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Owen war blind vor Schmerz durch den Inhalt gekrochen.

Das Zittern hatte begonnen, als er die schmale Treppe hinter der Theke nach oben geklettert war. Zuerst hatte er geglaubt, es sei eine Reaktion auf die Todesgefahr, in der er geschwebt hatte, oder vielleicht die Folgen der Anstrengung, gegen so viele Angreifer gleichzeitig gekämpft zu haben. Der Tag war schließlich recht hart gewesen.

Dann war es schlimmer geworden. In Owens Kopf hatte sich mit einemmal alles gedreht. Seine Hände hatten gezittert wie Espenlaub, und sein Gang war zunehmend unsicherer geworden, bis er geschwankt hatte wie ein Betrunkener. Irgendwie hatte er es bis ins Obergeschoß geschafft und war mit der Schulter an der Wand weitergegangen, um nicht hinzufallen.

Der Weg bis zu seinem Zimmer war ihm endlos erschienen, aber schließlich hatte er es geschafft . Owen hatte es sogar irgendwie fertiggebracht, die Zimmertür hinter sich zu schließen, bevor er zusammengebrochen war und sich übergeben hatte.

Sein Kopf krachte gegen ein neues Hindernis . Er spürte es kaum.

Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, daß er an der Wand angelangt war und daß es nicht mehr weiterging. Er drehte sich mühsam um und stöhnte vor Pein. Dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand und saß mehr oder weniger aufrecht. Die Schmerzen waren noch schlimmer geworden – falls das überhaupt möglich war –, und Owen hatte das Gefühl, bei lebendigem Leib zu verbrennen. Das Zimmer war ein einziger verschwommener Schatten, und Owen spürte, wie Tränen über seine Wangen strömten, ohne daß er es hätte verhindern können.

»Lieber Gott, was geschieht nur mit mir?« stöhnte er und er-schrak beim Klang seiner eigenen Stimme.

»Nebeneffekte. Das kommt von deinem ständigen Gebrauch des Zorns«, antwortete Ozymandius in seinem Kopf. »Ich habe dich immer davor gewarnt. Was auch immer das Labyrinth des Wahnsinns mit dir gemacht hast, du bist und bleibst ein Mensch. Du hast den Zorn zu häufig und zu lang benutzt, und das rächt sich jetzt. Erinnerst du dich? Die Kerze, die doppelt so hell leuchtet, brennt nur halb so lange. Du hast darauf vertraut, daß das Labyrinth des Wahnsinns und seine Auswirkungen die Schäden heilen würden, die du dir selbst zugefügt hast; doch wie es scheint, hast auch du noch Grenzen. Menschliche Grenzen, Owen. Dein Körper hat sich selbst entflammt, und jetzt ist nichts mehr da, um die Flammen zu löschen.«

»Es muß doch etwas geben, was ich dagegen tun kann«, stöhnte Owen zwischen zusammengepreßten und doch klap-pernden Zähnen hervor. Fieber und Schüttelfrost wechselten sich inzwischen ab.

»Ich fürchte, deine Möglichkeiten sind ziemlich beschränkt, Owen. Du kannst erneut in den Z orn fallen, aber das würde die Dinge auf lange Sicht nur verschlimmern. Eine Regenerationsmaschine könnte dir vielleicht helfen, aber ich wüßte nicht, wo es auf der Nebelwelt eine geben sollte. Natürlich könntest du dich auch den Ärzten ausliefern… oder dem, was auf diesem Planeten so Arzt heißt. Ich für meinen Teil rate dir davon ab.«

»Verdammt! Oz… Hilf mir!«

»Tut mir leid, Owen. Du selbst hast dich in diese Lage gebracht. Ich kann nichts tun.«

»Ozymandius, werde ich… werde ich sterben?«

»Das weiß ich nicht, Owen. Allerdings sieht es nicht gut aus.«

»Ozymandius…«

»Still, Owen. Es wird schon alles wieder gut. Ich bin ja bei dir.«

Ein leises Klopfen erklang an der Zimmertür. Owen biß die Zähne zusammen und fragte mit unsicherer Stimme: »Ja? Wer ist da?«

Eine Pause, dann: »Lord Todtsteltzer, der Rat der Stadt bittet Euch, nach unten zu kommen. Euer Rat und Eure Unterstützung werden dringend gebraucht.«

Owen schluckte mühsam. Sein Mund zitterte; seine Zunge war geschwollen, und die Lippen waren taub. Er mußte dem Boten antworten, oder der Mann würde hereinkommen und nachsehen, ob alles in Ordnung war. Owen durfte nicht zulassen, daß jemand ihn in dieser Verfassung sah. Andernfalls würde ihm niemand je wieder vertrauen. Man würde ihn wie einen Invaliden behandeln und irgendwohin abschieben. Owen wollte verdammt sein, wenn er sich das Leben eines Krüppels aufdrängen lassen würde. Und falls er sterben mußte… Er zog es vor, allein zu sterben. Ihm wurde bewußt, daß der Bote noch immer auf eine Antwort wartete.

