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Weitere Esper kamen auf die Straßen und traten an die Stelle der Gefallenen. Viele Bewohner Nebelhafens fanden angesichts der drohenden Gefahr für ihre Stadt und ihr Leben einen Mut, von dem sie niemals geglaubt hätten, daß sie ihn besaßen .

Sie standen buchstäblich mit dem Rücken zur Wand, doch sie zogen mit grimmiger Entschlossenheit und kühlem Blick in den Kampf.

Sie sprangen aus Verstecken in die Luft, in vertraute Strömungen hinein, und schlugen den Imperialen Feuerleitlektro-nen ein Schnippchen nach dem anderen, während sie ihre Ziele wie tödliche Insekten angriffen.

Einige stürzten sich todesverachtend in die Antriebsmaschi-nen der Barken: Selbstmordangriffe, die nur hin und wieder von Erfolg gekrönt wurden. Und wenn eine Barke aus dem Himmel fiel, dann krachte sie auf die wenig stabilen Wohnhäuser aus Holz und Ziegel und brachte sie mit ihrem gewaltigen Gewicht zum Einsturz. Explodierende Barken zerstörten ganze Straßenzüge und setzten Häuserblocks in Flammen.

Und das schlimmste war: Für jede abgestürzte Barke kamen neue hinzu. Sie rückten erbarmungslos und unaufhaltsam wie eine Naturgewalt gegen die Stadt vor, die einzunehmen sie gekommen waren.

Von allen Seiten zugleich drangen die Imperialen Streitkräfte gegen das Stadtzentrum vor, und sie hinterließen eine Spur der Verwüstung. Block um Block, Straße um Straße rückten sie vor. Kein einziger Angreifer wich von seinem vorher sorgfältig geplanten Weg ab. Der Rest der Stadt blieb verschont. Das Imperium war gekommen, um Nebelhafen zu erobern und die Kontrolle zu übernehmen, und nicht, um die Stadt zu zerstören.

Inzwischen brannten überall in der Stadt Feuer. Flammen loderten hoch hinauf in den Nachthimmel, und aus den Straßen drangen Schreie herauf. Die Hölle war über Nebelhafen gekommen, und Tobias Shreck und sein Kameramann Flynn befanden sich mitten im Geschehen und zeichneten alles auf.

Flynns Kamera schoß hierhin und dorthin, während Tobias leise seinen fortlaufenden Kommentar dazu ablieferte. So weit über dem Ort der Zerstörung fiel Gelassenheit und Distanz nicht besonders schwer, und Tobias bemühte sich, seinen Zuschauern immer wieder deutlich zu machen, daß in dem Inferno dort unten richtige Menschen starben und verbrannten.

Nicht, daß es die meisten seiner Zuschauer sonderlich berührt hätte. Es verstärkte höchstens den Nervenkitzel in den gemütlichen warmen Wohnzimmern.

Tobias klammerte sich an das Geländer seiner Barke, als ein plötzlicher Aufwind aus kochendheißer Luft das schwere Fahrzeug von einer Seite zur anderen warf. Flynn war so versunken in den Anblick der Bilder, die ihm seine Kamera lieferte, daß er ganz vergessen hatte, wo er war. Deshalb hatte er sich auch nicht festgehalten. Fast wäre er über Bord gegangen, hätte Tobias ihn nicht im letzten Augenblick gepackt und zurückgezogen. Der Kameramann nickte noch nicht einmal zum Dank. Er war weit weg bei seiner umherjagenden Kamera, die über den sengenden Flammen schwebte wie ein Imperialer Engel und die Geburt der Hölle aufzunehmen schien.

»Gutes Material?« fragte Tobias laut neben Flynns Ohr.

»Wenn du sehen könntest, was ich sehe«, gab Flynn zurück.

»Kriegsberichterstattung hat es schon immer gegeben, aber noch nie aus solcher Nähe oder auch nur halbwegs so deutlich .

Ich kann einzelne Gebäude filmen, sogar einzelne Individuen, oder zurückgehen und eine Panoramaaufnahme der ganzen verdammten Stadt liefern. Es ist einfach wunderbar, Tobias.

