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»Und was machen wir mit der Kohle? Wir verbrennen sie«, sagt Cinna. »Du hast doch keine Angst vor Feuer, Katniss, oder?« Er sieht meinen Gesichtsausdruck und grinst.

Ein paar Stunden später stecke ich in einem Kleid, das entweder das spektakulärste oder das tödlichste Kostüm der Eröffnungsfeier sein wird. Ich stecke vom Hals bis zu den Knöcheln in einem schlichten schwarzen Einteiler. Glänzende Lederschnürstiefel bis zu den Knien. Die Krönung aber ist der wallende Umhang aus orangefarbenen, gelben und roten Stoffstreifen und die dazu passende Kopfbedeckung. Cinna will sie im letzten Moment, kurz bevor unser Kampfwagen auf die Straße rollt, in Brand stecken.

»Natürlich keine echte Flamme, nur ein kleines künstliches Feuer, das Portia und ich erfunden haben. Dir kann gar nichts passieren«, sagt er. Aber ich bin mir nicht so sicher, ob ich nicht schon gut durchgebraten sein werde, wenn wir das Stadtzentrum erreichen.

Mein Gesicht ist relativ frei von Make-up, nur ein paar Highlights hier und da. Mein Haar wurde ausgebürstet und dann wie vorher geflochten. »Ich will, dass das Publikum dich wiedererkennt, wenn du in der Arena bist«, sagt Cinna versonnen. »Katniss - das Mädchen, das in Flammen stand.«

Da denke ich, dass sich hinter Cinnas Ruhe und unauffälligem Benehmen ein Wahnsinniger verbirgt.

Trotz der Entdeckung von Peetas wahrem Charakter heute Morgen bin ich irgendwie erleichtert, als er auftaucht, in der gleichen Aufmachung wie ich. Mit Feuer müsste er sich als Bäckersohn ja auskennen. Portia, seine Stylistin, und ihr Team begleiten ihn, und alle sind ganz aus dem Häuschen vor lauter Vorfreude auf unseren großartigen Auftritt. Außer Cinna. Er wirkt ein bisschen erschöpft, während er die Glückwünsche entgegennimmt.

Schnell werden wir hinunter ins Erdgeschoss des Erneuerungsstudios gebracht, das im Grunde nur ein großer Stall ist. Die Eröffnungsfeier wird gleich beginnen. Die Tribute werden paarweise in die Streitwagen gestellt, die von Gespannen aus je vier Pferden gezogen werden. Unsere sind kohlschwarz. Die Tiere sind so gut dressiert, dass niemand ihre Zügel halten muss. Cinna und Portia geleiten uns in den Wagen, wo sie sorgfältig unsere Körperhaltung und die Falten unserer Umhänge arrangieren, bevor sie wieder hinuntersteigen und sich beraten.

»Was hältst du davon?«, flüstere ich Peeta zu. »Von dem Feuer?«

»Wenn du meinen Umhang runterreißt, reiß ich deinen runter«, sagt er durch zusammengebissene Zähne.

»Abgemacht«, sage ich. Wenn wir sie schnell genug vom Leib bekommen, können wir die schlimmsten Verbrennungen vielleicht verhindern. Es ist auch so schrecklich genug. Ganz gleich, in welchem Zustand wir uns befinden, in die Arena werfen sie uns auf jeden Fall. »Ich weiß, wir haben Haymitch versprochen, immer zu tun, was sie sagen, aber das hier hat er bestimmt nicht bedacht.«

»Wo ist Haymitch überhaupt? Soll er uns nicht eigentlich vor solchen Sachen beschützen?«, fragt Peeta.

»Bei all dem Alkohol, den er intus hat, ist es wahrscheinlich nicht ratsam, wenn er sich in die Nähe von offenem Feuer wagt«, sage ich.

Und plötzlich lachen wir, alle beide. Ich glaube, wir sind beide so nervös wegen der Spiele und wie gelähmt bei der Aussicht, in menschliche Fackeln verwandelt zu werden, dass wir nicht vernünftig handeln können.

Die Eröffnungsmusik erklingt. Man hört sie gut, sie dröhnt durchs ganze Kapitol. Schwere Türen werden aufgeschoben und geben den Blick frei auf von Menschen gesäumte Straßen. Die Fahrt dauert rund zwanzig Minuten und endet am Zentralen Platz, wo sie uns empfangen, die Hymne abspielen und ins Trainingscenter bringen werden, das bis zum Beginn der Spiele unser Zuhause und Gefängnis sein wird.

Die Tribute aus Distrikt 1 fahren in einem Streitwagen hinaus, der von schneeweißen Pferden gezogen wird. Sie sehen wunderschön aus, mit silberner Farbe eingesprüht, in geschmackvollen, mit Juwelen besetzten Tuniken. Distrikt 1 stellt Luxuswaren für das Kapitol her. Man kann das Gebrüll der Menge hören. Distrikt 1 ist immer der Favorit.

