„Zugegeben. Aber ein Virus verfügt nicht über Intelligenz, dieses Ding dagegen – auf gewisse Weise – schon.“
„Ich verstehe, worauf sie hinauswollen“, sagte ich. „Aber was soll ich nun Ihrer Meinung nach tun? Mich aufregen? Oder einfach zwei Aspirin nehmen und zu Bett gehen?“
„Weder noch. Ich muß jetzt für Doktor M’mrm’mlrr sprechen, da er beschäftigt ist und wir Ihnen die Situation mit raschen Worten erläutern müssen. Beim ersten Versuch, in Ihre Erinnerungen einzudringen, wurde er in einen Schockzustand versetzt, und zwar von einem Bewußtsein, das mit dem Ihren koexistierte und auf dessen Gegenwart er sich natürlich nicht hatte vorbereiten können. In Ausübung seines Berufes hat er mittlerweile die Gehirne aller bekannten Lebensformen der Galaxis kennengelernt, aber etwas Derartiges war ihm bisher noch nie aufgefallen. Er bezeichnete es als etwas Unnatürliches.“
„Unnatürlich? In welcher Beziehung?“
„In rein technischer Weise. Er hält es für eine künstliche Intelligenz, ein synthetisches Bewußtsein. Solche Dinge wurden von vielen Völkern konstruiert, verglichen mit diesem sind sie aber alle relativ simpel.“
„Was für eine Funktion hat meines?“
„Das wissen wir noch nicht. Als M’mrm’mlrr zum zweiten Mal in Ihren Geist eindrang, war er auf den Eindringling vorbereitet.
Das Geschöpf ist selbst telepathisch begabt. Es konnte damals auf unserem Schiff unsere Sprache für Sie übersetzen, daher haben Sie uns verstanden. Man sagte mir, das könnte zu zusätzlichen Komplikationen führen, was dann auch der Fall war. Er drang ungestört in Ihren Verstand ein und erfuhr auch soviel über den Fremdling, daß wir eine ungefähre Vorstellung haben, wie wir ihn behandeln müssen. Danach machte er sich daran, Ihre Erinnerungen in bezug auf den Stein zu erforschen. Das half uns sehr, wir konnten uns mit diesem Wissen ein eigenes Bild machen. Augenblicklich ist er damit beschäftigt, das Geschöpf in einer mentalen Stasis zu halten, bis alles bereit ist.“
„Alles bereit? Was soll das heißen?“
„Das werden wir in Kürze erfahren. Alles hängt mit der Natur des Dinges zusammen. Ausgehend von M’mrm’mlrrs Informationen hat Paul ein paar Vorschläge ausgearbeitet, wie wir vorgehen können.“
Paul nutzte die entstehende Gesprächspause, um nachzuhaken. „Ja. Stellen Sie es sich folgendermaßen vor: Sie haben eine synthetische Lebensform, die mittels isometrischer Inversionen ein- und ausgeschaltet werden kann. Der eingeschaltete Zustand, charakterisiert durch die Lebensfunktionen, ist ein Produkt der Linksdrehung. Das ist, wie Sie wissen, die normale Eigenschaft der Aminosäuren hier auf der Erde. Man nennt sie L-Aminosäuren. Wandelt man sie in ihre Stereoisomere-D-Aminosäuren – um, dann wird unser Freund ausgeschaltet. Als ich den Sternstein untersuchte, da wiesen die optischen Effekte auf die dextrale Situation „Aus“ hin. So weit, so gut. Etwas in dieser Richtung hatte ich natürlich nicht vermutet, aber mittlerweile wissen wir einiges mehr. Wie wir wissen, hatten Sie in der Nacht, als Sie den Sternstein mit Blut besudelt haben, getrunken. Wir wissen, daß Alkohol ein symmetrisches Molekül hat. Wenn er mit dem Objekt in einem Stadium reagieren konnte, dann konnte er das auch im anderen. Das ist entweder eine Nachlässigkeit im Design oder aber ein bewußt eingefügte Eigenschaft. Das wissen wir nicht. Wie M’mrm’mlrr erfuhr, konnte das Wesen mit Ihnen am besten in Gegenwart dieses Moleküls kommunizieren, es scheint also eine Art Konversationsstimulans zu sein. Wie auch immer, Sie gefielen ihm, und Sie konnten es auch teilweise aktivieren, und so drang es durch Ihre Wunde in Ihren Organismus ein. Danach lag es sehr lange schlafend in Ihrem Inneren, da Sie kein ausgesprochener Trinker sind. Nur hin und wieder wurde es durch