Er kippte den Rest seines Drinks hinunter, und ich schloß mich an.
„Das dürfte im wesentlichen alles sein“, sagte er. „Ich hol’ uns noch etwas hiervon, dann kannst du erzählen, was du weißt.“
„Also los.“
Ich zündete mir nachdenklich eine Zigarette an. Irgendwie mußte das alles einen Sinn haben, und der Sternstein war offensichtlich der Schlüssel. Wenn es in dem Fall auch viel zu viele Einzelaktionen gab, die ich nicht miteinander in Einklang bringen konnte. Wenn ich mehr über den Sternstein wüßte, dachte ich damals, dann könnte ich das Puzzle vielleicht besser zusammenlegen. Dieser Gedanke führte von nun an meine Prioritätenliste an.
Hal kam mit den Drinks zurück, gab mir meinen, setzte sich wieder.
„Schieß los“, sagte er. „Unter Berücksichtigung aller Ereignisse hier bin ich bereit, dir alles abzukaufen, ganz gleich, was du mir auftischst.“
Daher erzählte ich den größten Teil dessen, was mir seit meiner Abreise widerfahren war.
„Das kaufe ich dir nicht ab“, sagte er, als ich fertig war.
„Besser kann ich dir meine Erinnerungen nicht darbieten.“
„Schon gut“, sagte er. „Das klingt sehr ausgeflippt. Aber das warst du ja schon immer. Ich werde mir das Hirn noch ein wenig einnebeln und noch einmal über alles nachdenken. Jetzt gleich.“
Er ging hinaus und holte noch mehr zu trinken. Ich kümmerte mich nicht mehr darum. Mittlerweile war mir alles egal geworden.
„Du meinst das alles ernst?“ fragte er schließlich.
„Ja.“
„Dann sind diese Burschen wahrscheinlich noch immer in deinem Apartment.“
„Wahrscheinlich.“
„Warum rufst du nicht die Polizei?“
„Ach komm, nach allem, was ich weiß, sind sie wahrscheinlich von der Polente.“
„Meinst du wirklich?“
„Ich weiß es nicht. Ich wollte nur sicherstellen, daß niemand von meiner Rückkehr erfährt, und das war auch ganz gut so. Ich habe viel gelernt und bin vorsichtiger geworden.“
„Na schön. Der Rest ist Schweigen. Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Nachdenken. Du warst bekannt dafür, hin und wieder eine gute Idee zu haben. Laß dir was einfallen.“
„Schon gut“, sagte er. „Ich habe nachgedacht. Alle Fäden scheinen zu der Nachbildung des Sternsteins zurückzuführen. Was ist daran, daß es von solcher Wichtigkeit ist?“
„Ich gebe auf. Erzähl’s mir.“
„Ich weiß es auch nicht. Ziehen wir aber einmal alles in Betracht, was wir wissen.“
„Gut. Das Original kam zu uns als eine Leihgabe, ein Bestandteil des Kulturaustausches, über den wir schon gesprochen haben. Er wurde als ein Relikt beschrieben, als Gegenstand von unbekannter Verwendungsmöglichkeit, aber nichtsdestoweniger sehr dekorativ. Er war in den Ruinen einer toten Zivilisation gefunden worden. Er scheint künstlicher Herkunft zu sein. Wenn das so ist, dann ist er wahrscheinlich das älteste von intelligenten Lebewesen erschaffene Gebilde der ganzen Galaxis.“
„Was seinen Wert unschätzbar macht.“
„Natürlich.“
„Wenn er hier verlorengeht oder gar zerstört wird, dann werden wir womöglich wieder aus diesem Austauschprogramm gefeuert.“
„Das könnte möglich sein.“
„,Könnte’. Zum Teufel. Es ist möglich! Ich habe es nachgelesen. Die Vereinbarungen liegen mittlerweile übersetzt vor, ich war neugierig genug, um mir alles durchzulesen. Sie würden eine Anhörung veranstalten, bei der die anderen Mitglieder über unseren Ausschluß abstimmen.“
„Zum Glück wurde er weder zerstört, noch kam er abhanden.“
„Ja. Zum Glück.“
„Aber in welchem Zusammenhang steht Byler zu alledem?“
„Meine Vermutung ist noch immer die UN selbst. Sie haben ihn gebeten, ein Duplikat zum Ausstellen anzufertigen. Das hat er getan, und dann kam es zu einem Durcheinander.“