Das feurige Rot und Gold vor dem Schwarz der Nacht. Die brennenden Häuser. Die Flammen… das alles ist von einer Majestät und Größe, die weder Mitleid noch Gnade kennt. Sie braucht keine Entschuldigung und keine Ausflüchte; sie ist, wie sie ist. Eine Stadt stirbt Stück für Stück, und ich nehme alles auf. Die Farben sind ganz erstaunlich – hell und einfach atemberaubend. Und das Krachen der Explosionen… als liefe ein Riese durch die Straßen, ein gewaltiger Schritt nach dem anderen, und der Boden bebt unter seinen Füßen. Tobias, das ist… ein erhebendes Gefühl!«

»Riechst du den Rauch?« fragte Tobias. »Brennendes Fleisch zwischen all dem Holz und Ruß. Hörst du die Schreie? Laß dich nicht mitreißen, Flynn. Das ist keine Invasion, das ist ein verdammtes Gemetzel.«

Er brach ab, als ein Esper aus der Dunkelheit auf ihn zu-schoß. Der fliegende Esper war mit einer automatischen Armbrust bewaffnet, einer aus verbotener Technologie improvisierten Waffe. Die tödlichen Bolzen tackerten über die Männer an der Reling hinweg, während diese sich vergeblich bemühten, den rasend schnellen Angreifer aufs Korn zu nehmen. Tobias packte Flynn und riß ihn mit sich aufs Deck. Eine Disruptorkanone schwenkte herum, um das nächste Haus unter Feuer zu nehmen, und plötzlich schwebte der Esper unmittelbar vor ihr.

Er schob seinen Arm tief in den Lauf und blockierte auf diese Weise die Waffe.

Tobias hob den Kopf… und schaute dem Mann direkt in die Augen.

Der Esper grinste wild. Er hatte Todesangst, und er gab einen Dreck darauf – das war deutlich zu sehen. Und dann explodierte die Bombe, die er in der Hand gehalten hatte, und die Kanone flog in Stücke. Der Esper wurde nach hinten geschleudert.

Blutfontänen sprudelten aus der klaffenden Wunde, wo einst sein rechter Arm gesessen hatte. Der Esper stürzte auf die Straße hinab und lachte lautlos . Tobias sah ihm hinterher, bis er im Rauch und den Flammen verschwunden war.

Leutnant Ffolkes stapfte übers Deck heran. Vorsichtig kletterte er über die Toten und Verwundeten. Der Sicherheitsoffizier hielt einen Disruptor in der Hand, und ein Ärmel seiner Uniform war blutbesudelt. Wieder schien es nicht sein eigenes zu sein. Ffolkes spähte über die Reling nach unten und ruckte gelassen beim Anblick der brennenden Stadt, als verspüre er eine innere Befriedigung.

»Von dort unten verpaßt Ihr das Beste, wirklich!« sagte er beiläufig. »Darf ich annehmen, daß Ihr trotzdem alles dokumentiert?«

»Oh, selbstverständlich«, antwortete Tobias und erhob sich vorsichtig. »In Nahaufnahme und manchmal sogar sehr persönlich.«

Ffolkes musterte ihn. »Die Imperatorin mag Euch vielleicht den Befehl dazu gegeben haben, Shreck; aber ich bin immer noch derjenige, der die Verantwortung trägt. Haltet Euch an Eure Instruktionen. Keine… Polemik, oder ich werde Euch kaltstellen.«

»Verstanden«, erwiderte Tobias. »Keine Polemik. Nichts als Blut und Tod und brennende Wohnhäuser.«

»Genau. Ich bin ja so froh, daß wir uns verstehen«, sagte Ffolkes. »Macht weiter.«

Er stolzierte davon, um jemand anderen zu ärgern. Tobias winkte ihm mit einer obszönen Geste hinterher, dann bemerkte er, daß Flynn noch immer auf dem Boden lag. Er zog ihn zu sich hoch. Der Kameramann war ganz in das versunken, was ihm sein elektronisches Auge über das Komm-Implantat vermittelte. Tobias hätte sich mit Hilfe seines eigenen Komm-Implantats in die Frequenz der Kamera einloggen können, doch er verspürte keine Lust dazu. Es gab für alles Grenzen. Es fiel ihm auch so schon schwer genug, mit dem fertig zu werden, was sich vor seinen Augen abspielte.

Owen Todtsteltzer zitterte am ganzen Leib. Er kroch auf Händen und Knien durch sein Zimmer in der SchwarzdornTaverne, wo von der Invasion bisher noch nichts zu bemerken war. Sein Kopf war heiß, und dicke Schweißperlen tropften von seinem verzerrten Gesicht. Schmerzwellen rasten durch seinen Körper – scharfe, stechende Schmerzen, die bis tief in die Eingeweide hinabreichten. Owen litt an hohem Fieber. Seine Gedanken waren träge und verschwommen. Die Schmerzen drohten ihn zu zerreißen. Er kroch weiter, Zentimeter um Zentimeter, als wolle er vor den Schmerzen fliehen. Sein Gesicht war eine einzige Grimasse; doch kein Laut kam über seine Lippen. Owen schrie nicht. Es kostete ihn beinahe übermenschliche Anstrengung, aber er war ein Todtsteltzer. Er durfte nicht zulassen, daß ihn irgend jemand in dieser Verfassung sah. Er prallte mit der Schulter gegen ein Tischbein und fegte das Hindernis mit einem Schwinger beiseite. Erneut versuchte er sich zu übergeben, doch sein Magen war längst leer.