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Selbst Nicht-Esper konnten ihn hören und wanden sich unter dem Ansturm des entsetzlichen, unmenschlichen Geräuschs.

Stahl senkte den Blick vor dem Chaos, das in seinem Kontrollturm herrschte. Eine eisige Hand griff nach seinem Magen, während ihm Schweißperlen übers Gesicht rannen. Sein ganzes Leben lang hatte er in Furcht vor diesem Augenblick gelebt, und er hatte niemals wirklich geglaubt, daß er kommen würde .

Selbst als die Typhus-Marie in Nebelhafens Straßen und Gassen Amok gelaufen war, hatte er mit Hilfe von ein paar Freunden im letzten Augenblick den Sieg aus den Klauen der Vernichtung reißen können. Doch jetzt waren die Verteidigungseinrichtungen lahmgelegt . Der psionische Schild hatte versagt, und schon bald würden die Imperialen Truppen hungrig nach Blut und Zerstörung vor den Toren der Stadt stehen. Stahl schluckte mühsam und riß sich zusammen, so gut es ging. Er drehte sich zu seinem Kommunikationsoffizier um, der mit hängenden Schultern über größtenteils nutzlosen Systemen saß.

»Also schön, Leute. Paßt auf. Dieser Turm ist nutzlos geworden, denn unsere Kommunikationsanlagen sind ausgeschaltet.

Wir sind nur noch ein verdammt gut sichtbares Ziel für die angreifenden Truppen . Unsere erste Pflicht ist demnach, von hier zu verschwinden, und zwar so schnell wie nur irgend möglich . Tot nutzen wir niemandem mehr. Zerstört alle noch funk-tionierenden Systeme, bevor Ihr geht. Wir wollen nichts zu-rücklassen, was der Feind gegen uns verwenden könnte. Irgendwo muß es Dateien geben, die für einen Fall wie diesen angelegt wurden. Dort steht drin, was zu tun ist und wohin wir zu gehen haben. Die Sicherheitsleute müßten es wissen. Also kämpft hart; leistet Widerstand, und nehmt so viele von den Bastarden mit, wie Ihr nur könnt. Wenn das nicht funktioniert, dann rennt, als sei der Leibhaftige hinter Euch her. So, das war’s: Ich bin weg von hier. Gott schütze uns alle.«

Er wandte sich ab und raffte ein paar nützliche Dinge in eine Reisetasche. Ihm kam der Gedanke, daß er diesen Raum vielleicht niemals wiedersehen würde, daß er vielleicht niemals wieder als Raumhafendirektor Befehle erteilen würde. Was auch immer als nächstes geschehen mochte, ein Kapitel in seinem Leben ging zu Ende, und er wußte nicht, ob er darüber traurig oder erleichtert sein sollte .

Der Posten des Direktors war schwer und eine undankbare Aufgabe gewesen, selbst wenn man die kleinen Geschäfte be-rücksichtigte, die er nebenbei getätigt hatte, und das viele Geld, das er dadurch gescheffelt hatte. Er hatte seine Arbeit stets ernst genommen und die Stadt geschützt, so gut er konnte . Seine Stadt . Bis heute. Und jetzt konnte er nur noch alles abschalten, fliehen und sein Heim räumen, gleichgültig, wer auch immer es als nächster für sich beanspruchen würde.

Stahl seufzte schwer und verschloß die pralle Reisetasche.

Sie hätten sich wirklich aufraffen sollen, die Selbstzerstörungs-einrichtung zu installieren, als noch Zeit dazu gewesen war. Sie hatten es immer und immer wieder verschoben, weil es wichtigere Dinge gegeben hatte.

Ringsherum herrschte ein wütender, ohrenbetäubender Lärm mit einem Hauch von Panik darin. Stahl ignorierte die Rufe und Schreie und machte sich auf den Weg nach draußen. Er blickte nicht ein einziges Mal zurück. Jetzt warteten andere Aufgaben auf ihn. Er war Mitglied des amtierenden Stadtrates, und er mußte sich mit den anderen Räten treffen und die Verteidigung Nebelhafens organisieren – oder das, was davon noch übrig war.