»Ich komme gleich«, sagte er so laut und deutlich, wie er konnte.

Eine weitere Pause, dann meldete sich die Stimme erneut.

Der Ton war äußerst respektvolclass="underline" »Lord Todtsteltzer, die Invasion Nebelhafens hat begonnen. Ihr könnt die Explosionen nicht überhört haben. Ich soll Euch nach unten begleiten…«

»Ich sagte, ich komme gleich!« rief Owen. Ihm war egal, wie seine Stimme klang.

Er hörte, wie der Bote draußen entschlossen mit den Füßen scharrte. Schließlich entfernten sich seine Schritte. Owen grinste freudlos. Speichelfäden hingen an seinem Kinn. Er hatte geglaubt, das Labyrinth des Wahnsinns hätte ihn zu einem Übermenschen gemacht und ihm ermöglicht, die menschlichen Schranken hinter sich zu lassen. Wie es schien, hatte er sich getäuscht. Er war noch immer ein Mensch, nichts weiter, und er würde es auf die gleiche Art beweisen wie jeder andere auch: Er würde sterben. Er versuchte, sich aufzurichten, vergebens. Sein Kopf wurde von Minute zu Minute schwerer und sank vornüber, bis er auf der Brust ruhte. Owen hörte seinen eigenen Atem. Er klang laut, unregelmäßig und mühsam.

Allmählich wich der Schmerz. Noch kurze Zeit zuvor hätte er neue Hoffnung aus dieser Tatsache geschöpft, doch inzwischen wußte er, was es in Wirklichkeit zu bedeuten hatte. Er starb.

Sein Körper schaltete sich ab, Stück für Stück. Er wünschte, die anderen wären bei ihm gewesen… Sie hätten ihre mentale Verbindung eingehen können, ihm helfen können, oder einfach nur… ihm Gesellschaft leisten. Aber wie immer war er allein.

Allein bis auf eine Stimme in seinem Kopf, der er nicht traute.

Vermutlich wäre es jetzt an der Zeit gewesen zu beten, doch Owen hatte sich noch nie etwas aus Gebeten gemacht. So viele Dinge blieben ungetan. So viele Dinge ungesagt. Er hatte immer geglaubt, dazu sei später noch Zeit… Er hatte Hazel nie gesagt, daß er sie liebte.

Die Tür flog krachend auf, und Hazel d’Ark stand im Eingang. Sie warf einen entsetzten Blick auf Owen und stürzte herbei, um vor ihm niederzuknien. Mit geübter Routine nahm sie seine Hand, grunzte, als sie die klamme Kühle spürte, und prüfte Owens Puls. Die andere Hand legte sie an seine Stirn, zuckte zusammen, als sie das Fieber spürte, und wischte Owens schweißnasse Hand an ihrer Hose ab. Sie prüfte seinen Puls erneut, diesmal mit einer Uhr, und öffnete anschließend Owens Kragen, damit er leichter atmen konnte.

»Todtsteltzer…? Verstehst du, was ich sage? Owen! Weißt du, was dir fehlt?«

»Zuviel Zorn…«, antwortete er. Zumindest glaubte er, daß er geantwortet hatte. Er war nicht mal sicher, ob Hazel überhaupt da war. Vielleicht war alles nur Einbildung, weil er sich so sehr wünschte, sie zu sehen. Und dann durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz: Sie hatte ihm eine heftige Ohrfeige versetzt.

»Bleib wach, Todtsteltzer! Hast du Zorn gesagt?«

»Nebeneffekte«, stieß er rauh hervor. »Es zerreißt mich. Ich verbrenne von innen heraus. Nicht einmal das Labyrinth des Wahnsinns kann mir noch helfen.«

»Scheiße«, fluchte Hazel leise. »Ich erinnere mich, daß du mich über die Gefahren des Zorns zu warnen versucht hast.

Eine Sucht, die einen Menschen töten kann. Fluch und Segen der Todtsteltzer. Verdammt! Bleib wach, Owen! Halt durch, ich hole einen Arzt!«

»Nein. Kein Arzt kann mir helfen. Hazel, ich wollte dir noch etwas sagen…«