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Nadler hatte ihm die Hand geschüttelt, gelächelt und gesagt: „Ich weiß, Sie werden immer eine Stütze des Korps sein, Doktor Cassidy. Verlassen Sie sich im Zweifelsfall auf unsere ehrwürdigen Traditionen. Vergessen Sie vor allem nie, was Sie repräsentieren.“

Merimee hatte gewinkt und gesagt: „Wir eröffnen eine ganze Freudenhauskette für galaxisreisende Erdenmenschen und abenteuerlustige Außerirdische. Wird nicht mehr lange dauern. Solange müssen wir eben mit Kultur und Philosophie vorliebnehmen. Und sollten Sie je in Schwierigkeiten kommen, vergessen Sie nicht meine Telefonnummer.“

„Fred, mein Junge“, hatte sein Onkel gesagt, seinen schwarzen Mantel beiseite geschlagen, um ihm auf die Schulter klopfen zu können, „dies ist ein großer Tag für die Cassidys! Ich wußte schon immer, daß dir dein Schicksal irgendwo zwischen den Sternen winkt. Das Zweite Gesicht, weißt du. Viel Glück – hier, ich gebe dir noch eine Ausgabe von Thomas Monis mit auf den Weg. Ich werde über unser Büro im Vibesper-System mit dir in Verbindung bleiben und später vielleicht Ragma schicken. Das Geld für deine Ausbildung hat sich wirklich gelohnt, mein Junge!“

Der Zwischenfall damals im Bus tut mir leid, Fred. Ich wollte nur herausfinden, wie dein Körper funktioniert, falls ich einige Reparaturen durchzuführen hätte. Ich war gehandicapt durch die Inversionsbarriere.

„Das habe ich mir gedacht – später.“

Diese Welt ist ein interessanter Ort, Fred. Wir sind erst einen Tag hier, aber ich kann bereits jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, daß wir einige aufregende Abenteuer erleben werden.

„Was für eine Befriedigung verschafft dir das alles, Speicher?“

Ich bin eine Aufzeichungs- und Analysiereinrichtung. Der beste Vergleich, der mir einfällt, ist der mit dem Touristen und seiner Kamera. In dem Augenblick, wo beide zusammenarbeiten, da sind ihre Empfindungen vielleicht mit meinen vergleichbar.

„Es ist bestimmt schön, seine eigenen Gefühle so gut zu kennen. Ich glaube, das wird mir nie gelingen.“

Er zündet sich eine Zigarette an. Er gestikuliert.

„Nun, war es die Reise wert?“ fragt er.

Du kennst die Antwort bereits.

„Ja. Ich denke auch.“

Die Leute, die hier hochkletterten und sämtliche Höhlen und Steine dekorierten, hatten recht, denkt er. Ja, das hatten sie.

Ich bin nicht sicher, warum er zu diesem Schluß kommt. Oh ja, ich kenne ihn natürlich sehr gut. Aber ich bezweifle, ob ich ihn jemals durch und durch kennen werde. Ich bin eine Aufzeichnung …

Nachwort

Zusammen mit Samuel R. Delany, Thomas Disch, Harlan Ellison, John T. Sladek und partiell Norman Spinrad gehört Roger Zelazny zu jenen Autoren amerikanischer Science Fiction, die ab den frühen sechziger Jahren von sich reden machten und so etwas wie den amerikanischen Ableger der englischen New Wave verkörperten. Zwar war die amerikanische Spielart der New Wave bei weitem nicht so experimentierfreudig, wie sie sich zuweilen aus der Feder von britischen Autoren wie J. G. Ballard, Brian W. Aldiss oder Michael Moorcock präsentierte, aber ihr kommt das Verdienst zu, entscheidend mitgeholfen zu haben, daß auch in Amerika die allzu einseitig auf „science“ ausgerichtete Science Fiction in neue Bahnen gelenkt wurde. Es wurden bisher tabuierte Themen angepackt, und man setzte, insgesamt gesehen, mehr auf literarische Mittel.

