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Die Löwenstein hatte ihn sofort als Führer der Mission akzeptiert. Teilweise, weil aus seinen Akten hervorging, daß er seinen Auftrag um jeden Preis ausführen würde, und teilweise, weil es kein großer Verlust sein würde, falls er und seine Mannschaft versagten. Bartek wußte und akzeptierte das. Er dachte insgeheim genauso.

Der Türsummer ertönte leise, und auf Barteks geknurrten Befehl hin glitt die Tür auf. Leutnant Ffolkes trat vor und zog den Kopf ein wenig ein, um die herabhängenden Kletterpflanzen um die Tür herum nicht zu berühren. Hinter Ffolkes kamen der Reporter Tobias Shreck und sein Kameramann Flynn. Tobias Shreck, auch genannt Tobias der Troubadour, war ein kleiner, dicker, ständig schwitzender Mann mit glattem, blondem Haar, ungezwungenem Lächeln und scharfem Verstand und war be-rühmt dafür, keinerlei moralische Schranken anzuerkennen. All das zusammengenommen hatte ihn zu einem erstklassigen Reporter gemacht. Flynn war von der großen, schlaksigen Sorte und besaß ein täuschend ehrliches Gesicht. Die auf seine Schulter montierte Kamera wirkte wie eine einäugige Eule.

Tobias und Flynn waren von der Imperatorin persönlich ausgewählt worden, die Einnahme von Nebelhafen zu dokumentieren und aufzuzeichnen. Die Löwenstein hatte sich von ihrer Berichterstattung über die Rebellion auf Technos III sehr beeindruckt gezeigt und ihnen deutlich zu verstehen gegeben, daß es ausgesprochen unklug wäre, diesen neuen Auftrag abzuleh-nen – jedenfalls nicht, wenn die beiden ihre lebenswichtigen Organe dort bevorzugten, wo sie gegenwärtig ihren Dienst verrichteten. Sowohl Tobias, als auch Flynn waren nicht ganz sicher, ob ihr neuer Auftrag Belohnung oder Strafe war; doch beide besaßen genug Verstand, keine diesbezüglichen Fragen an die Löwenstein zu richten. Also sagten sie Ja, Euer Majestät und Danke sehr, Euer Majestät und fragten sich insgeheim verzweifelt, wie zum Teufel sie diesen Auftrag bloß überleben sollten.

Ganz ohne Zweifel würde die Einnahme der Nebelwelt jede Menge erstklassiger Gelegenheiten bieten, Geschichte live und in Farbe aufzuzeichnen – zusammen mit jenen Unmengen von Blut und Zerstörung, die die Massen an den Schirmen zu Hause so sehr liebten. Leider bestand darüber hinaus ebenso zwei-felsfrei eine verdammt hohe Wahrscheinlichkeit, daß man ihnen die Schädel wegblies. Rebellen, die um ihre Heimat und ihr Leben kämpften, würden nicht innehalten , um zwischen einem Imperialen Sturmtruppler und einem ehrenhaften Nachrichtenmann zu unterscheiden, der nur seine Arbeit tat. Doch wie Tobias in der Vergangenheit schon so oft gesagt hatte: Kriege und Schlachten lieferten stets das beste Material. Wenn man das beste Material und das damit verbundene Geld wollte, dann mußte man eben dorthin gehen, wo dieses Material geliefert wurde.

Natürlich gab es auch noch das Problem der Imperialen Zensur. Die Löwenstein wollte Material, das ihre Truppen gut und die Rebellen schlecht aussehen ließ. Ihre Zensoren hatten mit Sicherheit entsprechende Anweisungen erhalten. Überdies wurden Tobias’ und Flynns Bedenken durch den offiziellen Gorilla bestätigt, den man ihnen zur Seite gestellt hatte. Er sollte ihre Arbeit überwachen und sie vor Ärger bewahren. Leutnant Ffolkes, der ›Gorilla‹, war ein Karrieremilitarist, wie er im Buche stand, ein großer, dürrer Bursche, der Befehle buch-stabengetreu ausführte und der keine Gelegenheit ausließ, sich bei einem vorgesetzten Offizier anzubiedern. Wahrscheinlich schlief er in Habachtstellung und teilte sich wegen unreiner Gedanken selbst zum Strafexerzieren ein. Jedenfalls hatte er Tobias und Flynn gleich zu Beginn deutlich gemacht, daß er Reporter und Kameramänner für ein notwendiges Übel hielt.

Er hatte ihnen geraten, seinen Befehlen und Anweisungen bis ins kleinste Detail Folge zu leisten – falls sie wüßten, was gut für sie wäre.

Ihre Weigerung, ihn auch nur halbwegs ernst zu nehmen, sowie die Tatsache, daß sie ihn hinter seinem Rücken Gladys nannten, kränkte ihn zutiefst, ebenso wie ihre Angewohnheit, in die entgegengesetzte Richtung davonzulaufen, sobald sie ihn erblickten.