„Bei etwas so Wichtigem kann es doch kein Durcheinander geben.“
„Dann nennen wir es eben Vorsatz.“
„Wie das?“
„Sagen wir einmal, sie haben ihm den Stein geliehen, und anstatt ihn mit einer Kopie zurückzugeben, gab er ihnen zwei Kopien zurück. Ich kann mir schon vorstellen, das er ihn so lange wie möglich behalten und studieren wollte. Er hätte ihn einfach zurückgeben können, wenn er seine Studien abgeschlossen hatte oder wenn sie ihn erwischten, was als erstes eintrat. Er hätte es einfach auf eine Verwechslung schieben können. Und Angesichts der Situation hätte man öffentliches Aufsehen sowieso vermeiden müssen. Aber vielleicht denke ich auch zu schlecht von ihm. Vielleicht hatte er das Ding auch rechtmäßig geliehen bekommen, solange er es in ihrem Auftrag studierte. Wie auch immer, nehmen wir einmal an, er hatte das Original längere Zeit bei sich.“
„Also gut, nehmen wir das einmal an.“
„Dann verschwand es. Es wurde entweder versehentlich mit den mißlungenen Exemplaren hinausgeworfen, oder wir bekamen es irrtümlicherweise …“
„Du, du hast es bekommen“, sagte ich. „Und nicht irrtümlicherweise.“
„Auch Paul kam zu dieser Schlußfolgerung“, fuhr er fort, indem er meine Anklage ignorierte. „Er geriet in Panik, sah sich überall um, und so landete er auch bei uns.“
„Und nun ist er tot.“
„Du hast gesagt, die beiden Männer, die dich in Australien aufgesucht hatten, seien das gewesen, die Tat war nur ein Nebeneffekt ihrer Befragung.“
„Zeemeister und Buckler. Ja.“
„Der Wombat sagte, das seien Galgenvögel gewesen.“
„Balkengöggel, aber das nur am Rande. Sprich weiter.“
„Die UN informierte die Mitgliedsstaaten – und damit kommt das Innenministerium ins Spiel. Irgendwo war eine Informationslücke, und Zeemeister beschloß, den Stein als erster wiederzufinden, um eine saftige Belohnung zu kassieren.“
„Das ergibt irgendwie einen surrealistischen Sinn. Sprich weiter.“
„Also könnten wir das Original gehabt haben, was mittlerweile allgemein bekannt ist. Wir wissen aber nicht, wo es ist, nur glaubt uns das niemand.“
„Wer ist jeder?“
„Die UN-Beamten, die unbekannten Verfolger, die Balkengöggel und wie die Knaben alle heißen. Und die Außerirdischen.“
„Nun, angenommen, die Außerirdischen wurden informiert und haben bereits eingegriffen, dann wird die Rolle von Charv und Ragma ein wenig verständlicher – ihr Sicherheitsbestreben und das alles. Aber dann macht mir etwas anderes zu schaffen. Sie schienen mehr als überzeugt zu sein, daß ich mehr über den Stein wußte, als ich zugeben wollte. Sie waren sogar der Meinung, ein telepathischer Analytiker könnte mir die gewünschten Informationen entlocken. Ich frage mich, wie sie auf diese Idee kamen?“
„Wirklich merkwürdig. Aber vielleicht hatten sie alle anderen Möglichkeiten von vornherein ausgeschlossen. Und vielleicht haben sie recht. Er verschwand wirklich unter merkwürdigen Umständen. Ich frage mich …“
„Was?“
„Ob du nicht doch etwas Nützliches weißt, etwas, was du aus irgendwelchen Gründen verdrängt hast. Vielleicht könnte es auch ein guter nicht-telepathischer Analytiker zutage fördern. Hypnose, Drogen … Wer weiß? Wie sieht es denn mit diesem Doktor Marko aus, zu dem du immer gegangen bist?“
„Keine schlechte Idee, aber es würden Wochen vergehen, ihn von der Wahrheit der Geschichte zu überzeugen, die er kennen muß, um mit seiner Arbeit beginnen zu können. Vielleicht denkt er auch, ich sei nun vollkommen entgleist und verpaßt mir eine falsche Therapie. Nein, diese Möglichkeit vergessen wir vorerst lieber wieder.“