leichten Alkoholgenuß etwas stimuliert und versuchte mit Ihnen in Kontakt zu treten. Das Medikament, das Ragma Ihnen nach Ihrem Australienaufenthalt gab, enthielt Spuren von Äthylalkohol, die es kurze Zeit aktivierten. In der Nacht, als Sie mit Hal tranken, erfolgte der Durchbruch. Es konnte Sie dazu bringen, sich mittels der Rhenniusmaschine umkehren zu lassen. Danach waren Sie natürlich invers, aber das Wesen war aktiviert. Das genau geschah. Gegenwärtig funktioniert es also ganz normal in Ihnen, aber Ragma zufolge ist es mit Ihrer Gesundheit nicht zum Besten bestellt. Wir müssen das Ding aus Ihrem Organismus entfernen und Sie wieder umkehren.“
„Können Sie das?“
„Wir sind zuversichtlich.“
„Aber Sie haben noch immer keine Ahnung, was es macht?“
„Es handelt sich um eine sehr erfahrene lebende Maschine unbekannter Funktion, die sich aktivierte, indem sie Sie in eine sehr gefährliche Situation brachte. Zudem scheint sie eine Vorliebe für Mathematik zu haben.“
„Also eine Art Computer?“
„M’mrm’mlrr ist anderer Meinung. Er glaubt, das ist nur eine Sekundärfunktion.“
„Ich frage mich, weshalb das Ding nicht mehr mit mir in Kontakt getreten ist, nachdem es aktiviert war.“
„Weil die Barriere noch immer existierte.“
„Was für eine Barriere?“
„Die der Stereoisomerie. Nur waren Sie dieses Mal derjenige, der invers war. Aber es hatte ja sein Ziel erreicht.“
„Halten wir ihm aber eines zugute“, warf Ragma ein. „Es hat auch etwas für Sie getan.“
„Was?“
„Ich habe im Krankenhaus nichts für Sie tun können“, sagte er. „Als ich Ihre Kleider entfernte und einige Tests vornahm, stellte ich fest, daß Sie schon fast wieder gesund waren. Ihr Parasit hat sich offensichtlich darum gekümmert.“
„Also scheint er zumindest zu versuchen, ein artiger kleiner Bursche zu sein …“
„Nun, wenn Ihnen etwas zustoßen würde …“
„Zugegeben, zugegeben. Aber, wie war das mit den Nebeneffekten der Inversion?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Gast weiß, wohin das im Endeffekt führen kann.“
„Seltsam, daß er und M’mrm’mlrr, als sie Kontakt miteinander hatten, sich nicht verständigten und die Situation klärten.“
„Für eine Unterhaltung war keine Zeit“, erklärte Ragma. „Der Doktor mußte rasch handeln, um ihn einfrieren zu können.“
„Schon wieder seine Angriffsphilosophie? Das scheint nicht fair zu sein …“
Das Telefon klingelte. Paul nahm den Hörer ab, alle seine Antworten waren einsilbig. Das Ganze dauerte vielleicht eine halbe Minute, dann legte er auf und wandte sich an Ragma.
„Fertig“, sagte er.
„Ausgezeichnet“, kommentierte Ragma.
„Was ist fertig?“ fragte ich.
„Das war Ted“, erklärte Paul mir. „Er mußte erst die Erlaubnis holen – und natürlich den Schlüssel für die Halle. Wir werden jetzt alle hinübergehen.“
„Um mich wieder rückumzuwandeln?“
„Richtig“, antwortete Ragma.
„Wissen Sie, wie das geht?“ erkundigte ich mich vorsichtig. „Ich habe das Programm bereits einmal getestet, ich habe beachtlichen Respekt vor der Vielzahl der verschiedenen Möglichkeiten.“
„Wir werden Charv dort drüben treffen“, beruhigte er mich. „Er wird eine Gebrauchsanweisung mitbringen.“
Paul ging ins Schlafzimmer. Als er wiederkam, schob er ein Wägelchen vor sich her.
„Wollen Sie mir helfen, unseren blättrigen Freund aufzuladen?“ fragte er mich.
„Klar.“
Aber ich half ihm anfangs doch nur mit gemischten Gefühlen. Ich achtete sehr darauf, mich nicht mehr mit diesem Schleim zu besudeln.
Als wir Doktor M’mrm’mlrr durch die Vorhalle schoben, sah ich gegenüber am Gehweg ein blinkendes Neonschild aufleuchten: „KANNST DU MICH RIECHEN, DED?“
„Ja“, flüsterte ich atemlos. „Sag mir, was ich tun soll.“
„Unser Schnark ist ein Kater“, flüsterte es hinter mir, während wir die Straße überquerten.
Als ich mich umdrehte, konnte ich natürlich niemanden sehen.