her – einschließlich einiger Leute, die ich eigentlich auf meiner Seite geglaubt habe. Solange ich kämpfen und um mein Leben rennen mußte und nicht die Zeit fand zum Nachdenken, ging es mir gut. Aber jetzt…

Was ich auch tue, es ist von Bedeutung, und was ich auch sage, es hat Konsequenzen – nicht nur für mich, sondern für die ganze verdammte Rebellion. Sie haben mich zu einer verdammten Heldin und Anführerin gemacht, und sie erwarten von mir, daß ich vollkommen bin.

Doch das ist noch nicht einmal alles. Auf der Wolflingswelt, da… da ist irgendwas mit mir passiert, John. Irgend etwas hat mich… verändert. Ich bin nicht mehr das, was ich einmal war.

Ich bin mehr. Und ich habe die ganze Zeit über Angst. Ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich habe Alpträume, und ich weiß nicht, ob sie in der Vergangenheit spielen oder in der Zukunft.

Schreckliche Dinge, fremdartige Dinge geschehen in meinen Träumen. Nur das Blut hilft dagegen. Es… es stabilisiert mich.

Ich werde ruhiger. Und es hilft mir zu glauben, daß ich noch immer ein Mensch bin.«

Sie setzte ihren Becher ab und streckte die Hand aus. Die kleine Glasphiole sprang vom Tisch, segelte durch die Luft und landete direkt in Hazels wartender Hand. Silver starrte Hazel entgeistert an.

»Ich wußte gar nicht, daß du ein Esper bist, Hazel!« stammelte er.

»Ich bin auch keiner. Ich bin irgend etwas anderes. Ich bin… mehr als ein Esper.« Hazel schraubte die Kappe der Phiole ab und roch genießerisch an der schwarzen Flüssigkeit im Innern .

Sie blähte die Nüstern, als ihr der vertraute Geruch schwer und rauchig in die Nase stieg. Hazel saugte ihn förmlich in die Lungen, und in ihren Adern schienen Funken zu knistern. Vorsichtig neigte sie die Phiole und ließ einen einzelnen Tropfen Blut auf ihre Zunge fallen. Sie schluckte ihn rasch herunter, um den bitteren Nachgeschmack zu vermeiden; dann schloß sie die Phiole rasch wieder und stellte sie auf den Tisch, um nicht in Versuchung zu geraten, einen zweiten Tropfen zu nehmen.