Die genannten Autoren waren nicht die ersten, die Tabus brachen – beispielsweise waren es Farmer und Sturgeon, die schon in den fünfziger Jahren die bislang verpönte Sexualität in der Science Fiction aufwerteten –, und sie waren auch nicht die ersten, die sich für eine literarische Science Fiction einsetzten – man denke nur an längst etablierte Autoren wie Bradbury oder Vonnegut. Aber sie waren die ersten, die dies nach Art einer literarischen Schule taten und damit letztlich eine Bresche schlugen. Denn die Leser folgten ihnen.

So wurde vor allem Roger Zelazny schon in der Frühphase seiner Karriere ein gefeierter Autor, den man mit allerlei Preisen bedachte. Zum Durchbruch half ihm vor allem die Story A Rose for Ecclesiastes (Die 2224 Tänze des Locar), die 1968 in einer Umfrage des Verbandes der amerikanischen SF-Autoren (SFWA) auf dem 6. Platz einer ewigen Bestenliste landete.

Roger Zelazny wurde 1937 in Cleveland/Ohio geboren, studierte an der Universität, schloß mit einem akademischen Grad ab und arbeitete anschließend als Angestellter der Sozialversicherung. Er schrieb zunächst Lyrik, veröffentlichte aber ab 1962 Science Fiction. 1969 gab er seinen Job auf und wurde freier Schriftsteller. Zu seinen großen Romanerfolgen gehören This Immortal (Fluch der Unsterblichkeit) und Lord of Light (Herr des Lichts), die beide mit dem HUGO Award ausgezeichnet wurden, ferner The Dream Master (Herr der Träume). Einer seiner Romane, Damnation Alley (Straße der Verdammnis), wurde verfilmt, und großer Popularität erfreuten sich auch die Fantasy-Romane um Corwin of Amber.

Im SF-Werk Zelaznys offenbaren sich Gegensätze, die auf den ersten Blick scheinbar schwer miteinander zu versöhnen sind. Da ist der Intellektuelle Roger Zelazny, ambitioniert, belesen, weiter Horizont, große Allgemeinbildung, bereit zu allerlei stilistischen Experimenten. Und dann gibt es den anderen Zelazny, der weit hinter sich selbst zurückweicht, pure Unterhaltung schreibt, sich mit Zuckersaft statt Honig zufriedenzugeben scheint.

Aber Zelazny ist dies alles zusammen, und am besten ist er in der Tat, wenn er die ganze Palette einbringt: nicht nur den Intellektuellen, den Spieler, sondern auch den Erzähler, den flapsigen Unterhalter. Dann kommt etwas heraus, wie es sich in seinen besten Kurzgeschichten präsentiert: durchdachter Plot, hier und da ein kleiner intellektueller Spaß oder Kitzel, ein bißchen Humor, ein bißchen Zynismus, dazu Saft und Kraft abenteuerlicher Unterhaltung.

Tore in der Wüste (Doorways in the Sand) ist so ein Roman, in dem die Mischung stimmt. Man kann ihn lesen als spannende Geschichte mit teilweise recht kauzigen Charakteren. Man kann ihn als Satire auffassen. Man kann sich an den zahlreichen Einfällen – geistigen, sprachlichen wie typographischen – erfreuen. Das einzige, was man wohl mitbringen muß, was man sich bewahrt haben muß, ist die Fähigkeit, sich einem gewissen Staunen, einem spielerischen Vergnügen hingeben zu können, die Bereitschaft, sich in wundersame Abenteuer entführen zu lassen. Aber dazu sollte ein Science Fiction-Leser ja eigentlich in der Lage sein.

Außer Tore in der Wüste (Doorways in the Sand) erschien von Roger Zelazny in der Reihe Moewig Science Fiction: die Kurzgeschichtensammlung Die Türen seines Gesichts, in der auch die eingangs erwähnte Story A Rose for Ecclesiastes enthalten ist. Ein weiterer Roman, Roadmarks, befindet sich in Vorbereitung.

Hans Joachim Alpers