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Daher gab ich vorerst einmal lieber Fersengeld, anstatt zu warten, bis er sich wieder erholt hatte.

Ich sprang über die Stuhllehne, schob das Fenster vollends auf und war mit einem einzigen Satz draußen. Da war ein schmaler Sims, auf dem ich mich entlangtastete, bis ich mich an der Dachrinne festhalten konnte, die sich nur wenige Schritte zur Rechten entfernt befand.

Nun hätte ich weitergehen können – oder hinauf oder hinunter –, aber ich beschloß zu bleiben, wo ich war, denn ich fühlte mich sicher.

Wenig später streckte er den Kopf zum Fenster heraus, sah den schmalen Sims und verfluchte mich. Ich zündete eine Zigarette an und lächelte.

„Worauf warten Sie?“ fragte ich, während er dastand, um nach Atem zu ringen. „Kommen Sie doch heraus. Sie sind vielleicht viel stärker als ich, Paul, aber wenn Sie herauskommen, dann wird nur einer von uns beiden wieder hineingehen. Das dort unten ist Beton. Nun kommen Sie schon, zeigen Sie’s mir.“

Er holte einmal tief Luft, sein Griff um den Fensterrahmen verstärkte sich. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde es tatsächlich versuchen. Doch er sah zuerst hinunter, dann wieder zu mir.

„Also gut, Fred“, sagte er, wobei er langsam wieder Kontrolle über seine schulmeisterliche Stimme bekam. „So ein großer Narr bin ich nicht. Sie haben gewonnen. Aber hören Sie mir bitte zu. Was ich gesagt habe, ist wahr. Sie müssen dieses Ding haben. Und ich muß es zurückbekommen. Ich hätte nicht so gehandelt, wenn es nicht ungeheuer wichtig für mich wäre. Bitte sagen Sie mir, wenn Sie wollen, ob Sie mir die Wahrheit gesagt haben.“

Ich spürte noch immer die Schmerzen seiner Schläge. Ich wollte eigentlich gar kein artiger Junge sein. Andererseits mußte es ihm wirklich sehr wichtig sein, wenn er sich so benahm, und zudem hatte ich nichts davon, wenn ich es ihm nicht sagte. Also: „Es war die reine Wahrheit“, sagte ich.

„Und Sie haben keine Ahnung, wo es sein könnte?“

„Nein.“

„Könnte es jemand mitgenommen haben?“

„Sehr leicht sogar.“

„Wer?“

„Jeder. Sie wissen doch von diesen Partys, die wir immer veranstaltet haben. Da waren dreißig bis vierzig Leute anwesend.“

Er nickte zähneknirschend.

„Schon gut“, sagte er dann. „Ich glaube Ihnen. Aber versuchen Sie sich bitte zu erinnern. Können Sie sich an etwas – irgend etwas, egal was – erinnern, das uns einen Hinweis geben könnte?“

Ich schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“

Er seufzte. Er sank in sich zusammen. Er sah weg.

„Na schön“, sagte er schließlich. „Ich gehe. Ich nehme an, Sie werden die Polizei rufen.“

„Ja.“

„Nun, ich bin nicht in der Position, um einen Gefallen zu bitten oder Sie einzuschüchtern, zumindest im Moment nicht. Aber das Folgende ist sowohl als Erinnerung als auch als Mahnung gedacht, welche Repressalien ich Ihnen zukünftig auferlegen könnte. Rufen Sie sie nicht an. Ich habe schon Ärger genug, auch ohne sie.“

Er wandte sich ab.

„Warten Sie“, sagte ich.

„Was?“

„Vielleicht, wenn Sie mir sagen, wo das eigentliche Problem liegt …“

„Nein. Sie können mir nicht helfen.“

„Aber angenommen, das Ding taucht auf – was soll ich dann damit anfangen?“

„Wenn dieser Fall eintritt, dann bringen Sie es an einen sicheren Ort und halten den Mund. Ich werde Sie regelmäßig anrufen. Halten Sie mich dann auf dem laufenden.“

„Was ist denn so wichtig daran?“

„Brummelbrummel“, murmelte er, und weg war er.

Plötzlich hörte ich eine geflüsterte Frage hinter mir – „Kannst du mich sehen, Fred?“ –, und ich wandte mich um, aber es war niemand da. Nun, meine Ohren klingelten auch noch von den Schlägen, die sie empfangen hatten. Ich entschied, daß es alles in allem ein schlechter Tag gewesen war, und zog mich zum Nachdenken auf das Dach zurück. Später störte mich dann ein Nothubschrauber, da man mir Selbstmordabsichten unterstellte. Ich erklärte dem Polizisten, ich hätte auf dem Dach Schindeln ausgebessert, und damit war er zufrieden.