Auf den Straßen herrschte Chaos. Menschen rannten durcheinander und schoben und drängten in alle Richtungen zugleich. Stahl setzte seine Körpermassen ein, um sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen. Er fühlte sich ein wenig besser, nun, da er etwas tun konnte und ein Ziel vor Augen hatte. Wenn es ihm nur gelang, bis zum Schwarzdorn vorzudringen… vielleicht konnte er den angreifenden Truppen doch noch ein paar wirklich unangenehme Überraschungen bereiten.

Es dauerte fast eine Stunde, bis er sich durch die Menschenmenge vorgearbeitet hatte. Die Nachricht von der Landung des Imperiums war nach außen gedrungen – unvermeidlich in einer Stadt wie Nebelhafen –, und die Straßen waren ein einziger Hexenkessel. Leute schrien und rannten durcheinander und schwangen Waffen, angefangen bei Disruptoren bis hin zu antiken Klingen, die von Generation zu Generation für einen Tag wie diesen weitergereicht worden waren. Einige hielten trotzige Reden; andere prophezeiten den Untergang, und Möch-tegernkampfer und Flüchtlinge versuchten, sich gegenseitig aus dem Weg zu schieben. Hier und dort wurden bereits Straßen-barrikaden errichtet und verursachten weiteres Gedränge und neue Panik. Taschendiebe und Beutelschneider hatten die beste Zeit ihres Lebens. Das hier war immer noch Nebelhafen.

Weder drohende Invasion noch Mord und Totschlag konnten verhindern, daß die Einwohner jedwede Möglichkeit nutzten, Geld zu machen. Stahl stürmte mit gesenktem Kopf voran.

Als er endlich den Schwarzdorn erreichte, mitten im Zentrum des Diebesviertels, war die Taverne schon bis zum Bersten überfüllt . Helles Licht fiel aus den Fenstern auf die Straße . Der Laden gab eine hervorragende Zielscheibe ab .

Die meisten Angehörigen des Rates waren bereits eingetroffen; doch sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig anzuschreien und zu streiten, um Stahls Ankunft zu bemerken. Typisch, dachte Stahl und ließ sie mit sich allein.

Erschöpft schob er sich bis zu der langen Holztheke vor. Er brauchte jetzt einen harten Drink. Zur Hölle mit seinen Magen-geschwüren.

Cyder, die Inhaberin, half persönlich hinter der Theke aus.

Stahl bestellte gleich mehrere große Brandys bei ihr, alle im gleichen Glas, weil es vielleicht einige Zeit dauern würde, bis er Nachschub bestellen konnte. Cyder zuckte unmerklich die Schultern und schüttete Stahls Brandys allesamt in einen großen silbernen Krug. Sie grinste ihn breit an.

»Hätte ich gewußt, daß die Katastrophensitzungen des Rats so gut fürs Geschäft sind, hätte ich meinen Laden schon längst freiwillig dafür zur Verfügung gestellt«, sagte sie.

»Das ist wieder einmal typisch für Euch, Cyder«, erwiderte Stahl. »Die Stadt steht vor der Vernichtung, und wir mit ihr, und Ihr denkt an nichts arideres als an Euren Profit.«

Cyder bedachte ihn mit einem koketten Augenaufschlag.

»Eine junge Frau muß eben immer darauf achten, daß sie ihr Auskommen hat…«

»Bitte, hört auf damit«, unterbrach Stahl. »Es sieht unecht aus.«

Cyder zuckte die Schultern. »Wer auch immer in Nebelhafen das Kommando hat, die Leute wollen trinken. Und Geld von einem Soldaten ist genausogut wie das von jedem anderen auch.«

»Immer vorausgesetzt, sie brennen den Schwarzdorn nicht bis auf die Grundmauern nieder, weil hier die Katastrophensitzungen des Rates stattgefunden haben«, entgegnete Stahl und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher.

»Verdammt!« schimpfte Cyder . »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Warum habt Ihr Euch überhaupt mein Etablis-sement ausgesucht?«

»Weil es zentral liegt, Cyder. Weil niemand in einer Absteige wie dieser hier nach dem Rat suchen wird. Und weil Ihr praktisch jeden Bewohner der Stadt kennt. Eine perfekte Kombination, wie Ihr sicher zugeben werdet. Ich an Eurer Stelle würde noch ein paar Fässer aus dem Keller heraufbringen lassen.