Bis sie ein Mädchen fanden , das sich in den Ruinen eines Hauses zu verbergen versuchte , welches die beiden bisher übersehen hatten.
Das Mauerwerk war schwarz und versengt , sämtliche Fenster zersplittert, aber ansonsten war das Gebäude relativ unbeschädigt. Genau der richtige Platz für einen verängstigten Flüchtling, um sich darin zu verstecken was auch der Grund dafür war, warum Kast und Morgan es überhaupt durchsuchten. Das Mädchen mochte vielleicht fünfzehn Jahre alt sein. Es war zu Tode verängstigt und zitterte am ganzen Leib, und es starrte die beiden Soldaten aus weit aufgerissenen Augen und mit fle-hendem Gesicht an.
Die Kleider des Mädchens waren zerrissen und rußgeschwärzt, und es sah ungefähr so appetitlich aus wie ein halb verbranntes Steak, doch Kast und Morgan waren nicht verwöhnt. Sie stießen die einzige Tür hinter sich zu und grinsten sich gegenseitig an.
»Das hat uns die ganze Zeit über gefehlt«, sagte Kast, »‘ne Invasion is’ keine richtige Invasion, bevor man nich’ sein Ding irgendwo reingesteckt hat.«
»Wer als erster?« fragte der mehr praktisch veranlagte Morgan. »Und damit du’s weißt: Nö, ich werf diesma’ keine Münze!«
Also spielten sie Schere Stein Papier, bis Kast gewonnen hatte. Er nestelte an seinem Gürtel herum. Das Mädchen startete einen Fluchtversuch. Morgan fing sie spielerisch wieder ein und zog sie an sich. Sie kratzte ihm durchs Gesicht, suchte mit ihren Nägeln seine Augen. Morgan wirbelte sie herum und bog ihr die Arme auf den Rücken. Sie trat und wehrte sich immer noch, also drückte er sie so fest an sich, daß ihr die Luft ausging, und schleuderte sie Kast vor die Füße. Er kniete vor ihr nieder, grinste fröhlich, und sie spuckte ihm ins Gesicht . Er gab ihr fast beiläufig eine Ohrfeige, und die Wucht seines Schlags ließ sie rückwärts taumeln . Sie fand an der Wand Halt . Schwer atmend blickte sie gehetzt von Kast zu Morgan und wieder zurück. Blut und Schleim tropften ihr aus der Nase. Kast grinste sie an.
»Wehr dich nur, soviel du willst, Kleines. Ich mag es, wenn ihr euch wehrt. Wenn du gut bist, ich meine wirklich gut, dann kriegst du hinterher auch ‘ne Belohnung. Wir lassen dich am Leben.«
Und dann erstarrten die beiden Marineinfanteristen. Draußen auf der Straße hatte jemand ihre Namen gerufen. Sie warteten in der Hoffnung, der Rufer würde weitergehen; doch die Stimme erklang erneut, diesmal lauter. Das Mädchen spannte sich und wollte schreien; Morgan schlug erneut zu.
»Verflucht«, stöhnte Kast. »Alle möglichen Leute hätten sie hinter uns herschicken können, aber es muß ausgerechnet der Sergeant Franke sein. Er würde uns das hier niemals durchgehen lassen. Er glaubt, er sei zum Offizier geboren, der Blöd-mann.«
Morgan zuckte die Schultern, machte einen Schritt nach vorn und schnitt dem Mädchen mit einer ökonomischen Bewegung die Kehle durch. Es sackte an der Wand zusammen und umklammerte die klaffende Wunde mit den Händen.
Blut sprudelte zwischen den Fingern hervor; dann fiel das Mädchen zu Boden. Kast fluchte lästerlich und schloß seinen Gürtel .
»Mach dir nichts draus«, tröstete ihn sein Freund Morgan.
»Wir werden schon noch die eine oder andere Gelegenheit bekommen . Franke kann schließlich nicht überall sein .«
Sie grinsten sich an und gingen fröhlich pfeifend auf die Straße hinaus. Alles in allem machte ihnen die Invasion eine Menge Spaß.
Der Raumhafen im Technikerviertel lag in Schutt und Asche.