Episoden und Fragmente, Fortsetzung …

„Ich habe versucht, dich anzurufen. Dreimal“, sagte er. „Keine Antwort.“

„Hast du nicht daran gedacht, selbst vorbeizukommen?“

„Das wollte ich gerade. In diesem Augenblick. Du bist mir zuvorgekommen.“

„Hast du die Polizei angerufen?“

„Nein. Ich muß mir nicht nur um mich, sondern auch um meine Frau Sorgen machen.“

„Ich verstehe.“

„Hast du sie angerufen?“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht dachte ich mir, ich müßte erst einmal eine bessere Vorstellung von der ganzen Affäre haben, bevor ich sie herbeipfeife.“

Hal nickte, eine dunkelhaarige Studie in Quetschungen und Blutergüssen.

„Und du glaubst, ich weiß etwas, nicht wahr?“

„Das ist richtig.“

„Nun, das ist nicht der Fall“, sagte er, nippte an seiner Tasse, winselte und rührte dann noch einen Löffel Zucker in seinen Eistee. „Als ich an die Tür kam, stand er dort. Ich ließ ihn ein, worauf er anfing, mich wegen dieses blöden Steins auszufragen. Ich erzählte ihm alles, woran ich mich erinnern konnte, aber damit war er nicht zufrieden. Er fing an, mich herumzuschubsen.“

„Was geschah dann?“

„Ich erinnerte mich an weitere Einzelheiten.“

„Hm. So etwa daran, daß ich ihn habe – was nicht stimmt, damit er dich in Ruhe ließ und zu mir kam.“

„Nein! Das ist nicht alles!“ sagte er. „Ich sagte ihm die Wahrheit. Ich habe ihn zurückgelassen, als ich auszog. Ich habe keine Ahnung, was später daraus wurde.“

„Wo hast du ihn gelassen?“

„Ich erinnere mich, ihn das letzte Mal auf dem Schreibtisch gesehen zu haben.“

„Warum hast du ihn nicht mitgenommen?“

„Ich weiß es nicht. Vermutlich deshalb nicht, weil ich ihn nicht mehr sehen konnte.“

Er stand auf und ging in seinem Wohnzimmer auf und ab, blieb dann stehen und sah zum Fenster hinaus. Mary war unterwegs, sie begleitete eine Klasse, was sie auch damals getan hatte, an jenem Nachmittag, als Paul hereinspaziert war und den Hinweis erhalten hatte, der ihn schließlich zu mir geführt hatte.

„Hal“, sagte ich. „Sagst du mir die ganze Wahrheit, offen und ehrlich?“

„Ich habe alles Wichtige gesagt.“

„Komm schon.“

Er wandte dem Fenster den Rücken zu, sah zu mir herüber, sah wieder weg.

„Nun“, sagte er, „er behauptete, dieses Ding, das wir haben, gehöre ihm.“

Ich ignorierte das „wir“.

„Das war einmal“, sagte ich. „Aber ich war dabei, als er es dir gab. Es ist legal in deinen Besitz gelangt.“

Aber Hal schüttelte den Kopf. „So einfach ist das nicht“, sagte er.

„Oh?“

Er kehrte zu seinem Eistee zurück. Er trommelte mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte, nippte kurz, sah mich dann wieder an.

„Nein“, sagte er. „Du mußt wissen, daß dieses Ding, das in unseren Besitz gelangte, wirklich ihm gehörte. Erinnerst du dich noch an die Nacht, in der wir es bekamen? Wir spielten bis früh morgens in seinem Labor Karten. Die sechs Steine lagen auf dem Regal über dem Tisch. Sie fielen uns schon früh auf, und wir haben ihn mehrmals danach gefragt. Er lächelte immer nur und sagte etwas Mysteriöses, oder er wechselte das Thema ganz.

Dann, als die Nacht länger wurde und er auch schon einiges gebechert hatte, wurde er gesprächiger und sagte uns, was es damit für eine Bewandtnis hatte.“

„Ich erinnere mich“, sagte ich. „Er sagte uns, er habe den Sternstein gesehen, den wir gerade in dieser Woche von den Außerirdischen bekommen hatten und der in New York ausgestellt worden war. Er hatte Hunderte von Fotografien unter Verwendung aller Arten von Filtern gemacht, ein ganzes Notizbuch mit Beobachtungen vollgeschrieben und alle Daten gesammelt, die er bekommen konnte. Dann hatte er sich darangemacht, ein Modell des Dings anzufertigen. Er sagte, er wolle eine Methode finden, sie billig produzieren zu können, als eine Art Souvenir. Das halbe Dutzend auf seinem Regal stelle das bis dahin beste Resultat seiner Bemühungen dar. Er hielt sie für ausgesprochen gut.“