Distrikt 2 geht in Position, um ihm zu folgen. Bald gelangen auch wir zum Tor und ich kann sehen, dass das Licht des verhangenen, zur Dämmerung neigenden Himmels grau wird. Als die Tribute aus Distrikt 11 hinausfahren, erscheint Cinna mit einer brennenden Fackel. »Los geht’s«, sagt er, und bevor wir reagieren können, setzt er unsere Umhänge in Brand. Ich schnappe nach Luft und warte auf die Hitze, aber ich spüre nur ein leises Kitzeln. Cinna klettert auf den Wagen und entzündet unsere Kopfbedeckungen. Er seufzt erleichtert. »Es funktioniert.« Dann nimmt er sanft mein Kinn in die Hand. »Denkt dran, Kopf hoch. Lächeln. Sie werden euch lieben!«

Cinna springt vom Wagen und hat noch eine letzte Idee. Er ruft etwas zu uns herauf, doch die Musik übertönt ihn. Wieder schreit er und gestikuliert.

»Was sagt er?«, frage ich Peeta. Zum ersten Mal schaue ich ihn an und sehe, wie die falschen Flammen ihn erstrahlen lassen. Und ich muss genauso aussehen.

»Ich glaube, er hat gesagt, wir sollen uns bei den Händen fassen«, sagt Peeta. Er nimmt meine rechte Hand mit seiner linken und wir schauen zur Bestätigung zu Cinna hin. Er nickt und hält den Daumen nach oben und das ist das Letzte, was ich sehe, bevor wir in die Stadt hinausfahren.

Die anfängliche Panik, die die Menge bei unserem Erscheinen erfasst, verwandelt sich rasch in Jubel und »Distrikt 12!«-Rufe. Alle wenden sich uns zu und beachten die drei Wagen vor uns nicht weiter. Im ersten Moment bin ich wie erstarrt, aber dann erblicke ich uns auf einem großen Bildschirm und bin sprachlos, denn wir sehen einfach atemberaubend aus. In der einfallenden Dämmerung erleuchtet das Feuer unsere Gesichter. Wir sehen aus, als würden unsere wehenden Umhänge eine Schleppe aus Feuer hinter sich herziehen. Mit dem sparsamen Make-up, da hatte Cinna recht, sehen wir beide besser aus und sind doch sehr gut wiederzuerkennen.

Denkt dran, Kopf hoch. Lächeln. Sie werden euch lieben! Cinnas Stimme hallt in meinem Kopf. Ich recke das Kinn ein wenig höher, setze mein gewinnendstes Lächeln auf und winke mit meiner freien Hand. Jetzt bin ich froh, dass ich mich an Peeta festhalten kann, er ist so standhaft, wie ein Fels in der Brandung. Ich fasse so viel Zutrauen, dass ich der Menge sogar Küsschen zuwerfe. Die Leute vom Kapitol rasten total aus, sie überschütten uns mit Blumen, rufen unsere Namen, unsere Vornamen, die sie im Programm nachgelesen haben.

Die dröhnende Musik, der Jubel, die Bewunderung gehen mir ins Blut, ich kann meine Erregung nicht unterdrücken. Cinna hat mir einen großen Vorteil verschafft. Niemand wird mich vergessen. Weder mein Aussehen noch meinen Namen. Katniss. Das Mädchen, das in Flammen stand.

Zum ersten Mal spüre ich einen Hoffnungsschimmer in mir aufsteigen. Bestimmt wird sich ein Sponsor finden, der mich unterstützt! Und mit ein wenig zusätzlicher Hilfe, etwas Essen, der richtigen Waffe - wieso sollte ich die Spiele verloren geben?

Jemand wirft mir eine rote Rose zu. Ich fange sie auf, schnuppere leicht daran und werfe eine Kusshand in die grobe Richtung des Spenders. Hundert Hände gehen hoch, um meinen Kuss aufzufangen, als wäre er wirklich etwas Greifbares.

»Katniss! Katniss!« Von allen Seiten wird mein Name gerufen. Alle wollen sie meine Küsse.

Erst als wir auf den Zentralen Platz fahren, merke ich, dass ich Peeta fast das Blut abgeschnürt habe. So fest habe ich seine Hand gehalten. Während ich loslasse, schaue ich hinunter zu unseren verschränkten Fingern, aber er greift sofort wieder danach. »Nein, lass mich nicht los«, sagt er. Das Feuer flackert in seinen blauen Augen. »Bitte. Sonst falle ich noch um.«

»Na gut«, sage ich. Ich halte also weiter seine Hand, aber irgendwie kommt es mir komisch vor, wie Cinna uns miteinander verbunden hat. Irgendwie ist es nicht richtig, uns als Team zu präsentieren und uns dann in eine Arena zu sperren, damit wir uns gegenseitig umbringen.