Eine Zeitlang hatte die schwere Disruptorkanone aus dem abgestürzten Imperialen Raumschiff Dunkelwind die Angreifer in ihren Antigravbarken auf Distanz halten können. Auf kurze Entfernungen brauchte die Kanone keinen Feuerleitrechner, um ihre Ziele zu finden. Doch schon nach kurzer Zeit wichen die Angreifer in sichere Entfernung zurück und funkten die Unerschrocken um Hilfe an. Der Imperiale Raumkreuzer sandte sechs mit schweren Schilden ausgerüstete Pinassen, um die Kanone auszuschalten. Sie kamen brüllend aus der Nacht herab, zu schnell, um ein klares Ziel zu bieten, und zerstörten die Kanone in einer Explosion, die in ganz Nebelhafen zu hören war.
Nachdem der Raumhafen keine Verteidigung mehr besaß, jagten die Pinassen über das Flugfeld und schossen die Schiffe auf den Landeplätzen ab. Und während sie damit beschäftigt waren, rückten die Barken gegen den Kontrollturm vor.
Die Rebellenschiffe auf den Landeplätzen explodierten eins nach dem anderen. Feuerblitze erhellten die Nacht, und Rauch stieg in den Himmel. Merkwürdiges Licht flackerte auf und erlosch wieder, als die Hyperraumantriebe zusammenbrachen und ihre Energien freisetzten. Die Landeplätze waren jetzt stark radioaktiv verseucht, und das würde auch so bleiben, bis das Imperium industrielle Hochleistungsschrubber heranbrachte.
Einzig und allein das Schiff des Todtsteltzers, die Sonnenschreiter II, überlebte im Schutz ihrer mächtigen Schilde, einem Produkt überlegener Hadenmann-Technologie. Die Pinassen merkten die Sonnenschreiter II für spätere Maßnahmen vor und zogen weiter. Es gab genügend andere Ziele, mit denen sie sich beschäftigen konnten.
Der Kontrollturm leistete am längsten Widerstand. Er besaß eine gepanzerte Konstruktion und Fenster aus Stahlglas. Doch am Ende fiel auch er unter dem massierten Disruptorfeuer der am Himmel schwebenden Antigravbarken. Die Stahlglasfenster flogen nach innen, zerfetzt zu einem tödlichen Schrapnell, das jeden auf der Stelle tötete, der es gewagt hatte, im Turm zu bleiben. Um ganz sicherzugehen, daß niemand überlebte, setzten die Barken den Turm anschließend in Brand und überließen ihn allein seinem Schicksal.
Nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig waren, schwebten Barken und Pinassen majestätisch anderen Zielen entgegen. Überall auf dem Raumhafen lagen Tote: Bodenmannschaften, die ihre Schiffe für Notstarts vorbereitet hatten, ganze Scharen von Einwohnern, die gedacht hatten, der stark verteidigte Raumhafen sei der sicherste Ort auf dem Planeten, und wohlhabende Bürger, die horrende Summen gezahlt hatten, um von der Nebelwelt geschmuggelt zu werden.
Die Schiffe des Imperiums hatten sie im Freien überrascht, wo es weit und breit kein Versteck und keine Fluchtmöglichkeit gegeben hatte. Sie hatten um Hilfe geschrien, die niemals kam, und waren am Ende gestorben.
Zerstörte Raumschiffe brannten auf den von Rissen durchzogenen Landefeldern. Die Überreste des einstigen Kontrollturms flackerten hell wie eine riesige Kerze, und die Wände schmolzen in der gewaltigen Hitze wie Wachs.
Der Raumhafen war gefallen.
Jung Jakob Ohnesorg führte Owen, Hazel, Silver und seine Schar von Bewunderern in die Stadt zurück, auf der Suche nach Menschen, die seiner Hilfe bedurften. Die vom südwestlichen Stadtrand zurückgeworfenen Imperialen Angreifer suchten inzwischen nach einem leichteren Zugang zur Stadt. Niemand zweifelte auch nur eine Sekunde daran, daß sie ihn finden würden.
Bald schon entdeckte Ohnesorg eine Straßenbarrikade, die unter dem Imperialen Ansturm zu fallen drohte, und rasch eilte er zur Unterstützung herbei. Die improvisierte Barrikade war aus Möbeln und anderen schweren Gegenständen errichtet worden, die man aus den umliegenden Häusern auf die Straße gezerrt, übereinandergestapelt und aneinander gebunden hatte, bis die resultierende Mauer gut ein Dutzend Fuß hoch stand.
Kleinere Möbel waren zerbrochen worden, und ihre hölzernen Überreste bildeten gezackte Spitzen, die aus der Barrikade her-vorragten und die andere Seite daran hindern sollten, den Verteidigern zu nahe zu kommen.