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»Laßt mich los, verdammt! Madeleine ist noch immer da drin!«

»Wenn sie wirklich noch da drin ist, dann ist sie inzwischen tot!« erwiderte Gideon Stahl, der Raumhafendirektor, und hielt den alten Mann mit entschlossenem Griff fest.

Donald stellte seine Gegenwehr ein. »Wenn sie tot ist, dann will ich auch sterben. Sie war meine Tochter, in jeder erdenkli-chen Hinsicht. Sie ist alles, was mir noch geblieben ist.«

»Ihr dürft hier nicht sterben«, widersprach Stahl. »Ihr werdet noch gebraucht. Ihr seid ein Ratsmitglied und ein alter, respektierter Kämpfer, dessen Name noch immer Menschen mobili-siert. Wagt es ja nicht, jetzt einfach aufzugeben, Donald Royal!

Ihr habt uns allen jahrelang erzählt, was für ein Held Ihr einst gewesen seid. Jetzt beweist es endlich, verdammt noch mal!

Beweist es auf eine Art und Weise, die zählt . Ihr könnt nicht wieder in die Taverne zurück. Niemand kann das.«

»Früher hätte ich es gekonnt«, entgegnete Donald Royal.

»Als ich noch ein Held war. Als ich jung war.«

Und dann zersplitterte eines der Fenster, und eine Gestalt sprang inmitten eines Feuerballs durch die Scheibe. Sie prallte auf das Kopfsteinpflaster der Straße , rollte sich ab, sprang auf und schleuderte ihren brennenden Umhang beiseite . Madeleine Skye klopfte mit schwarzen und verbrannten Händen über ihre schwelende Kleidung. Sie war zwar ein wenig angesengt, aber sie lebte noch und schien weitgehend unverletzt. Donald sprang vor, nahm sie in die Arme, und sie drückte ihn fest an sich.

»Ich hab’ in all dem Feuer und dem Rauch ein wenig die Orientierung verloren«, erklärte sie schließlich atemlos. »Ich wußte nicht mehr, wo zur Hölle ich war, ganz allein in diesem Loch. Dann hab’ ich dich rufen hören. Du hast mir damit nach draußen geholfen, Donald. Ich bin dir was schuldig.«

»Nein, bist du nicht«, widersprach Royal. »Du bist Familie.«

Cyder schwankte betrunken umher und beobachtete, wie ihre Taverne niederbrannte. Noch immer hielt sie eine Flasche von ihrem guten Brandy in der Hand. Der Schwarzdorn war ihr Zuhause und ihre Zuflucht gewesen. Cyders Gesicht blieb kühl und unbeteiligt. Ihre Augen waren trocken, und ihr Mund war ein entschlossener Strich. So leicht gab sich Cyder nicht geschlagen.

»Meine wundervolle Taverne!« sagte sie schließlich. »Du solltest mich reich machen. Reich, reich, reich!«

Johana Wahn brach endgültig zusammen. Ihre Kräfte hatten sie nun endgültig verlassen. Entschlossenheit und Willenskraft konnten sie nicht mehr weiter tragen, und sie verlor das Be-wußtsein. Der psionische Schild brach zusammen, und die Disruptorstrahlen der Antigravbarken krachten nun ungehindert in die Taverne. Schließlich brach das Gebäude auseinander . Die Wände fielen in sich zusammen, und die Decke stürzte ein.

Flammen schossen triumphierend in den nächtlichen Himmel hinauf. Das Lied von Topas und Marie schützte die Rebellen vor dem Feuer und den umherfliegenden Trümmern. Innerhalb von Sekunden war vom Schwarzdorn nur noch ein verkohltes Gerüst übrig, aus dem meterhohe Flammen schlugen. Stahl kniete neben Johana Wahn nieder, tastete nach ihrem Puls und hob eine Augenbraue.

»Erstaunlich. Sie weilt noch immer unter den Lebenden.

Chance, bringt sie von hier weg. Bringt sie zusammen mit Euren Kindern in die Gildenhalle der Espervereinigung. Dort wird man sich um Euch kümmern. Verrücktes Stück Weib. Das verdammt noch mal tapferste Ding, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.« Er stand auf und erhob seine Stimme über den allgemeinen Lärm. »In Ordnung, alles verteilt sich!

Ihr kennt unseren zweiten Treffpunkt! Wir treffen uns dort in exakt einer Stunde von jetzt an! Keine Ausflüchte! Und jetzt setzt Euch in Bewegung!«

Und so gingen alle auf verschiedenen Wegen davon, halfen denen, die Hilfe benötigten und trugen die, die nicht mehr laufen konnten. Sie gingen in kleinen Gruppen zu zweit oder dritt und folgten den Pfaden, die der Rat vor Jahren für den Notfall ausgearbeitet hatte. Sie verschwanden im dunklen Labyrinth der Straßen und Gassen und waren sicher, daß keine Imperialen Truppen ihnen folgen konnten, ohne sich innerhalb weniger Augenblicke hoffnungslos zu verlaufen . Niemand redete von Kapitulation. Sie waren weder gebrochen noch geschlagen.