Tobias und Flynn sahen sich interessiert im Privatquartier des Kapitäns um, da Bartek sie für den Augenblick zu ignorieren schien. Er war vollauf damit beschäftigt, ein kleines, wehrloses Gewächs zu beschneiden. Ffolkes zuckte nervös. Er war nicht sicher, ob er vielleicht höflich hüsteln sollte, um seine Gegenwart kundzutun. Tobias und Flynn waren bisher noch nie ins innere Heiligtum eingeladen worden. Den größten Teil der Zeit hatten sie in der wenig mehr als sarggroßen Kabine verbracht, die Ffolkes ihnen zugewiesen hatte, weit weg vom Rest der Besatzung. Sie sollten keine Gelegenheit erhalten, sich mit jemandem aus der Schiffsbesatzung zu verbrüdern – teils, weil sie keine Informationen aufschnappen sollten, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren, doch hauptsächlich, weil sie die Besatzung vielleicht dazu anstacheln könnten, unangenehme Fragen zu stellen. Die Offiziere der Imperialen Flotte vertraten schon seit jeher die Meinung, daß nur eine unwissende Besatzung eine gute Besatzung war.

Tobias verbrachte die meiste Zeit damit, zwischen Wut und wachsender Gewißheit zu schwanken: Wut über die Tatsache, daß man ihm den Ruhm und die Belohnungen vorenthielt, die seine Berichterstattung über die Rebellion auf Technos III sicherlich verdient hatten, und wachsender Gewißheit darüber, daß die Invasion der Nebelwelt eines der bedeutendsten zeitge-nössischen Ereignisse werden würde, was für ihn noch mehr Ruhm und noch mehr Geld bedeutete – aber natürlich nur, falls es ihm gelang, das Material an der Zensur vorbeizuschmuggeln wie auf Technos III. Was das Austricksen von Leutnant Ffolkes anbetraf, sah er keine großen Probleme; der Kerl war einfach zu blöd, Kapitän Bartek war eine andere Sache. Tobias betrachtete nachdenklich den Miniaturdschungel des Kapitäns.

Er suchte nach Hinweisen auf den Charakter des Kapitäns, die er vielleicht gegen ihn verwenden konnte.

Flynn interessierte sich wie erwartet einen Dreck dafür.

Er haßte alles, was mit Militär zu tun hatte, und es war ihm egal, ob das jemandem auffiel oder nicht. Überdies war Flynn ein zufriedener Homosexueller und im Privatleben Transvestit, und beides würde ihn sofort in den Bunker befördern, sollte Ffolkes es herausfinden – auch wenn Obwohl Flynn steif und fest behauptete, im Offizierskorps ein paar gleichgerichtete Seelen erspäht zu haben.

Jedenfalls war er aus Furcht vor den omnipräsenten Sicherheitssystemen des Schiffs beherrscht genug, um keines seiner hübschen Kleider anzulegen, nicht einmal in der vorgeblichen Privatsphäre ihrer Kabine. Er gab sich damit zufrieden, unter der Alltagskleidung Reizwäsche zu tragen und ein ganz schwaches Make-up aufzulegen.

Tobias lebte in der ständigen Angst, sein Kameramann könn-te einen Unfall haben und müßte zur Krankenstation gebracht und dort untersucht werden. Er wußte genau, daß Kapitän Bartek es nicht verstehen würde.

Als hätte der Kapitän den letzten Gedanken gehört, legte er endlich seine Miniaturgartenschere beiseite und wandte sich zu seinen Besuchern um. Sein Gesicht blieb kalt und unnahbar, während er sich Tobias und Flynn näherte, die trotz Ffolkes’ hektisch drängendem Rüstern keinerlei Anstalten machten, in Habachtstellung zu gehen. Bartek blieb unmittelbar vor den beiden Reportern stehen. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme leise und gelassen und verdammt einschüchternd.

»Ich habe Eure Berichterstattung über die Rebellion von Technos III gesehen. Rein technisch betrachtet war sie ange-messen, obwohl Eure Wahl des Materials einem Hochverrat ziemlich nahe gekommen ist. Dieser Unsinn wird sich unter meinem Kommando auf keinen Fall wiederholen. Die Rebellen sind der Feind, und sie werden unter gar keinen Umständen als etwas anderes dargestellt! Ihr werdet Eure Berichterstattung auf die Siege meiner Truppen beschränken und alles andere ignorieren, solange Leutnant Ffolkes nicht ausdrücklich das Gegenteil sagt. Es wird keine Liveübertragungen geben, es sei denn, ich ordne sie an. Der größte Teil Eurer Aufzeichnungen wird später gesendet, und Ffolkes und ich werden persönlich jeden Meter Film untersuchen, bevor wir ihn freigeben. Verstöße gegen diesen oder einen anderen Befehl werden mit augenblicklicher Festnahme geahndet. Man wird Euch ersetzen und bei unserer Rückkehr nach Golgatha den Prozeß wegen Hochverrats machen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«