Schließlich hatten sie immer gewußt, daß dies ein Kampf auf Leben und Tod werden würde.

Bald schon waren alle verschwunden mit Ausnahme von Investigator Topas und der Typhus-Marie. Noch immer knisterte ihr Lied ringsum und erstickte Legions Schrei. Noch immer hielt das Lied die Truppen auf Distanz und deckte den Rückzug ihrer Freunde und Verbündeten. Sie waren die beiden machtvollsten Sirenen, die das Imperium je hervorgebracht hatte, und sie würden nicht weichen. Und dann plötzlich ließ der Druck nach. Die Antigravbarken schwebten nach getaner Arbeit weiter, und die Truppen zogen sich zurück. Topas und Marie hörten auf zu singen, um ihre Kräfte zu schonen. Die Welt ringsum war noch immer ein Chaos aus Flammen, Schreien und Kampfgetöse; doch dieser spezielle Teil der Welt schien mit einemmal merkwürdig still und ruhig. Als hätte irgendeine neue Macht die Bildfläche betreten. Topas und Marie blickten sich an. Hinter ihnen ertönte ein langsamer Applaus. Die beiden Frauen wirbelten herum und sahen sich einem großen, finsteren Mann in der Uniform eines Investigators gegenüber, der sie gelassen von der anderen Straßenseite her beobachtete. Topas runzelte die Stirn. Sie hätte eigentlich hören sollen, wie er sich näherte, selbst in all diesem Lärm und Chaos. Sie hätte wissen müssen, daß er gekommen war. Sein Schwert und der Disruptor hingen noch immer an seiner Hüfte, doch in einer Hand hielt er das Ende einer stählernen Kette, deren anderes Ende um den Hals eines nackten Mannes lag. Der Mann schien halb verhungert. Er war über und über mit Schmutz bedeckt, und seine nackte Haut zeigte deutliche Spuren von Mißhandlungen. Die linke Hälfte seines Schädels war chirurgisch entfernt worden, und das Gehirn darunter lag offen und war nur durch ein klares Stück Stahlglas geschützt. Zahlreiche Stecker waren überall in dem grauen Gewebe verteilt, die durch silberne Leihingen miteinander verbunden waren.

»Ein hübscher Bursche, nicht wahr?« fragte der finstere Mann mit der Kette in der Hand. »Er gehört mir. Gestatten: Investigator Razor, zu Euren Diensten. Man hat mich geschickt, um Euch in die Arme des Imperiums zurückzubringen.

Man wird Euch lehren, wieder die richtigen Lieder zu singen.

Erspart mir Eure Proteste, meine Damen. Sie würden nichts ändern. Ihr habt in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht mehr. Diese erbärmliche Kreatur an meiner Kette besitzt keinen Namen mehr, lediglich eine Funktion. Es ist ein lebender ESP-Blocker. Eines der besonderen Projekte des Hohen Lords Dram, glaube ich. Diese Kreatur lebt und kann Befehle ausführen, und damit ist sie weitaus stärker und praktischer als die üblichen ESP-Blocker in ihren Schachteln. Dieser Blocker hier ist stark genug, um selbst unter Legions Einfluß zu funktionieren, und er arbeitet unauffällig genug, daß Ihr unsere Annäherung nicht bemerkt habt. Ich fürchte, Ihr werdet feststellen, daß die Macht Eurer Lieder vergangen ist, meine Damen. Also laßt Euer Gezeter und kommt lieber gleich mit. Euer Leben in diesem Elend hier ist zu Ende. Von jetzt an gehört Ihr wieder dem Imperium.«

Topas zog das Schwert. »Lieber sterbe ich.«

Razor zog ebenfalls blank. »Das können wir arrangieren. Ich erhalte zwar einen Bonus, wenn ich Euch beide lebendig zu-rückbringe; aber Geld hat mir noch nie viel bedeutet. Wenn es sein muß, wird man sich mit einer lebenden Sirene und einer toten Verräterin zufriedengeben. Außerdem wollte ich schon immer wissen, wer von uns beiden besser ist.«

Er ließ die Kette fallen, doch der lebende ESP-Blocker blieb, wo er war. Er würde keinen Schritt ohne Befehl gehen. Die Typhus-Marie wich vor Topas zurück und schüttelte den Kopf.